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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. März 1994, Zl. 100.031/6-III/11/93, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 15. September 1993 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs. 1 iVm den §§ 3, 4, 5 und 9 des Aufenthaltsgesetzes die Aufenthaltsbewilligung versagt. Nach der Begründung seien die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nicht gegeben, weil im Zeitpunkt der Antragstellung die Ehe der Beschwerdeführerin "mit dem Fremden, der seinen Wohnsitz in Österreich hat," nicht bereits seit mindestens einem Jahr bestanden habe.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Sachverhalt klärungsbedürftig sei, weil der erlassene Bescheid sowohl in seiner Begründung als auch in seiner Ermittlung mangelhaft sei. Sollte die erstinstanzliche Behörde trotzdem zur Ansicht gelangen, daß der Antrag auf Aufenthaltsbewilligung abzuweisen sei, so sei der Bescheid erst nach ausreichendem Ermittlungsverfahren und mit entsprechender Begründung zu erlassen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den bei ihr angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0067) berechtigt nicht jeder Verfahrensmangel die Berufungsbehörde, von § 66 Abs. 2 AVG Gebrauch zu machen; vielmehr ist eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Erstbehörde nur zulässig, wenn sich der Mangel nicht anders als durch Vornahme einer mündlichen Verhandlung (in Rede und Gegenrede) beheben läßt.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht nicht hervor, aus welchen Gründen im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf hinweist, daß das von der erstinstanzlichen Behörde durchzuführende Ermittlungsverfahren unter anderem festzustellen habe, ob ein Versagungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes gegeben sei, wobei die Überprüfung der Unterkunft gemäß der zitierten Bestimmung aus der Sicht der belangten Behörde nur durch die Durchführung eines Lokalaugenscheines und anschließender mündlicher Verhandlung vor Ort, eventuell unter Einbeziehung von Sachverständigen, erfolgen könne, ist ihr zu entgegnen, daß - abgesehen davon, daß eine fehlende Bescheidbegründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1985, Zl. 85/18/0312) - für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar ist, weshalb "die Überprüfung der Unterkunft gemäß § 5 Abs. 1 AufG" nicht auch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung "vor Ort" erfolgen könnte, zumal weder ein Lokalaugenschein noch die Beiziehung von Sachverständigen eine mündliche Verhandlung erforderlich machen.
Die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG war daher rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180149.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
27.07.2015