TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/21 93/07/0034

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Veröffentlicht am 21.06.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
WRG 1959 §31b;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. Jänner 1993, Zl. 511.827/55-I 5/92, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem in der auf den Parzellen 514/1, 514/89, 514/90 und 514/91 gelegenen Mülldeponie gewässerbeeinträchtigende Materialien festgestellt worden waren, führte der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) am 17. Juli 1985 eine mündliche Verhandlung durch, um festzustellen, welche Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Gewässerverunreinigungen durch konsenslose Ablagerungen zu treffen seien. Bei dieser Verhandlung erklärte der Amtssachverständige für Wasserbautechnik zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Mülldeponierung fortgeführt werden könne, auf Grund der heute geltenden Beurteilungskriterien sei die Neubewilligung einer Mülldeponie an diesem Standort auf Grund der Standortvoraussetzungen (Lage im Zentralbereich der Mitterndorfer Senke und Sohle relativ knapp über dem HGW) auszuschließen. Zur Sanierung der bestehenden Verhältnisse in ihrer Gesamtheit erscheine eine Deponie dann wasserwirtschaftlich noch akzeptabel, wenn sie eine Reihe von - vom Sachverständigen im einzelnen dargelegten - Voraussetzungen aufweise.

Mit Eingabe vom 9. Dezember 1985 beantragte die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers beim LH die wasserrechtliche Bewilligung für eine Reihe von Maßnahmen in bezug auf ihre Mülldeponie. Sie bezeichnete ihre Eingabe als Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung von Maßnahmen, die sie zur Wahrung ihrer wohlerworbenen Rechte in die Lage versetzen sollten, auf Basis des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides des LH vom 30. Juli 1973 die Ablagerung von Haus-, Gewerbe- und Industriemüll auf dem westlichen, noch nicht verfüllten Bereich der Gesamtdeponie fortzusetzen. Durch das Projekt sollten auch die erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen im Sinne des § 33 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) vorgenommen werden. Für den Fall, daß sich in den anhängigen Rechtsstreitigkeiten eine Einschränkung des räumlichen Geltungsbereiches der aus dem Bescheid vom 30. Juli 1973 resultierenden wasserrechtlichen Bewilligung ergeben sollte, gelte der Antrag auf Genehmigung des eingereichten Projekts auch als Antrag auf Erweiterung der bestehenden wasserrechtlichen Bewilligung unter Einbeziehung der aus den Projektsunterlagen ersichtlichen Deponieflächen.

Das eingereichte Projekt wurde von den Amtssachverständigen des LH als unzureichend beurteilt. Daraufhin reichte die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers ein umgearbeitetes Projekt zur Bewilligung ein.

Der LH führte am 7. Juli 1986 eine mündliche Verhandlung durch. Dabei legte der Amtssachverständige für Wasserbautechnik eine mit 29. April 1986 datierte Stellungnahme samt Gutachten vor, die sich mit der Deponie, ihren Auswirkungen und ihrer Sanierung beschäftigt. Unter den Sanierungsmaßnahmen ist auch die Umlagerung von einem Deponieteil in den anderen erwähnt, wobei dem eine Abdichtung des zur Lagerung zu verwendenden Deponieteiles voranzugehen habe. In diesem Zusammenhang weist der Sachverständige darauf hin, daß keine der dem heutigen Stand der Deponietechnik entsprechenden Deponiedichtungen die absolute Gewähr einer dauernden (d.h. über viele Jahrzehnte hinaus) wirksamen Dichtfunktion gebe und daß daher ein Restpotential an Grundwassergefährdung verbleibe, welches jedoch nach dem heutigen Stand der Deponietechnik verringert sei. In jedem Fall würden laufende Beweissicherungen im Grundwasser auf Jahrzehnte durchzuführen sein. Die Frage der Weiterführung von Ablagerungen, wie sie in dem Projekt der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers vorgesehen seien, könne aus technischer Sicht erst nach Sicherstellung der Sanierung aller bisherigen Ablagerungen unter Berücksichtigung der Rechtslage von der Behörde entschieden werden.

Der Amtssachverständige für Wasserbautechnik legte außerdem noch eine mit 2. Mai 1986 datierte Beurteilung der Realisierbarkeit verschiedener Sanierungsmaßnahmen sowie zwei Gutachten vom 7. Juli 1986 vor, in denen er eine Umlagerung der bestehenden Ablagerungen in eine im westlichen Teil der Parzelle 514/1 (alt) zu errichtende Deponie - wie sie im Antrag der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers vorgesehen war - als geeignete Maßnahme zur Minimierung des zukünftigen Gefährdungspotentials durch die bestehenden Ablagerungen bezeichnete. Weiters erstellte der Sachverständige eine Liste der notwendigen Ergänzungen des Sanierungsprojektes. Sodann wurde die Verhandlung zwecks Beischaffung weiterer Unterlagen und Vorlage überarbeiteter Projektsunterlagen vertagt.

Nach Vorlage eines ergänzten Projektes erstellte der Amtssachverständige für Wasserbautechnik am 21. Oktober 1986 einen Katalog von Bedingungen und Auflagen für die Bewilligung des Projektes.

Am 18. November 1986 fand eine neuerliche mündliche Verhandlung statt. In der Niederschrift über diese Verhandlung heißt es, nach kurzer Erörterung des Gutachtens des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik vom 21. Oktober 1986 habe sich gezeigt, daß einige grundsätzliche Fragen (Entfernung der Ablagerungen, Bodenuntersuchungen, Verbringung von kontaminiertem Bodenmaterial) sowohl aus rechtlichen wie auch aus faktischen und finanziellen Aspekten nicht gelöst werden könnten.

In der Folge beantragte die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde. Nachdem die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers - eine KG - aufgelöst worden war, beantragte der Beschwerdeführer eine Entscheidung der belangten Behörde über den Devolutionsantrag.

Mit Bescheid vom 29. April 1991 wies die belangte Behörde diesen Antrag zurück. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 31. März 1992, Zl. 91/07/0080, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit Bescheid vom 15. Jänner 1993 wies die belangte Behörde den Antrag vom 9. Dezember 1985 betreffend die Mülldeponie Theresienfeld gemäß den §§ 31 b, 32 und 105 WRG 1959 in Verbindung mit § 73 AVG ab.

In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, seit der letzten Projektsergänzung 1986 habe sich der Stand der Deponietechnik wesentlich geändert, sodaß schon aus diesem Grund die angestrebte Bewilligung nicht erteilt werden könne. Einer Genehmigung des beantragten Vorhabens stehe aber auch die mangelnde Standorteignung gegenüber, die der Amtssachverständige der belangten Behörde bereits im Verfahren über den Widerruf der Deponiebewilligung aus dem Jahr 1973 festgestellt habe und die durch das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 18. März 1991 bestätigt werde. Die mangelnde Standorteignung der Deponie am Rand der Mitterndorfer Senke könne als allgemein bekannt gelten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde begründe nicht, warum das Sanierungsprojekt nicht dem Stand der Technik entspreche. Auch die undifferenzierte Bezugnahme auf lange zurückliegende, in anderen Verfahren erstattete Sachverständigengutachten genüge nicht. Diese Gutachten seien im Verfahren betreffend den Widerruf der wasserrechtlichen Bewilligung aus dem Jahr 1973 ergangen und hätten daher ein anderes Thema zum Gegenstand gehabt als das vorliegende Verfahren, während für die Beurteilung des Sanierungsprojektes positive Vorbegutachtungen der Amtssachverständigen des LH zur Verfügung gestanden wären. Wenn die belangte Behörde von diesen positiven Stellungnahmen abweichen wollte, dann hätte sie neben dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan zwingend die sachlich in Betracht kommenden Sachverständigen und Stellen im Sinne des § 108 WRG 1959 sowie die vom Vorhaben berührten Gemeinden gemäß § 104 Abs. 2 WRG 1959 beizuziehen gehabt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand der beantragten Bewilligung ist die Ablagerung (Umlagerung) von Abfällen.

Nach § 31 b Abs. 1 WRG 1959 bedarf die Ablagerung von Abfällen - ausgenommen solcher, bei deren ungeschützter Lagerung eine Verunreinigung der Gewässer einschließlich des Grundwasers nicht zu besorgen ist - sowie die Errichtung und der Betrieb der hiezu dienenden Anlagen einer wasserrechtlichen Bewilligung durch den Landeshauptmann; § 32 Abs. 2 lit. c findet keine Anwendung. Keiner Bewilligung bedarf das ein Jahr nicht überschreitende ordnungsgemäße Bereithalten von Abfällen zum Abtransport, zur Verwertung oder zur sonstigen Behandlung.

Die Bewilligung darf nach § 31 b Abs. 2 leg. cit. nur erteilt werden, wenn die zum Schutz der Gewässer einschließlich des Grundwassers vorgesehenen Maßnahmen dem Stand der Technik entsprechen, eine unzulässige Beeinträchtigung öffentlicher Interessen (§ 105) und fremder Rechte (§ 12 Abs. 2) nicht zu erwarten ist und die Überwachung und Betreuung der Deponie auf die vermutliche Dauer der Gewässergefährdung sichergestellt erscheint.

Nach § 31 b Abs. 4 WRG 1959 haben Ansuchen um eine Bewilligung nach Abs. 1 unbeschadet der Bestimmungen des § 103 jedenfalls Angaben über die Eignung des vorgesehenen Standortes in hydrologischer, geologischer und wasserwirtschaftlicher Hinsicht sowie über die zum Schutz der Gewässer einschließlich des Grundwassers auf die vermutliche Dauer der Gewässergefährdung vorgesehenen Maßnahmen und die Art der vorgesehenen Sicherstellung zu enthalten.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß eine Bewilligung nach § 31 b WRG 1959 nur erteilt werden darf, wenn das Vorhaben

a) im Hinblick auf den Gewässerschutz dem Stand der Technik (§ 12 a) entspricht, sodaß eine Verunreinigung der Gewässer einschließlich des Grundwassers nicht zu besorgen ist,

b) eine unzulässige Beeinträchtigung öffentlicher Interessen nicht zu erwarten ist,

c) eine unzulässige Beeinträchtigung fremder Rechte nicht zu erwarten ist und

d) die Überwachung und Betreuung der Deponie auf die vermutliche Dauer der Gewässergefährdung sichergestellt erscheint.

Im Recht ist der Beschwerdeführer, wenn er bemängelt, die belangte Behörde habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar davon gesprochen, daß sich seit der letzten Projektsänderung 1986 der Stand der Technik wesentlich geändert habe, ohne jedoch in nachvollziehbarer Weise darzulegen, inwieweit das zur Bewilligung beantragte Projekt nicht mehr dem Stand der Technik entspreche.

Die belangte Behörde hat die beantragte Bewilligung aber auch mit der mangelnden Standorteignung begründet und sich dabei auf das Gutachten berufen, das der Amtssachverständige für Wasserbautechnik in dem mit hg. Erkenntnis vom 21. September 1989, Zl. 87/07/0119, abgeschlossene Verfahren betreffend den Widerruf der wasserrechtlichen Bewilligung vom 30. Juli 1973 abgegeben hat. In diesem dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Gutachten hatte der Amtssachverständige u. a. ausgeführt, eingedenk der Tatsache, daß es kein technisches Abdichtungssystem gebe, mit welchem Schadstoffe absolut und für alle Zeiten von der Umwelt ferngehalten werden könnten, sowie der Erfahrung, daß durch Mülldeponien verursachte großräumige Grundwasserverunreinigungen praktisch nicht mehr saniert werden könnten und die unterirdischen Wasservorkommen auf Jahrzehnte lahmlegten, komme der Prüfung der Standortfrage überragende Bedeutung zu. Die Richtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft für geordnete Mülldeponien im Interesse des Gewässerschutzes legten daher den Grundsatz fest, daß Flächen über Grundwasservorkommen, die nach Menge und Qualität für die Wasserversorgung geeignet seien, für Mülldeponien nicht in Frage kämen. Die Deponie (des Beschwerdeführers) liege am westlichen Rand des als Mitterndorfer Senke bekannten Grabenbruches. Die unterirdische Entwässerung erfolge in die Senke hinein, sodaß alle von der Deponie an den Untergrund abgegeben Schadstoffe irgendwann in diesen Grundwasserstrom gelangten. Die wasserwirtschaftliche Bedeutung der Senke sei offensichtlich. Maßnahmen wie Untergrundabdichtung, Sickerwassererfassung und -beseitigung seien aus heutiger Sicht unverzichtbar und würden auch bei besten Standortvoraussetzungen verlangt. Im Hinblick auf den gegenständlichen Standort hätte eingedenk der begrenzten Wirksamkeit aller bekannten Abdichtungssysteme eine Bewilligung auch dann nicht erteilt werden dürfen, wenn Maßnahmen zur Untergrundabdichtung vorgesehen gewesen wären, da diese nur eine starke Verzögerung des Schadstoffaustrittes bewirken könnten, nicht jedoch eine gänzliche Abkapselung. Eine nachträgliche Einbringung von Dichtungen sei im Hinblick auf die Standortproblematik und die bereits eingetretenen Schäden vergebens.

Dieses Gutachten ist zwar zur Frage des Widerrufes einer wasserrechtlichen Bewilligung aus dem Jahr 1973 ergangen; es bezieht sich aber auf den Standort der verfahrensgegenständlichen Deponie und enthält eindeutige und begründete Aussagen zur auch im Beschwerdefall maßgeblichen Frage der Eignung dieses Standortes für Deponiezwecke. Die Heranziehung dieses in einem anderen Verfahren erstatteten Gutachtens im Beschwerdefall war zulässig (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 342 angeführte Rechtsprechung).

Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf positive Gutachten der in erster Instanz tätigen Sachverständigen. Es trifft zwar zu, daß diese die Erteilung der angestrebten Bewilligung unter gewissen Voraussetzungen für möglich gehalten haben; sie gestehen aber selbst zu, daß - was auch der Amtssachverständige der belangten Behörde in dem angeführten Gutachten betont - der Standort für Deponien ungeeignet ist und alle vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen keine Gewähr dafür bieten, daß das Grundwasser nicht doch verunreinigt wird, daß also ein Gefahrenpotential verbleibt. Da aber eine Bewilligung nach § 31 b WRG 1959 nur erteilt werden darf, wenn eine Verunreinigung der Gewässer einschließlich des Grundwassers nicht zu besorgen ist, durfte das Projekt des Beschwerdeführers nicht bewilligt werden.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Verwertung aus anderen Verfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993070034.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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