TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/21 94/20/0107

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Veröffentlicht am 21.06.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. März 1993, Zl. 4.328.555/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste von Istanbul über Bulgarien und die ehemalige SFRJ kommend am 6. Dezember 1991 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11. Dezember 1991 einen Asylantrag.

Bei seiner am 13. Dezember 1991 erfolgten niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab der zu seinen Fluchtgründen befragte Beschwerdeführer an, er komme aus einer Provinz, in der seit mehreren Jahren der Ausnahmezustand herrsche. Die Kurden dürften dort nicht kurdisch sprechen. Weil in der Nacht Soldaten die Dorfbewohner auf den Dorfplatz treiben würden, habe man keine Ruhe. Auf dem Dorfplatz sei der Beschwerdeführer, wie die anderen, oft geschlagen und beschimpft worden. Er gehöre keiner politischen Organisation oder Partei an; er unterstütze auch keine und sei nie politisch tätig gewesen. Aus politischen Gründen sei der Beschwerdeführer nie verfolgt worden. Da er ein streng gläubiger Moslem und kein Alevite sei, habe er wegen seiner Religion in seiner Heimat keine Schwierigkeiten gehabt und insoweit auch keine Verfolgung befürchten müssen. Mit den Befreiungsorganisationen habe der Beschwerdeführer nie Kontakt gehabt. Im Winter 1990 sei er von Soldaten festgenommen und eingesperrt worden, weil er kurdisch gesprochen habe. Während der einwöchigen Haftdauer sei er geschlagen worden; er sei aber nur leicht geschlagen und nicht verletzt worden. Der Beschwerdeführer sei nur wegen seiner Volkszugehörigkeit Repressalien ausgesetzt. Da er diese Lebensumstände in seiner Heimat nicht mehr ertragen könne und wolle, habe er beschlossen, seine Heimat zu verlassen. Wenn er nach Hause komme, werde er eingesperrt.

Mit Bescheid vom 8. Jänner 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 nicht erfülle und daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und erstatte darin weiteres Vorbringen hinsichtlich seiner Fluchtgründe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. März 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft (Asylgewährung) verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der das erstinstanzliche Verfahren beendende Bescheid am 16. Jänner 1992 ergangen ist (zugestellt wurde) und die Berufung dagegen fristgerecht erhoben wurde, war das vorliegende Asylverfahren am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig, sodaß die belangte Behörde gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dieses Gesetz anzuwenden hatte.

Obgleich die belangte Behörde ihrer Entscheidung über die Berufung daher ausschließlich das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens zugrunde zu legen gehabt hätte - das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels ist weder der Berufung bzw. dem Inhalt der Verwaltungsakte zu entnehmen, noch wird derartiges in der Beschwerde geltend gemacht -, hat die belangte Behörde entgegen ihrer im § 20 Abs. 1 leg. cit. normierten Verpflichtung, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auch anhand seines - nach Ansicht der belangten Behörde im Widerspruch zu seinen erstinstanzlichen Angaben stehenden - Berufungsvorbringen beurteilt. Die darin gelegene Rechtswidrigkeit kann vorliegend jedoch nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil die belangte Behörde, auch wenn sie dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers volle Glaubwürdigkeit beigemessen hätte, im Ergebnis zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/01/1191). Den Ausführungen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe die herangezogenen Widersprüche nicht aufgeklärt und insoweit ihre Anleitungspflicht verletzt, ist damit ebenfalls die Grundlage entzogen.

Ausgehend von den allein maßgeblichen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren kann der belangten Behörde - entgegen den anderslautenden Beschwerdeausführungen - aus folgenden Erwägungen im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden:

Auch wenn die ins Treffen geführten Maßnahmen (Festnahme, einwöchige Haft, leichte Mißhandlungen) als asylrechtlich relevante Verfolgung gewertet würden, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil diese schon im Winter 1990 erfolgten Maßnahmen zeitlich gesehen in keinem ausreichenden Naheverhältnis zu seiner Ausreise aus der Türkei (4. Dezember 1991) stehen, um sie noch als relevante Fluchtgründe anerkennen zu können (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0992, und vom 26. November 1993, Zl. 92/01/0738). Umstände, die darauf schließen ließen, daß eine allenfalls damals (im Winter 1990) bestehende wohlbegründete Furcht vor Verfolgung auch bis zu seiner Ausreise (4. Dezember 1991) andauerte, hat der Beschwerdeführer in erster Instanz aber nicht hinreichend dargetan (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0216).

Bei diesem Ergebnis kann der belangten Behörde aber nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Berufung abgewiesen hat. Auf die übrigen Beschwerdeausführungen braucht daher nicht mehr weiter eingegangen zu werden.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200107.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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