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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin S S in L und der mj.
Zweitbeschwerdeführerin, E S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1993, Zl. 4.342.268/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Dezember 1992, mit dem der am 4. Dezember 1992 gestellte Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin abgewiesen worden war, erhobene Berufung der Zweitbeschwerdeführerin ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Erstbeschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, die mit ihrem minderjährigen Kind am 28. November 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat ihren Asylantrag damit begründet, sie sei Angehörige der in der Türkei politisch verfolgten Volksgruppe der Kurden. Als Kurdin sei es ihr nicht möglich, eine Arbeitsstelle zu finden; Kurden würden in der Türkei viel strenger bestraft als die nicht-kurdische Bevölkerung. Im März 1990 habe die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann am "Nevruzfest", einer kurdischen Brauchtumsfeier, teilgenommen. Das Militär sei eingeschritten und habe hunderte Kurden, darunter auch ihren Ehemann und sie, verhaftet. Sie selbst sei nach einem "strengen Verhör" wieder freigelassen worden, ihr Ehemann sei jedoch ohne gerichtliches Verfahren in Haft verblieben, wobei er auch gefoltert worden sei. Als ihr Ehemann das Gefängnis verlassen habe, sei er untergetaucht. Die Polizei habe daraufhin Terror gegen sie ausgeübt, sie wiederholt nach dem Aufenthalt ihres Ehemannes befragt, sie verhaftet, verhört, gefoltert und anschließend wieder freigelassen. Die Polizei sei wiederholt zu ihr gekommen. Auch ihre Tochter sei bedroht worden. Sie seien ständig beobachtet und verfolgt worden und hätten es nicht mehr gewagt, das Haus zu verlassen, sodaß die Erstbeschwerdeführerin bereits an schweren Depressionen gelitten habe.
Anläßlich ihrer Erstbefragung durch das Bundesasylamt am 17. Dezember 1992 gab die Erstbeschwerdeführerin im wesentlichen an, die Kurden seien in Istanbul zwar benachteiligt, ausgegrenzt und beschimpft worden, diese Diskriminierungen seien aber bis 1990 für sie nicht so stark gewesen. Nach der gewaltsamen Auflösung des "Nevruzfestes" durch das türkische Militär sei sie 6 bis 7 Stunden festgehalten, danach jedoch wieder freigelassen worden. Gefoltert habe man sie nicht.
Ihr Ehemann sei aber wegen kommunistischer Propaganda in Haft verblieben. Sie habe ihren Ehemann fünfmal im Gefängnis besucht und dabei festgestellt, daß er geschlagen worden sei. Nachdem ihr Ehemann aus dem Gefängnis ausgebrochen sei, habe die Polizei ihr Haus durchsucht und sie und ihre Tochter mit zur Polizeiwache genommen, wo sie über den Aufenthaltsort ihres Ehemannes befragt, beschimpft und belästigt worden sei. Nach ca. 4 Stunden habe man sie gehen lassen. Nach einer Woche habe man sie neuerlich festgenommen, verhört und 3 Tage lang in Haft belassen. Im Zuge dieses Verhörs sei sie zweimal geohrfeigt worden. In den letzten zwei Jahren sei sie immer wieder für 1 bis 2 Stunden festgenommen und nach ihrem Ehemann befragt worden. Anfang Oktober 1992 sei sie 5 Tage lang in Haft gewesen und nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes befragt, jedoch nicht mißhandelt worden. Sie vermute, die neuerliche Inhaftierung sei auf den - unrichtigen - Verdacht zurückzuführen, sie habe am 27. September 1992 in Istanbul an einer verbotenen Demonstration teilgenommen. Da sie sich von der Polizei ständig beobachtet geglaubt habe, habe sie unter Angstgefühlen gelitten und sei nervlich am Ende gewesen. Sie sei weder politisch aktiv, noch gehöre sie einer Partei an.
In ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid führte die Erstbeschwerdeführerin weiters aus, daß sie nach der Ersteinvernahme erfahren habe, daß sie von den türkischen Behörden gesucht werde und verhaftet werden sollte.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die Festnahme von Teilnehmern an verbotenen Demonstrationen stelle keine Verfolgungshandlung i. S. des § 1 Z. 1 AsylG dar. Diese Annahme rügt die Erstbeschwerdeführerin als Ergebnis eines mangelhaften Verfahrens, weil es ungeklärt geblieben sei, ob es sich bei der von ihr besuchten Veranstaltung um eine verbotene gehandelt hätte, entsprechende Ermittlungen habe die belangte Behörde unterlassen. Dieser Vorwurf ist unberechtigt, gibt sie doch selbst anläßlich ihrer Befragung an, die Demonstrationsteilnehmer seien der Aufforderung der Sicherheitskräfte, auseinanderzugehen und die Veranstaltung zu beenden "natürlich" nicht gefolgt, was die gewaltsame Auflösung der Versammlung durch Polizei und Militär erst zur Folge gehabt habe. Im übrigen kommt diesem Vorfall im Beschwerdefall schon deshalb keine Relevanz mehr zu, weil es der mit der Teilnahme an dem "Nevruzfest" in Zusammenhang stehenden Anhaltung der Erstbeschwerdeführerin (1990) an einem notwendigen zeitlichen Konnex zur Ausreise aus ihrem Heimatland (November 1992) mangelt, hat doch die Erstbeschwerdeführerin für die Zeit nach diesem Fest nur gegen sie gerichtete Maßnahmen staatlicher Behörden angeführt, die ihre Ursache ausschließlich in der Flucht ihres Ehemannes aus dem Gefängnis und in seinem darauffolgenden "Untertauchen" hatten. Aus der - auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellten - Darstellung der Erstbeschwerdeführerin ergibt sich nämlich, daß der Zweck ihrer Befragungen durch die Behörden ihres Heimatstaates lediglich der war, den Aufenthaltsort ihres Ehemannes in Erfahrung zu bringen, was, wie die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
(vgl. hg. Erkenntnis vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0819) erkannt hat, keine Verfolgung aus einem der Gründe des § 1 Z. 1 AsylG 1991, insbesondere dem der politischen Gesinnung, darstellt, zumal aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin nicht hervorgeht, daß sie Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden ihres Heimatlandes (auch) deshalb gehabt habe, weil man ihr selbst eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt oder sie einer solchen zumindest verdächtigt habe (vgl. das Erkenntnis vom 26. November 1993, Zl. 93/01/1082). Es kommt daher auch den von ihr behaupteten, lediglich damit im Zusammenhang stehenden Mißhandlungen und deren Folgen auf die Psyche der Erstbeschwerdeführerin keine asylrechtliche Relevanz zu. Auch die in der Berufung aufgestellte, unbegründet gelassene Behauptung der Erstbeschwerdeführerin, sie werde von den Behörden ihres Heimatlandes (nunmehr) gesucht und solle verhaftet werden, konnte eine Ermittlungspflicht der Behörden schon deshalb nicht auslösen, weil die Erstbeschwerdeführerin nicht einmal angedeutet hat, aus Konventionsgründen gesucht zu werden.
Da eigene Fluchtgründe durch die Zweitbeschwerdeführerin nicht vorgebracht wurden, ist eine Rechtswidrigkeit des sie betreffenden Bescheides ebenfalls nicht zu erkennen.
Da sich die Beschwerde ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994200317.X00Im RIS seit
20.11.2000