TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/21 94/20/0072

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Veröffentlicht am 21.06.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der N, in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Juli 1993, Zl. 4.342.891/1-III/13/93, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Angelegenheit der Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen und Angehörigen der assyrischen Minderheit, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 26. April 1993, mit welchem ihr Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 24. August 1992 abgeschlossenen Verfahren abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 69 Abs. 1 leg. cit. abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, die dem Antrag auf Wiederaufnahme vom 29. März 1993 angeschlossenen Urkunden seien keine neuen "Beweismittel", sondern sollten die nach Meinung der Beschwerdeführerin unrichtige rechtliche Beurteilung ihrer Fluchtgründe relevieren. Darüberhinaus seien alle jene Tatsachen, die nunmehr im Wiederaufnahmeantrag als Wiederaufnahmegründe angeführt worden seien, bereits im Asylverfahren geltend gemacht worden. Eine allenfalls vorliegende unrichtige rechtliche Beurteilung bilde keinen Grund zur Wiederaufnahme. Da die Abweisung des Asylantrages durch das Bundesasylamt nur auf die Ausschlußbestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gestützt worden sei, könnten auch allfällig neue Tatsachen und Beweismittel, die lediglich die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin beträfen, nicht zur Stattgebung des Asylantrages führen. Da damit aber keine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung herbeigeführt werden könne, käme auch aus diesem Grunde eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens sowie auf Gewährung von Asyl verletzt. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, sie sei türkische Staatsbürgerin und Angehörige der assyrischen Volksgruppe, einer Minderheit in der Türkei, die Opfer der Auseinandersetzung der türkischen Regierung mit der kurdischen PKK sei, da beide Seiten durch Terror versuchten, die assyrische Minderheit ihren "Zielen" nützlich zu machen. Opfer des Terrors seien auch bereits wiederholt Mitglieder ihrer Familie geworden, die grundlos niedergemetzelt worden seien. Auch das Leben der Beschwerdeführerin sei akut bedroht gewesen. Ihre einzige Möglichkeit habe darin bestanden, mit Hilfe eines gekauften, "offenbar gefälschten" Visums über die CSFR am 13. Juli 1992 illegal nach Österreich einzureisen, obwohl sie bereits in Istanbul im österreichischen Generalkonsulat am 30. Juni 1992 einen Asylantrag gestellt habe. Ihr Antrag auf Asylgewährung sei jedoch mit Mandatsbescheid des Bundesasylamtes vom 5. August 1992 abgewiesen worden; der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung sei mit Bescheid vom 24. August 1992 durch das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, unter Anwendung der Ausschlußbestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 nicht Folge gegeben worden. Die Behörde habe sich mit ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht auseinandergesetzt. Dieser Bescheid sei aus ihr nicht verständlichen Gründen von ihrem damaligen gesetzlichen Vertreter, dem Amt für Jugend und Familie, nicht angefochten worden, sodaß die Abweisung des Asylantrages in Rechtskraft erwachsen sei. Nachdem der Terror gegen ihre Volksgruppe und ihre Familie unvermindert weiter ausgeübt werde (im Jänner 1993 sei einer ihrer Cousins getötet worden) habe sie am 29. März 1993 die Wiederaufnahme beantragt, wobei sie zur Frage der Rechtzeitigkeit des Antrages, zur Tatsache der illegalen Einreise in die CSFR sowie der nach wie vor akuten Verfolgungsgefahr in der Türkei die zeugenschaftliche Einvernahme ihrer Cousine S, ihres Vaters und ihres Onkels, allein zu letzterem Beweisthema zusätzlich die Einholung von Gutachten des Ludwig Boltzmann-Institutes für Menschenrechte sowie der Nationalen Helsinki Föderation für Menschenrechte Wien und zur Frage der Verfolgungssicherheit in der CSFR u.a. ein Gutachten des UNHCR beantragte.

Mit der Beschwerde legt die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme des UNHCR vom 29. Dezember 1993 zur Frage der Verfolgungssicherheit in der tschechischen Republik (frühere CSFR) vor und ergänzte hiezu, die Annahme der belangten Behörde, es sei in der CSFR Verfolgungssicherheit gegeben gewesen, sei unrichtig, da "Illegale", die in einem anderen Staat bereits um Asyl angesucht hätten, "abgeschoben" würden. Die Beschwerdeführerin habe aber bereits im Zeitpunkt ihrer Durchreise durch die ehemalige CSFR einen Asylantrag (nämlich in Istanbul vor dem österreichischen Generalkonsulat) gestellt.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Insoweit die Beschwerdeführerin sich auf Beweismittel zu den Fragen der Rechtzeitigkeit ihres Wiederaufnahmeantrages sowie der allgemeinen und auch ihrer konkreten persönlichen Verfolgungssituation in der Türkei bezieht, war nicht näher darauf einzugehen, weil das Bundesasylamt einerseits durch die meritorische Entscheidung in der Sache zu erkennen gegeben hat, daß sie von der Rechtzeitigkeit des gestellten Wiederaufnahmeantrages ausgegangen ist und andererseits eine anderslautende Entscheidung im Asylverfahren durch ergänzende Feststellungen zur Flüchtlingseigenschaft nicht zu erwarten ist, da die Behörde im Asylverfahren die abweisliche Entscheidung lediglich mit dem Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 begründet hatte (vgl. insbesondere auch zur Frage der Entbehrlichkleit der Feststellungen über die Flüchtlingseigenschaft bei Anwendung dieses Ausschlußgrundes hg. Erkenntnisse vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0474 und vom 23. März 1994, Zl. 94/01/0115).

Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß ihr Vorbringen zur Frage der Verfolgungssicherheit in der ehemaligen CSFR nicht von vornherein als belanglos angesehen werden kann; ein derartiges Vorbringen wurde jedoch bereits im Asylverfahren - wenn auch erfolglos - geltend gemacht. Zu diesem Themenkreis beruft sich die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich auf eine - offenbar in einem anderen Asylfall ergangene - Entscheidung der belangten Behörde und ein "Gutachten" des UNHCR; sie wiederholt diese Beweisanträge auch im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde. Abgesehen davon, daß sich aus dem von ihr zitierten Bescheid der belangten Behörde allenfalls eine andere, nämlich die von ihr angestrebte, rechtliche Beurteilung ergeben könnte, nicht aber eine auf ihren Fall übertragbare Sachverhaltsgrundlage, können auch aus der Einholung der beantragten Stellungnahme des UNHCR keine anderen als generelle Schlußfolgerungen gezogen werden. Die sich aus der der Beschwerde beigelegten Stellungnahme des UNHCR vom 29. Dezember 1993 ergebenden Überlegungen beziehen sich daher lediglich unter Zugrundelegung auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellter Tatsachen auf rechtliche Konsequenzen, die die Behörde bereits im Asylverfahren zu berücksichtigen gehabt hätte. Es handelt sich dabei aber nicht um ein "neu hervorgekommenes" Beweismittel, sondern - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - um ein "neu entstandenes", aus dem kein anderer Sachverhalt zu erschließen ist, als jener, den die belangte Behörde als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ihrer rechtlichen Beurteilung im vorangegangenen Verfahren zugrundegelegt hat. Ein Beweismittel, welches - ohne Neuerungen im Tatsachenbereich aufzuzeigen - lediglich darzutun vermag, daß das seinerzeitige Verfahren allenfalls mangelhaft gewesen war, kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. November 1975, Zl. 1301/75), ebensowenig wie eine allenfalls unrichtige rechtliche Beurteilung der Behörde rechtfertigen (vgl. auch hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1973, Zl. 1783/92, vom 13. September 1974, Zl. 1735/73).

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Andere rechtliche Beurteilung Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200072.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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