TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/21 94/20/0109

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Veröffentlicht am 21.06.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs3;
AVG §68 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/20/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerden 1. des A B, und 2. der S B, mit dem minderjährigen D B, sämtliche in G, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1992, Zl. 4.228.402/4-III/13/87, beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, ist aus der Schweiz bzw. aus Liechtenstein kommend am 30. oder 31. Mai 1987 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat mit Eingabe seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 1. Juni 1987 (eingelangt bei der BH Feldkirch am 4. Juni 1987) einen Asylantrag gestellt.

Die Zweitbeschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige kurdischer Nationalität, ist aus Italien kommend am 5. Juli 1987 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 25. September 1987 einen Asylantrag gestellt. Die Beschwerdeführer haben am 29. Oktober 1987 vor dem Standesamt G die Ehe geschlossen.

Mit Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. August 1987 bzw. vom 24. Februar 1988 wurde festgestellt, daß beim Erstbeschwerdeführer bzw. bei der Zweitbeschwerdeführerin die Voraussetzungen für deren jeweilige Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen.

Mit den jeweils im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 27. November 1992 hat die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluß vom 17. März 1993,

Zlen. B 110, 111/93-6, ablehnte und in der Folge mit Beschluß vom 15. Juni 1993 sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit einem Schriftsatz beigebrachten inhaltlich identen Beschwerdeergänzungen erachten sich die Beschwerdeführer jeweils in ihrem Recht auf Anerkennung als Konventionsflüchtling sowie auf ein behördliches Ermittlungsverfahren verletzt. Sie machen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Aufgrund der mit den jeweiligen Bescheiderlassungen am 26. August 1987 bzw. am 1. März 1988 erfolgten Beendigungen der erstinstanzlichen Verfahren und der in beiden Fällen fristgerechten Berufungserhebungen waren die vorliegenden Asylverfahren jeweils am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig, sodaß die belangte Behörde die Verfahren beider Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nach diesem Gesetz zu beenden bzw. dieses anzuwenden hatte.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufungen im wesentlichen damit begründet, daß beide Beschwerdeführer bereits in der Schweiz Asylanträge gestellt hätten, die im Frühjahr 1986 bzw. im Herbst 1985 abgewiesen worden seien. In Ansehung beider Beschwerdeführer sei daher der Ausschließungsgrund gemäß § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 gegeben, ohne daß die Ausnahmeregel des § 2 Abs. 4 leg. cit. zur Anwendung gebracht werden könne, da beide Beschwerdeführer nach Abweisung ihrer Asylanträge nicht in die Türkei zurückgekehrt seien.

Die Beschwerdeführer selbst legen ihren Beschwerdeausführungen - ebenso wie auch die belangte Behörde - zugrunde, daß ihre jeweils vor der Einreise nach Österreich in der Schweiz gestellten Asylanträge endgültig von den in der Schweiz zuständigen Behörden abgewiesen worden waren. Sie vertreten aber die Ansicht, daß für die belangte Behörde keine Bindung an diese Asylentscheidungen einer ausländischen Behörde bestehe. Eine solche Bindungswirkung würde nämlich das innerstaatliche Verfassungsrecht verletzen. Die belangte Behörde hätte deshalb ein Ermittlungsverfahren selbst durchführen und nach eingeräumten Parteiengehör entscheiden müssen.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide darzutun:

Gemäß § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 wird einem Fremden kein Asyl gewährt, der bereits einen Asylantrag in Österreich ODER EINEM ANDEREN STAAT, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, gestellt hat und dessen Antrag abgewiesen wurde. Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 270, Blg. NR. 18. GP handelt es sich bei dieser Bestimmung um die Internationalisierung der res judicata, "da der Zweitantrag bei Vorliegen des Ausschließungsgrundes unabhängig davon zurückzuweisen ist, ob der Erstantrag in Österreich oder in einem anderen Staat gestellt wurde; es muß allerdings sichergestellt sein, daß es sich tatsächlich um einen unveränderten Sachverhalt handelt". Taugliche Gründe oder das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anwendung der Ausnahmeregelung, die geeignet wären, den von der belangten Behörde herangezogenen Ausschließungsgrund zu entkräften, sind den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen. Daß gegenüber den in der Schweiz gestellten Erstanträgen bzw. den darin geltend gemachten Fluchtgründen Änderungen des Sachverhaltes eingetreten wären, haben die Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.

Die Schweizer Eidgenossenschaft hat die Ratifikationsurkunde zur Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) bereits am 21. Jänner 1955 hinterlegt; diese Konvention ist daher für die Schweizer Eidgenosseschaft am 21. April 1955 in Kraft getreten (vgl. BGBl. Nr. 197/1955). Regionale Vorbehalte - insbesonders hinsichtlich außereuropäischer Ereignisse - hat die Schweiz jedenfalls nicht erklärt, sodaß die Ansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten ihre Erstanträge in einem Staat gestellt, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, nicht als unschlüssig angesehen werden kann (vgl. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1994, Zl. 94/20/0098, und vom 24. März 1994, Zl. 94/19/0284).

Insoweit die Beschwerdeführer auf eine Verletzung des Parteiengehörs bloß verwiesen haben, fehlen jedenfalls Darlegungen darüber, inwiefern die den Bescheid zugrundegelegten Feststellungen bekämpft werden und was die Beschwerdeführer vorgebracht hätten, wenn ihnen Gelegenheit gegeben worden wäre, zu dem von der belangten Behörde herangezogenen Ausschließungsgrund Stellung zu nehmen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Dezember 1976, Slg. 9191/A, vom 20. Oktober 1978, Slg. 9668/A, und vom 23. März 1994, Zlen. 93/01/0542, 0543). Mit Rücksicht auf den somit frei von Rechtsverletzungen herangezogenen Asylausschließungsgrund war die belangte Behörde daher nicht gehalten, die neuerlichen Asylanträge der Beschwerdeführer einer meritorischen Behandlung zu unterziehen. Hinsichtlich der neuerlich vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 - die vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden - wird auf den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 17. März 1993 verwiesen, mit dem dieser die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hat.

Da die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200109.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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