TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/16 94/19/0095

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Veröffentlicht am 16.06.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Mai 1993, Zl. 4.339.789/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, hat am 27. Dezember 1991 den Antrag gestellt, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 1. April 1992 hat er im wesentlichen angegeben, der christlichen Glaubensgemeinschaft im Irak anzugehören und deshalb von den Moslems diskriminiert worden zu sein. Im Jahr 1985 sei sein Bruder wegen Zugehörigkeit zu einer verbotenen assyrischen Sekte ("Demokratische-assyrische Bewegung") hingerichtet worden. Seit damals sei die Familie des Beschwerdeführers unter Beobachtung der Polizei gestanden; diese habe angenommen, daß auch andere Familienangehörige dieser verbotenen radikalen Sekte angehörten. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1990 nach Kirkuk an die türkische Grenze gezogen und habe dort eine Schule für Mechaniker besucht. Am 23. Juni 1991 sei die Polizei in die Schule gekommen und habe etwa 60 bis 70 Schüler, unter ihnen auch den Beschwerdeführer, festgenommen, da die Schüler im Verdacht gestanden seien, einer kurdischen Bewegung anzugehören. Die Festnahme sei im Zusammenhang mit dem Golfkrieg gestanden. Es sei dem Beschwerdeführer jedoch zusammen mit anderen Schülern gelungen, aus dem Polizeigewahrsam zu fliehen. Der primäre Grund seiner Flucht aus dem Irak sei gewesen, daß er unter den gegebenen Umständen nicht mehr dort habe leben wollen.

Mit Bescheid vom 28. Mai 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In seiner Berufung dagegen erklärte der Beschwerdeführer, aufgrund der Ereignisse in seinem Heimatland, die zu seiner Flucht geführt hätten, nicht mehr dorthin zurückkehren zu können.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten (hier: religiösen) Minderheit sei noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach seinen Angaben in erster Instanz im Jahr 1988 drei Wochen wegen des Verdachtes der Zugehörigkeit zu einer verbotenen Sekte in Polizeigewahrsam gewesen sei, könne keinen Asylgrund im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 begründen, da Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurücklägen, asylrechtlich nicht mehr beachtlich seien. Auch habe der Beschwerdeführer trotz seiner kurzfristigen Inhaftierung nach seinen Angaben das Gymnasium in Bagdad abgeschlossen. In gleicher Weise begründe die Festnahme am 23. Juni 1991 für sich alleine noch nicht die Annahme des politischen Aspektes des Verfahrens; allgemein verlange die Genfer Konvention einen Eingriff des Staates bzw. seiner Organe in die zu schützende Rechtssphäre des einzelnen von erheblicher Intensität und Qualität. Indizien für einen derartigen Eingriff könnten aber dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entnommen werden, der als primären Grund seiner Ausreise angegeben habe, daß er unter den gegebenen Umständen im Irak nicht mehr leben könne.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 im vorliegenden Fall deshalb nicht zu, da der das erstinstanzliche Verfahren abschließende Bescheid erst am 15. Juni 1992 ergangen ist (zugestellt wurde), das Verfahren in erster Instanz somit am 1. Juni 1992 noch anhängig war. Dies führt aber noch nicht zwangsläufig dazu, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde, ist doch die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneint hat; diese Bestimmung des AsylG 1991 brachte jedoch keine inhaltliche Änderung gegenüber dem nach § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff. Auch danach ist Flüchtling (nur) jemand, der aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im Ergebnis zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß aus den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfolgungsmaßnahmen eine "wohlbegründete Furcht" in diesem Sinne nicht abgeleitet werden kann. Abgesehen davon, daß sich die gegen den Bruder des Beschwerdeführers im Jahr 1985 getroffenen staatlichen Maßnahmen eben nicht gegen den Beschwerdeführer selbst richteten, liegen diese, ebenso wie die vorübergehende Inhaftierung des Beschwerdeführers im Jahre 1988, zu weit zurück, als daß hieraus noch Verfolgungsgefahr für das Jahr 1991 abgeleitet werden könnte. Konkrete, gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungsmaßnahmen wegen der (vermuteten) Zugehörigkeit zur verbotenen "Demokratischen-assyrischen Bewegung" sowie wegen seiner religiösen Einstellung, aus denen eine begründete Furcht vor Verfolgung abgeleitet werden könnte, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; die angegebene Überwachung der Familie durch die Polizei führte zu keinen weiteren, den Beschwerdeführer treffenden Verfolgungsmaßnahmen der staatlichen Behörden, erreichte somit jedenfalls nicht jene Intensität, die zur Annahme einer (objektiv) begründeten Furcht notwendig ist. Auch aus dem Umstand seiner Verhaftung am 23. Juni 1991 - zusammen mit etlichen anderen Schülern - kann eine begründete Furcht des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden, hat dieser doch in keiner Weise angegeben, daß ihm - außer der offenbar vorübergehenden Inhaftierung - andere Verfolgungsmaßnahmen wegen der angenommenen Zugehörigkeit zu einer - nicht näher definierten - "kurdischen Bewegung" gedroht hätten.

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, ihm sei kein Gehör hinsichtlich der Tatsachengrundlage eingeräumt worden, aus der die belangte Behörde geschlossen habe, die Verhältnisse im Irak seien nicht derart, daß sie aus objektiver Sicht einen weiteren Verbleib des Asylwerbers dort unerträglich machten, erweist sich der darin gelegene Verfahrensmangel als nicht wesentlich, weil - ausgehend allein von den im Asylverfahren maßgeblichen Angaben des Beschwerdeführers - die belangte Behörde - wie dargelegt - zu keinem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befürchtung seiner Abschiebung in das Heimatland und der ihm dort drohenden Bestrafung kann von ihm im Falle eines Verfahrens über die Rückschiebung geltend gemacht werden, vermag aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu bewirken.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190095.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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