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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/14/0027Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des J in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in V, gegen die Bescheide der FLD für Kärnten jeweils vom 9. Dezember 1993,
1. Zl. 258-3/90, betreffend Gewerbesteuer 1986 bis 1991, Gewerbesteuervorauszahlung für 1992 und Folgejahre,
2. Zl. 257-3/90, betreffend ESt 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen zu 1. in der Höhe von S 12.920,--, zu 2. in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist ausgebildeter Schilehrer und betreibt eine von ihm geleitete Schischule. Die belangte Behörde hat in den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden die vom Beschwerdeführer mit Berufungen bekämpfte Ansicht des Finanzamtes bestätigt, daß die Einkünfte aus der genannten Tätigkeit solche aus Gewerbebetrieb seien und nicht solche aus selbständiger Arbeit, wie der Beschwerdeführer meint. Sie nahm daher in Übereinstimmung mit dem Finanzamt (zu 1.) Gewerbesteuerpflicht an und versagte (zu 2.) bei der Einkommensteuer das Betriebsausgabenpauschale gemäß § 4 Abs. 6 EStG 1972. Die belangte Behörde bezweifelte zwar nicht, daß der Schiunterricht unterrichtende Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 bzw. § 22 Z. 1 lit. a EStG 1988 sei. Der Beschwerdeführer bediene sich jedoch im Hinblick auf die große Anzahl der zu unterrichtenden Personen in der viermonatigen Schisaison (rund 4.200 bis 4.500) zahlreicher (28 bis 36) Hilfskräfte (Schilehrer, Hilfsschilehrer, Studenten als Aushilfskräfte), sodaß sich seine eigene unterrichtende Tätigkeit auf die Erteilung des theoretischen Unterrichtes und nur zu einem kleinen Bruchteil auf die praktische Lehrtätigkeit erstrecke. Dem praktischen Unterricht komme aber in der Ausbildung der Schischüler das Schwergewicht zu. Nicht die eigene unterrichtende Tätigkeit des Beschwerdeführers als Freiberufler stehe daher im Vordergrund, sondern die Bereitstellung von Fachkräften. Daß der Beschwerdeführer seine Hilfskräfte persönlich ausbilde, belehre und laufend überwache, sodaß deren Tätigkeit seinen Stempel trage, ändere nichts daran, daß der Beschwerdeführer schon aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage sei, die Ausführung jedes einzelnen ihm erteilten Auftrages oder der ihm in Auftrag gegebenen Dienstleistung selbst vorzunehmen. Auch der Umstand, daß die Schischule gerade durch den persönlichen Einsatz und die Tätigkeit des Beschwerdeführers geprägt sei, mache die Bereitstellung einer großen Anzahl von Fach- und Hilfskräften nicht entbehrlich. Eigenverantwortliche Tätigkeit bedeute Einflußnahme des Steuerpflichtigen auf die einzelne Dienstleistung, für deren ordnungsgemäße Ausführung er vor allem die fachliche Verantwortung trage. Die fehlende Mitarbeit am einzelnen Auftrag müsse auf Ausnahmen beschränkt bleiben.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß seine Tätigkeit nicht als Gewerbebetrieb behandelt werde. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb Aufhebung der Bescheide.
Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 dritter und vierter Satz EStG 1972 ist ein Angehöriger eines freien Berufes weiters auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist, daß er selbst auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Inhaltlich gleiches gilt gemäß § 22 Z. 1 EStG 1988.
Der Freiberufler darf sich fachlich ausgebildeter Arbeitskräfte bedienen (darf also seine Arbeitskraft grundsätzlich "vervielfachen"), er muß aber auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein. Es ist hingegen nicht erforderlich, daß er allein tätig ist. Beim (selbständig tätigen) Leiter einer Privatschule wird man dies annehmen können, wenn er selbst über das nötige Fachwissen verfügt und auf die Gestaltung des Lehrplanes und auf die Art des Unterrichts (die Unterrichtsmethode) im ständigen Kontakt mit dem Lehrkörper Einfluß nimmt. Zudem muß er selbst Unterricht erteilen. Bei bloß kaufmännischer und organisatorischer Tätigkeit würde der Schulleiter die Voraussetzungen freiberuflicher Tätigkeit nicht mehr erfüllen. Tritt die Lehrtätigkeit des Schulinhabers auf Grund des umfangreichen Schulbetriebes (z.B. Schulbetrieb in mehreren Bundesländern, große Schüleranzahl, große Anzahl von Lehrpersonen) hinter die organisatorische und kaufmännische Tätigkeit zurück, liegt Gewerbebetrieb vor (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer Handbuch, Tz 6.1 zu § 22, mit entsprechenden Judikaturhinweisen).
Mit ihrer Anforderung, der Beschwerdeführer müßte, um freiberufliche Tätigkeit annehmen zu dürfen, in der Lage sein, die Ausführung jedes einzelnen ihm erteilten Auftrages oder der ihm in Auftrag gegebenen Dienstleistung selbst vorzunehmen, setzt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu dieser Rechtslage in Widerspruch, wenn sie damit die unmittelbare Unterrichtserteilung durch den Schulleiter gegenüber jedem Schüler meint.
Die belangte Behörde hat eingeräumt, daß der Beschwerdeführer den theoretischen Unterricht aller Schischulteilnehmer unmittelbar selbst erteilt hat, den praktischen Unterricht zu einem geringen Bruchteil, er jedoch die von ihm verwendeten Hilfskräfte selbst ausbilde, belehre und laufend überwache, sodaß deren Tätigkeit seinen Stempel trage. Dies reicht im Sinn der geschilderten Rechtslage aus, um die Voraussetzung als erfüllt anzusehen, daß der Angehörige des freien Berufes selbst auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig und solcherart die Mithilfe selbst fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte der Einstufung als selbständige Arbeit unschädlich ist. Unmittelbare Unterrichtserteilung gegenüber allen Schülern verlangt das Gesetz ebensowenig wie eine überwiegende oder auch nur eine solche zu bestimmten Bruchteilen. Aber auch praktischen Unterricht hat der Beschwerdeführer unmittelbar erteilt. Im übrigen genügt es, daß er auf Grund seiner eigenen Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich die unmittelbare Unterrichtserteilung durch fachlich vorgebildete Arbeitskräfte näher bestimmt und überwacht. Solcherart nimmt der Schulleiter nämlich auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich auch auf jedes einzelne Ausbildungsverhältnis seiner Schüler inhaltlich und damit dem Charakter der freiberuflichen (unterrichtenden) Tätigkeit gemäß bestimmenden Einfluß. Dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt ist nicht entnehmbar, daß dies hier etwa wegen der großen Zahl der Kursorte und ihrer weiten Entfernung voneinander oder aus anderen Gründen nicht möglich und daher nicht der Fall gewesen wäre. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von dem, der dem hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1982, 81/14/0129, 0137, zugrunde lag.
Die belangte Behörde hat daher ausgehend von dem von ihr selbst als erwiesen angenommenen Sachverhalt den Schischulbetrieb des Beschwerdeführers zu Unrecht als Gewerbebetrieb eingestuft, solcherart die Rechtslage verkannt und die angefochtenen Bescheide - zur vom Einkommensteuerbescheid unabhängigen Prüfung der Einkunftsart im Gewerbesteuerverfahren vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1981, 2509/80, ÖStZB 1982, 72, und die darin zitierte Vorjudikatur - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, was zu deren Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Da in der Beschwerdesache 94/14/0026 keine Vollmachtsurkunde beigebracht wurde, ist in dieser Sache die Verzeichnung von Vollmachtsstempel zu Unrecht erfolgt. Das betreffende Aufwandersatzmehrbegehren war daher abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994140026.X00Im RIS seit
03.04.2001