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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Jänner 1994, Zl. 4.336.877/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Jänner 1994, in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. Mai 1992, ausgesprochen wurde, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen "der jugoslawischen Föderation", der am 19. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 22. April 1992 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 24. April 1992, daß er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.
Nach dieser Rechtsprechung ist die Auffassung des Beschwerdeführers, "daß ein mehrstündiger Zwischenaufenthalt in Slowenien", auf den er sich hinsichtlich seiner Person beruft, den gegenständlichen Ausschließungsgrund "nicht erfüllt", unrichtig. Wenn er hiebei für seinen Standpunkt ins Treffen führt, daß die betreffende Bestimmung davon ausgehe, "daß der Anspruch auf Asyl ein Sicherheitsbedürfnis (Schutzbedürfnis) auf seiten des Asylwerbers voraussetzt", womit er sich erkennbar auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (RV 270 BlgNR 18. GP) bezieht, ist ihm entgegenzuhalten, daß ein entsprechendes Sicherheitsbedürfnis in Österreich dann nicht mehr gegeben ist, wenn der Asylwerber nach Verlassen seines Heimatlandes, in dem er verfolgt zu werden behauptet, sich in einem anderen Staat - selbst nur im Zuge der Durchreise - befunden hat und diese (bereits vorhandene) Sicherheit dort hätte in Anspruch nehmen können. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof eingehend in seinem Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, dargelegt, auf welches der Beschwerdeführer auch in bezug darauf, daß er sich bei seiner Argumentation auf die "Empfehlung" Nr. 15 (XXX) des Exekutiv-Komitees für das Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (aus dem Jahre 1979) und den Teil der erwähnten Gesetzesmaterialien, in dem es heißt, Zweck dieses Ausschließungsgrundes sei, unerwünschtes Zweitasyl zu verhindern, und es sollten keine nomadisierenden Flüchtlingsströme geschaffen werden, die von einem Land zum anderen reisen und dort jeweils Asyl suchen, stützt, verwiesen wird. Daß dieser Ausschließungsgrund nur dann zum Tragen käme, "wenn dieser andere Staat dem Antragsteller bereits Asyl gewährt hat", hat der Gesetzgeber durch den von ihm gewählten Wortlaut der Bestimmung nicht zum Ausdruck gebracht (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0026).
Der Beschwerdeführer meint, daß die Ansicht der belangten Behörde, er hätte durch die Stellung eines Asylantrages in Slowenien "anderweitig Schutz vor Verfolgung finden können, auch mit dem Wortlaut des Asylgesetzes 1991 nicht vereinbar ist", wobei er aber übersieht, daß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 - abweichend von den §§ 5 Abs. 3, 7 Abs. 2 Asylgesetz (1968) - nicht einen solchen Wortlaut aufweist und die belangte Behörde auch nicht von einer bloßen "Schutzmöglichkeit" des Beschwerdeführers in Slowenien, sondern davon ausgegangen ist, daß eine seinem (allfälligen) Schutzbedürfnis (sollte er Flüchtling sein) entsprechende Sicherheit unabhängig davon, ob er sie auch tatsächlich in Anspruch genommen hat, dort bereits bestanden hat (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1994, Zl. 94/01/0158, und vom 20. Mai 1994, Zl. 94/01/0179). Aus diesem Grunde kann auch - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung, daß den Behörden des betreffenden Staates der Aufenthalt des Asylwerbers bekannt sein mußte und von ihnen geduldet oder sogar gebilligt wurde, nicht herangezogen werden (vgl. dazu bereits das eingangs zitierte Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, sowie beispielsweise noch jenes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357). Daran, daß sich der Beschwerdeführer in Slowenien "aufgehalten" hat, vermochte der Umstand, daß er lediglich auf der Durchreise nach Österreich war, nichts zu ändern. Wenn er zur Begründung seiner Auffassung, "einem bloßen Transit kann in diesem Zusammenhang keine Aufenthaltsqualifikation beigemessen werden", ausführt, es sei zu berücksichtigen, "daß nunmehr auch das Fremdengesetz 1992 in §§ 5 und 12 eindeutig zwischen Aufenthalt und Transit unterscheidet", so erscheint dies unverständlich, besagt doch § 12 Abs. 1 Fremdengesetz, daß Fremde - anders als nach § 5 leg. cit. - zur Einreise in das Bundesgebiet keinen Sichtvermerk brauchen, wenn sie während einer Zwischenlandung auf einem österreichischen Flugplatz dessen Transitraum oder das Luftfahrzeug nicht verlassen haben (Transitreisende), und ist von vornherein der Fall des Beschwerdeführers sachverhaltsmäßig damit nicht vergleichbar. Auch mit dem Hinweis, nur durch die von ihm vorgenommene Auslegung des Begriffes der "Verfolgungssicherheit" könne "ein auch von Steiner" (Asylrecht "92, Seite 18) "kritisierter Widerspruch zwischen dem Asylgesetz 1991 und der Flüchtlingskonvention 1951 weitgehend vermieden werden", ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, daß die darin enthaltene Ansicht, die neue Rechtslage verlasse diesbezüglich den Boden der Genfer Flüchtlingskonvention, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden kann, und im übrigen bei einem derartigen Widerspruch den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 Vorrang zukäme (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/1177, und vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0022), ergibt sich selbst nach Steiner, aaO, aus der neuen Rechtslage, "daß ein Flüchtling im sogenannten Erstland um Asylgewährung anzusuchen hat", wobei seinen weiteren, die Übernahme der zur früheren Rechtslage ergangenen Judikatur befürwortenden Ausführungen der Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt ist. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, welche Gründe ihn darin gehindert hätten, in Slowenien länger zu bleiben und schon dort Asyl zu beantragen.
Umstände, die darauf schließen ließen, daß der Beschwerdeführer auf dem Boden der bestehenden Rechtslage in Slowenien nicht vor Verfolgung sicher gewesen sei, hat er konkret nicht geltend gemacht. Er ist insbesondere auch nicht der Annahme der belangten Behörde entgegengetreten, es spreche nichts dafür, daß Slowenien - welcher Staat "seit dem 27.9.1991" Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention sei (siehe dazu BGBl. Nr. 806/1993, wonach mit Wirksamkeit vom 25. Juni 1991 seitens dieses Staates erklärt wurde, sich auch weiterhin daran gebunden zu erachten) - die aus dieser Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, "etwa vernachlässige", und dieser Staat biete von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz. Hat aber die belangte Behörde zu Recht von dem gegenständlichen Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht, dann war ein Eingehen auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht erforderlich, weshalb das darauf bezugnehmende Beschwerdevorbringen unbeachtlich ist.
Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war dadurch entbehrlich.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010402.X00Im RIS seit
20.11.2000