TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/21 94/20/0140

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Veröffentlicht am 21.06.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 1993, Zl. 4.338.752/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 7. Jänner 1992 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13. Jänner 1992 einen schriftlichen Asylantrag.

Diesen begründete er (nach dem insoweit unbestrittenen Inhalt des angefochtenen Bescheides) damit, er sei türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung. Sein Vater und seine Brüder seien politisch tätig gewesen und hätten sich für die Interessen der Kurden eingesetzt. Aufgrund dieser Tätigkeit sei die Familie des Beschwerdeführers großen Gefahren ausgesetzt gewesen; er habe deshalb keine besondere Schulausbildung erhalten und habe keinen Lehrberuf erlernen können. Seinen Unterhalt habe er sich als Hilfsarbeiter bei Bauarbeiten verdient. Noch vor Vollendung seines 18. Lebensjahres sei der Beschwerdeführer politisch tätig gewesen; er sei der kurdischen Arbeiterpartei beigetreten. Wegen seiner politischen Tätigkeit sei gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden. Aufgrund der Erfahrungen seines Vaters mit der türkischen Polizei habe der Beschwerdeführer noch rechtzeitig entkommen können. Der Gebrauch der kurdischen Sprache sei in Gegenwart von Türken untersagt. Der Beschwerdeführer sei bisher noch nie gefoltert worden. Aufgrund der Verhältnisse sei ihm eine Rückkehr unmöglich.

Bei seiner durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 11. Mai 1992 durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer (abweichend von seinem schriftlichen Asylantrag) hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, er sei einer konkreten Verfolgung in politischer bzw. religiöser Hinsicht nie ausgesetzt gewesen. Er sei auch wegen der Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe nicht verfolgt worden. Er habe aber keine Arbeit bekommen können, weil er keine Ausbildung habe. Der Beschwerdeführer habe sich politisch nie betätigt; er sei nicht Mitglied sondern nur Sympathisant der PKK. Der Beschwerdeführer habe sich nicht getraut, bei Veranstaltungen der PKK teilzunehmen. Verfolgungen durch türkische Behörden habe er noch keine erlitten, "es hätte aber sein können". Die Türkei habe der Beschwerdeführer deshalb verlassen, weil er keine gutbezahlte Arbeit gefunden habe. Er habe nur privat am Bau bzw. in der Landwirtschaft gearbeitet. In Österreich wolle er nun versuchen, zu arbeiten und Geld zu verdienen.

Mit Bescheid vom 7. August 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) und auch nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte darin hinsichtlich seiner Fluchtgründe im wesentlichen vor, er sei wegen politischer Aktivitäten von Familienangehörigen von der Polizei verhört und gefoltert worden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. April 1993 wies die belangte Behörde die Berufung ab und sprach aus, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die voliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, daß die belangte Behörde seiner Sachverhaltsdarstellung die Glaubwürdigkeit versagte und deshalb zu dem Ergebnis gelangte, daß dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung seiner wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung mißlungen sei.

Zentraler Aspekt des vorliegenden Falles ist daher der Umstand, daß die belangte Behörde angesichts der - vom Beschwerdeführer nicht geleugneten - Divergenzen zwischen seinen Angaben bei der niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages mit durchaus schlüssigen Argumenten, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagte. Dieser Würdigung kann von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus nicht mit Erfolg entgegengetreten werden (vgl. die beiden hg. Erkenntnisse vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0705, und Zl. 92/01/0706).

Die Argumentation des Beschwerdeführers, der Widerruf seiner früheren Angaben bzw. seine spätere, abweichende Darstellung würde den logischen Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung widersprechen, ist weder plausibel noch nachvollziehbar. Der Behauptung des Beschwerdeführers, die in Rede stehende Änderung seiner Darstellung sei "innerhalb kürzester Zeit" erfolgt, ist zu erwidern, daß zwischen seinem schriftlichen Antrag vom 13. Jänner 1992 und seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 11. Mai 1992 ein Zeitraum von vier Monaten liegt, sodaß von einem plötzlichen, unerklärlichen Meinungsumschwung keine Rede sein kann. Insoweit der Beschwerdeführer die Angaben seiner Einvernahme vom 11. Mai 1992 mit "Übersetzungsproblemen" zu erklären sucht, ist ihm zu erwidern, daß insoweit bloß Mutmaßungen vorgebracht werden und damit überdies noch nicht dargelegt wird, worin die angeblichen "Mißverständnisse" konkret bestanden haben sollen bzw. welche konkreten Angaben der Beschwerdeführer anstelle seiner niederschriftlich festgehaltenen gemacht hätte.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde in Bezug auf die von ihr gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmende Würdigung seiner Aussage als Bescheinigungsmittel aber auch nicht gehalten, dem Beschwerdeführer vor der Entscheidung bekanntzugeben, warum sie seinen Behauptungen keine Bescheinigungskraft zubilligen werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0705 und Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, E 53 bis 56 zu § 45 Abs. 3 AVG).

Da der angefochtene Bescheid mit der schlüssigen Darlegung der Gründe, aus denen die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagte, ausreichend begründet wurde, erweist er sich insgesamt als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III.

Schlagworte

Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200140.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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