TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/20 93/10/0206

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Veröffentlicht am 20.06.1994
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Index

L55004 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Oberösterreich;

Norm

NatSchG OÖ 1964 §1 Abs2;
NatSchG OÖ 1982 §39 Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §39 Abs4;
NatSchG OÖ 1982 §39;
NatSchG OÖ 1982 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde 1.) des E H und 2.) der I H in A, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 31. August 1993, Zl. N-101949/Kü-1993, betreffend Feststellung nach § 5 des Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 und Entfernungsauftrag,

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) vom 24. Februar 1992 wurde den Beschwerdeführern unter Berufung auf § 39 Abs. 1 und 4 iVm § 5 Abs. 1 des Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 (Oö NSchG 1982) aufgetragen, den widerrechtlichen Eingriff in das Landschaftsbild auf dem Grundstück Nr. 807/9 - Holzhütte im Ausmaß von ca. 5 x 6 m - bis längstens 30. Oktober 1992 zu entfernen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Erstbeschwerdeführer Berufung und beantragte gleichzeitig die nachträgliche Genehmigung der Holzhütte (Badehütte).

Mit Bescheid der BH vom 9. Februar 1993 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf nachträgliche naturschutzbehördliche Genehmigung seiner Badehütte gemäß § 5 Abs. 1 Oö NSchG 1982 abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer erhob Berufung.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten einer Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz ein.

Diese führte aus:

Nachdem das zwischen der B 151 und der offenen Seefläche gelegene Grundstück wie auch die benachbarten Parzellen als Bade- und Erholungsfläche genutzt werde, weise der unmittelbare Uferabschnitt entsprechend seiner intensiven Beanspruchung zahlreiche anthropogene Elemente auf. Abgesehen von dem mittels Steinwurf gesicherten Ufer, den vereinzelten Seeeinbauten, diversen Abgrenzungen, Tisch-Bank-Kombinationen etc. führten vor allem die drei vorhandenen Badehütten zu einer Entwertung des Landschaftsbildes. Hingegen weise der weiter nördlich anschließende Bereich lediglich geringfügige Eingriffe wie z.B. Abgrenzungen, Sitzgelegenheiten und Stiegenabgänge auf, wobei die Reste des Uferbegleitgehölzes sowie die teilweise freiauslaufenden Uferpartien eine Belebung und Strukturierung der Uferlandschaft bewirkten. Lediglich die offene Seefläche bzw. der Übergangsbereich See/Land würden analog zu dem südlich angrenzenden Uferabschnitt durch massivere Seeeinbauten (Steganlagen, Schwimmfloß sowie teilweise vorhandene Ufersicherungen) in ihrem Erscheinungsbild belastet. Insgesamt könne demnach von einem anthropogen zwar überformten, jedoch nicht vollständig degradierten Landschaftsbild ausgegangen werden, in dem vereinzelte Baum- und Gebüschgruppen als Reste der ursprünglichen Landschaftselemente vertreten seien. Zu der Badehütte werde aus naturschutzfachlicher Sicht festgehalten, daß sie zu einer maßgeblichen und zwar negativen Veränderung des Landschaftsbildes führe. Nachdem sie auf Grund ihrer Ausgestaltung als künstliches Element anzusehen sei, lasse sie jede Einbindung in die vorgegebene Uferlandschaft vermissen. Um eine Bewertung der Eingriffswirkung vornehmen zu können, müßten künstliche und natürliche Elemente gegeneinander abgewogen werden, wobei das Grundstück, auf dem die Hütte stehe, abgesehen von Abgrenzungen, einer 2 m x 3 m umfassenden, ebenfalls konsenslos errichteten Liegeplattform sowie einer Ufersicherung keine weiteren anthropogenen Objekte aufweise. Demzufolge müsse die Badehütte als massiver Eingriff angesehen werden, der eine Verdichtung der künstlichen Einrichtungen bewirke. Nachdem das gegenständliche Objekt zur Schließung eines Lückenraumes zwischen zwei bestehenden und als Altbestände einzustufenden Badehütten führe, ergebe sich eine massive, verbaute Front, die zu einer enormen Degradierung und Entwertung des Landschaftsbildes führe. Die negative Eingriffswirkung werde zudem durch die sowohl land- als auch seeseitige Einsehbarkeit verstärkt, wobei die vorhandene Bepflanzung lediglich eine teilweise und an die Vegetationsperiode gebundene Abdeckung biete.

In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten äußerte sich der Erstbeschwerdeführer lediglich zur Zulässigkeit eines Abtragungsauftrages, setzte sich aber mit dem Inhalt der Gutachtens nicht auseinander.

Mit Bescheid vom 31. August 1993 wies die belangte Behörde die Berufungen des Erstbeschwerdeführers gegen die Bescheide der BH vom 24. Februar 1992 (Entfernungsauftrag) und vom 9. Februar 1993 (Abweisung des Antrages auf nachträgliche Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung) als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführer bringen vor, wie sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens ergeben habe, sei ihre Badehütte Anfang der Sechzigerjahre von E.L., ihrem Rechtsvorgänger, errichtet worden. Die Behörde hätte 30 Jahre lang die Möglichkeit gehabt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und die Entfernung gegenüber dem damaligen Eigentümer und "Täter" zu verfügen. Die 30 Jahre lang andauernde Säumigkeit der Behörden könne den Beschwerdeführern nicht zum Nachteil gereichen. Sowohl die Errichtung der Hütte als auch deren Erwerb durch die Beschwerdeführer habe vor dem Inkrafttreten des Oö NSchG 1982 stattgefunden. Nach der während dieses Zeitraumes geltenden Rechtslage habe offenbar der Rechtsnachfolger des Täters zur Entfernung des Eingriffes nicht verhalten werden können. Die belangte Behörde hätte daher zum Ergebnis kommen müssen, daß hier ein "Altbestand" gegeben sei, der eine bescheidmäßige Änderung nicht mehr zulasse. Abgesehen davon hätte die belangte Behörde eingedenk der Tatsache, daß der streitgegenständliche Zustand schon seit 30 Jahren von der Naturschutzbehörde geduldet werde, zum Ergebnis kommen müssen, daß hier die Voraussetzung des im § 39 Abs. 1 Oö NSchG 1982 normierten Alternativtatbestandes vorliege, wonach für den Fall, daß die Wiederherstellung des Urzustandes tatsächlich nicht mehr möglich sei, bescheidmäßig Auflagen und Abänderungen zu verfügen seien, die die Landschaft möglichst wenig beeinträchtigten.

Das Ermittlungsverfahren sei insofern mangelhaft geblieben, als sich die belangte Behörde lediglich darauf beschränkt habe, die Meinungen der Amtssachverständigen den Entscheidungen zugrundezulegen, ohne diese Gutachten kritisch zu überprüfen. Die belangte Behörde begnüge sich mit der Feststellung, daß durch die Badehütte eine Lücke geschlossen werde, die bewirke, daß ein störender Eingriff in das Landschaftsbild durch eine Baukörperverlängerung entstehe. Sowohl die Sachverständige als auch die belangte Behörde selber verabsäumten es aber, zu erklären, worin nun diese Störung des Landschaftsbildes liegen solle. Es werde völlig außer Acht gelassen, daß unmittelbar hinter dem Grundstück die Attersee-Bundesstaße, eine der am stärksten befahrenen Straßen des Bezirkes Vöcklabruck, verlaufe. Das Grundstück 807/9 liege zudem noch rund 500 m nach dem Ortsgebiet von N, welches einerseits durch gewerbliche Bauten, andererseits aber durch zwei riesige Campingplätze geprägt sei, wobei auf diesen Campingplätzen durch Dauermietverträge abgesichert das ganze Jahr hindurch Wohnwagen stünden. Der Verfahrensmangel liege nun darin, daß es die Behörde unterlassen habe, das Umfeld des verfahrensgegenständlichen Objektes festzustellen und zu beurteilen. Die belangte Behörde hätte außerdem zum Ergebnis kommen müssen, daß jener Landschaftsteil, in welchem das Bauwerk der Beschwerdeführer stehe, mit Baulichkeiten aller Art verbaut sei.

Das Verfahren sei auch insofern mangelhaft geblieben, als es die belangte Behörde unterlassen habe, die im § 39 Abs. 1 des Oö NSchG 1982 vorgesehenen Alternativlösungen zu überprüfen und festzustellen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I.

ZUR BESCHWERDE DER ZWEITBESCHWERDEFÜHRERIN:

Der angefochtene Bescheid richtet sich ausschließlich an den Erstbeschwerdeführer. Der Zweitbeschwerdeführerin kam daher keine Beschwerdelegitimation gegen diesen Bescheid zu. Ihre Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

II.

ZUR BESCHWERDE DES ERSTBESCHWERDEFÜHRERS:

1. ZUM ENTFERNUNGSAUFTRAG:

Nach § 39 Abs. 1 Oö NschG 1982 kann, wenn bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausgeführt oder in Bewilligungen verfügte Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht eingehalten wurden, die Behörde unabhängig von einer Bestrafung nach § 37 demjenigen, der rechtswidrig das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen, oder dessen Rechtsnachfolger mit Bescheid auftragen, binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist auf seine Kosten den vorherigen Zustand wiederherzustellen bzw. den bescheidmäßigen Zustand herzustellen oder, wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer Weise abzuändern, daß Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.

Nach § 39 Abs. 4 leg. cit. gilt Abs. 1 sinngemäß auch bei widerrechtlichen Eingriffen in das Landschaftsbild gemäß § 5.

Nach § 5 Abs. 1 Oö NSchG 1982 ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, daß solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.

Nach § 1 Abs. 2 des Oö Naturschutzgesetzes 1956, LGBl. Nr. 5, wie auch nach § 1 Abs. 2 des Oö Naturschutzgesetzes 1964, LGBl. Nr. 58, war jeder Eingriff in das Landschaftsbild an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten. Dieses Verbot galt, solange nicht ausdrücklich festgestellt wurde, daß solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwogen, nicht verletzt wurden.

Die Errichtung der jetzt den Beschwerdeführern gehörenden Badehütte durch deren Rechtsvorgänger war daher auch nach den damals geltenden naturschutzrechtlichen Bestimmungen in Oberösterreich verboten. Rechtswidrig war nicht nur der punktuelle Vorgang der Errichtung der Holzhütte, sondern auch der dadurch geschaffene Zustand ("Eingriff"). Dieser Zustand behielt seinen rechtswidrigen Charakter auch mit dem Inkrafttreten des Oö NSchG 1982 bei, da dieses im § 5 Abs. 1 einen mit § 1 Abs. 2 der Vorgängergesetze gleichen Tatbestand enthält, der ebenfalls nicht nur punktuelle Maßnahmen, sondern auch Zustände erfaßt und zwar auch solche, die im zeitlichen Geltungsbereich der Vorgängerbestimmungen geschaffen wurden. Die Badehütte der Beschwerdeführer widerspricht daher § 5 Abs. 1 Oö NSchG 1982. Daraus folgt aber, daß auf diese Badehütte die Bestimmungen des § 39 leg. cit. uneingeschränkt anwendbar sind, da § 39 nicht zwischen rechtswidrigen Zuständen, die im zeitlichen Geltungsbereich des Oö NschG 1982 geschaffen wurden und solchen, die bereits unter den Vorgängerbestimmungen bestanden, differenziert. Die Beschwerdeführer konnten daher als Rechtsnachfolger dessen, der die Badehütte errichtet hat, in Anspruch genommen werden.

Eine Wiederherstellung des vorigen Zustandes ist nicht unmöglich. Alternativmaßnahmen brauchten daher nicht geprüft zu werden.

2. ZUR ABWEISUNG DES BEWILLIGUNGSANTRAGES:

Die belangte Behörde hat die Abweisung dieses Antrages auf das von ihr eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz gestützt. Der Erstbeschwerdeführer hat die ihm gebotene Gelegenheit, sich mit diesem Gutachten inhaltlich auseinanderzusetzen und es zu entkräften, nicht genutzt. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 304 unter Nr. 24 wiedergegebene Judikatur). Das Gutachten der Amtssachverständigen ist schlüssig und enthält ausreichende Anhaltspunkte für die von der belangten Behörde daraus gezogene Schlußfolgerung, daß die Badehütte einen solchen Eingriff in das Landschaftsbild darstellt, der eine positive Feststellung im Sinne des § 5 Abs. 1 Oö NSchG 1982 nicht zuläßt.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993100206.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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