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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Oktober 1993, Zl. 4.323.049/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, der am 19. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. Februar 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 1. Oktober 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 24. September 1991 angegeben, er habe in seinem Heimatland weder einer politischen noch einer militärischen Organisation angehört, sei aber wegen seiner Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der kaldäischen Katholiken ständig schikaniert und benachteiligt worden. In der Schule sei er verspottet worden und habe nach deren Abschluß entweder keinen oder nur einen minderwertigen Arbeitsplatz bekommen. Er habe es in seiner Heimat nicht mehr ausgehalten und wolle, da sein Bruder in Amerika lebe, ebenfalls dorthin auswandern.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer auf seine erstinstanzlichen Angaben verwiesen. In einem ergänzenden Schreiben vom 23. März 1992 habe der Beschwerdeführer erklärt, seine Probleme hätten schon mit der Revolution im Jahre 1979 begonnen. Als Christ sei er von diesem Zeitpunkt an ständig unterdrückt und verfolgt worden. Weil er der "Andschoman-E-Eslami" nicht beigetreten sei, sei er - so wie auch einige seiner Freunde - von der Schule verwiesen und damit der Möglichkeit beraubt worden, einen Beruf von Anfang an zu erlernen. Wegen seines Protestes, daß Frauen im Iran keine Rechte hätten, sei er von der islamischen Geheimpolizei festgenommen und stundenlang verhört worden. Ende 1989 sei er einer von der islamischen Regierung verbotenen Oppositionsgruppierung beigetreten. Einige seiner Freunde, die ebenfalls Mitglieder dieser Organisation gewesen seien, seien von der Geheimpolizei festgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe sich im Untergrund versteckt und weiter gegen das Regime gekämpft. Er habe erfahren, daß sein Vater seinen Arbeitsplatz verloren habe, weil er sich geweigert habe, den Aufenthalt des Bruders des Beschwerdeführers, der ebenfalls aus dem Iran geflüchtet sei, bekannt zu geben. Als im Jahre 1990 die Geheimpolizei das Versteck des Beschwerdeführers entdeckt habe, habe er zunächst bei seinem Großvater Unterschlupf gefunden; er habe sich aber Anfang 1991 zur Flucht entschlossen, weil die Geheimpolizei ihn zunächst bei seinen Verwandten suchen würde. Wegen seiner Religionszugehörigkeit und der übrigen dargestellten Umstände habe der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr mit einer strengen Strafe zu rechnen.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) unter Hinweis auf die im Iran herrschende verfassungsrechtliche Situation, derzufolge iranische Bürger christlichen Glaubens als offizielle Minderheit anerkannt seien, deshalb verneint, weil die Beeinträchtigungen, denen Christen wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt seien, nicht die Intensität einer asylrechtlich beachtlichen Verfolgung erreichten. Diese Auffassung der belangten Behörde trifft im Beschwerdefall zu, weil die vom Beschwerdeführer im Zuge des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, dessen Ergebnis gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - dieses Gesetz hatte die belangte Behörde gemäß seinem § 25 Abs. 2 im Beschwerdefall anzuwenden - der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde zu legen ist, geltend gemachten Benachteiligungen (Verspottung in der Schule, Schwierigkeiten bei der Erlangung eines adäquaten Arbeitsplatzes) nicht eine derartige Intensität erreichen, daß deshalb ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers in seinem Heimatland als unerträglich anzusehen wäre. Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde darauf verweist, daß die tatsächlichen Verhältnisse im Iran nicht den Geboten der Verfassung entsprächen und daß öffentliche Auspeitschungen und Inhaftierungen von nicht der fundamentalistischen Glaubensgemeinschaft anggehörigen Personen als "normal" anzusehen seien, ist daraus für ihn nichts zu gewinnen, weil er derartige gegen ihn persönlich gerichtete Maßnahmen bei seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz nicht vorgetragen hat und entgegen seiner Ansicht die im Berufungsverfahren erstattete Ausführungen nicht im nachhinein als Teil eines (seinem Bestreben nach offenbar als erstinstanzliche Darlegungen zu wertenden) Gesamtvorbringens angesehen werden können.
Zutreffend hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auch entgegengehalten, daß aus der durch das Bestehen eines islamisch fundamentalistischen Systems in seinem Heimatland gekennzeichneten allgemeinen Lage in diesem Staat wie auch aus der bloßen inneren Ablehnung dieses Systems Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht abgeleitet werden kann (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S. 28, angeführte Judikatur).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines Amtsdolmetschers nicht verpflichtend vorgesehen. Gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 reicht die Beiziehung eines Dolmetschers - also auch eines solchen, der nicht die Funktion eines Amtsdolmetschers innehat - für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache aus. Daß aber die der Vernehmung des Beschwerdeführers unbestritten beigezogene Dolmetscherin etwa seine Angaben falsch oder die ihm gestellten Fragen für den Beschwerdeführer unverständlich übersetzt hätte, hat er selbst nicht behauptet.
Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, bestand keine Notwendigkeit, das Ermittlungsverfahren durch weitere Befragungen auszudehnen.
Wenn der Beschwerdeführer in weiterer Ausführung der Verfahrensrüge vorbringt, die belangte Behörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß aus § 13 a AVG eine Verpflichtung der Behörden, einen Asylwerber, der - wie der Beschwerdeführer - nur Angaben macht, denen kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte, nicht abgeleitet werden kann (vgl. abermals das o.a. Erkenntnis vom 30. November 1991, Zl. 92/01/0800-0803).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers läßt sich den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch durchaus entnehmen, von welchen Feststellungen - nämlich vom Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens - sie bei der Erlassung dieses Bescheides ausgegangen ist.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190547.X00Im RIS seit
20.11.2000