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DE-10 Verfassungsrecht Deutschland;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Dezember 1993, Zl. 4.273.658/5-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Dezember 1993 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. August 1991 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem rumänischen Staatsangehörigen, der am 3. April 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist und am selben Tag den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 15. April 1989, daß er sich im Zuge seiner Reisebewegung "im damaligen Jugoslawien" aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.
Der Beschwerdeführer wendet sich insofern gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, als er die Auffassung vertritt, daß gemäß dieser Bestimmung "die Asylversagungsgründe des § 2 Abs. 2 nur auf Flüchtlinge angewendet werden dürfen". Daraus, daß die belangte Behörde "aber mit keinem Wort über die Flüchtlingseigenschaft" des Beschwerdeführers abgesprochen habe, schließt er, daß entweder der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet oder "für die weitere Betrachtung" von der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 leg. cit. auszugehen sei. Der Beschwerdeführer übersieht hiebei, daß mit der in dieser Norm verwendeten Diktion ("Kein Asyl wird einem Flüchtling gewährt, wenn ...) - abweichend von der grundsätzlichen Bestimmung des § 2 Abs. 1 leg. cit., wonach Österreich Flüchtlingen Asyl gewährt - lediglich zum Ausdruck gebracht wird, daß in näher bestimmten Fällen eine Asylgewährung trotz Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft nicht in Betracht kommt. Selbst wenn daher feststünde, daß der Beschwerdeführer Flüchtling sei, könnte ihm nicht Asyl gewährt werden, weil der von der belangten Behörde gebrauchte Ausschließungsgrund zum Tragen käme. Der Asylbehörde obliegt nunmehr - im Gegensatz zur früheren Rechtslage gemäß § 2 Abs. 1 Asylgesetz (1968), wonach bescheidmäßig eine Feststellung darüber zu treffen war, ob die nach § 1 (betreffend die Flüchtlingseigenschaft) maßgebenden Voraussetzungen gegeben sind - gemäß § 3 Asylgesetz 1991 eine Entscheidung darüber, ob einem Asylwerber Asyl zu gewähren ist, wobei einem solchen Antrag nur dann stattzugeben ist, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling UND die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist. Es müssen demnach im Falle der Asylgewährung kumulativ beide Voraussetzungen vorliegen, was bedeutet, daß es dann, wenn schon eine dieser Voraussetzungen (so die auf Grund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) fehlt, rechtlich nicht mehr der Klärung bedarf, ob allenfalls die weitere dieser Voraussetzungen (nämlich die Flüchtlingseigenschaft) gegeben wäre. Hat die belangte Behörde zu Recht von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht, dann war es nicht rechtswidrig, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht geprüft hat (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, Zlen. 94/01/0161, 0162).
Wenn der Beschwerdeführer weiters meint, daß - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - "rein objektiv" nicht "auf die Schutzmöglichkeit abzustellen sei" und "gerade die Textierung "vor Verfolgung sicher war" mehr auf das Abstellen auf den tatsächlichen Schutz, der im individuellen Fall gegeben war, schließen läßt", so ist ihm zu entgegnen, daß die belangte Behörde keineswegs von einer bloßen "Schutzmöglichkeit" des Beschwerdeführers in Jugoslawien, sondern davon ausgegangen ist, daß eine seinem (allfälligen) Schutzbedürfnis (sollte er Flüchtling sein) entsprechende Sicherheit bereits dort bestanden hat. Der Umstand, daß es am Beschwerdeführer gelegen gewesen wäre, diese Verfolgungssicherheit durch eine Antragstellung auf Asylgewährung in Anspruch zu nehmen, vermag daran nichts zu ändern, daß sie schon tatsächlich gegeben war, was mit anderen Worten bedeutet, daß das Vorliegen der Verfolgungssicherheit nicht davon abhängt, ob ein derartiger Antrag gestellt wird. Wenn sich der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt zusätzlich auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, RV 270 Blg NR 18. GP) und in diesem Zusammenhang auf die in der Bundesrepublik Deutschland damals bestehende Rechtslage stützt, so genügt es, darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof dazu schon in seinem Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, eingehend Stellung genommen und diese Argumentation nicht für stichhältig erachtet hat, zumal der Beschwerdeführer diesbezüglich keine neuen Gesichtspunkte aufzeigt. Dies gilt ebenso hinsichtlich der Ansicht des Beschwerdeführers, dem Beschluß Nr. 15 (XXX) des Exekutiv-Komitees für das Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (aus dem Jahre 1979) komme bei der Interpretation des Begriffes der "Verfolgungssicherheit" "eine besondere Bedeutung" zu (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1994, Zl. 94/01/0179, mit weiteren Judikaturhinweisen). Daß der Beschwerdeführer "das Gebiet dritter Länder lediglich durchquert hat, seine Flucht noch im Gange und nicht in irgendeiner Form abgeschlossen oder auch nur unterbrochen war", ist daher im vorliegenden Zusammenhang unmaßgeblich. Es hätte demnach auch nicht "etwa im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "anderweitigen Schutz vor Verfolgung" nach dem AsylG 1968 eines Kontaktes mit Behörden der Drittstaaten und zumindest einer Duldung des Aufenthaltes" des Beschwerdeführers durch diese Behörden bedurft, weshalb Feststellungen der belangten Behörde in dieser Richtung entbehrlich waren.
Auch der Rechtsansicht des Beschwerdeführers, "die Frage der Verfolgungssicherheit" dürfe "nicht nur mit "Blick zurück" beurteilt werden, sondern" sei "diese Bestimmung auch zukunftsorientiert auszulegen", es müsse "zur Beurteilung der Verfolgungssicherheit auch die Frage der Aktivierung dieser Verfolgungssicherheit im Entscheidungszeitpunkt, konkret also die Frage der Rückkehr in den "sicheren Drittstaat" und die Frage der bestehenden Möglichkeit dort nach Rückkehr umfassenden Schutz zu aktivieren, berücksichtigt werden" und "dies gebietet schon § 26 AsylG 1991, welcher sohin eine Interpretation aller Bestimmungen des AsylG 1991 an der GFK fordert", kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer unterliegt nämlich damit - abgesehen davon, daß eine konkrete Behauptung dahingehend fehlt, daß sich in der Zwischenzeit diesbezüglich die Verhältnisse entscheidend geändert hätten - ebenfalls einem Rechtsirrtum, weil es nur darauf ankommt, ob er vor seiner Einreise nach Österreich bereits in Jugoslawien vor Verfolgung sicher "war", und die Frage der Möglichkeit seiner Abschiebung aus Österreich bloß auf Grund der hiebei anzuwendenden fremdenpolizeilichen Vorschriften (§ 37 Fremdengesetz) zu beurteilen wäre. Auch wenn nicht auf Grund eines asylrechtlichen Verfahrens feststeht, daß dem Beschwerdeführer, bezogen auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung, die Flüchtlingseigenschaft zukommt, kann demnach auf diese Weise dem Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, Zlen. 94/01/0161, 0162).
Der Rüge des Beschwerdeführers, es sei durch den angefochtenen Bescheid sein Parteiengehör verletzt worden, ist entgegenzuhalten, daß er die Wesentlichkeit dieses, auf Grund der Aktenlage bestehenden Verfahrensmangels nicht aufgezeigt hat, enthält doch die Beschwerde kein geeignetes Vorbringen dahingehend, daß die tatsächlichen Verhältnisse in Jugoslawien dergestalt gewesen wären, daß er dort einer Verfolgung ausgesetzt gewesen oder ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in seinen Heimatstaat abgeschoben worden wäre. Der Beschwerdeführer ist der Annahme der belangten Behörde, es spreche nichts dafür, daß Jugoslawien - das "seit dem 15.12.1959" Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention sei (siehe dazu BGBl. Nr. 86/1962, woraus sich weiters das Inkrafttreten der Konvention in diesem Staat per 14. März 1960 ergibt) - die sich aus seiner Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, "etwa vernachlässigt habe", und dieser "Zufluchtsstaat" habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einem dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten, nicht konkret entgegengetreten. Seine Ausführungen, was er in dem Falle vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre, erschöpfen sich in Rechtsausführungen, womit aber für den Standpunkt des Beschwerdeführers im Hinblick darauf, daß er - wie gesagt - die Rechtslage verkannt hat, nichts zu gewinnen ist.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auslegung Diverses VwRallg3/5 Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010057.X00Im RIS seit
11.07.2001