TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/23 94/18/0338

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Veröffentlicht am 23.06.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. April 1994, Zl. St 122/94, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 21. April 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 des Fremdenpolizeigesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, der im Jänner 1984 mit seinen Eltern und Geschwistern illegal nach Österreich eingereist sei und dessen in den Jahren 1984 und 1986 gestellte Asylanträge rechtskräftig negativ beschieden worden seien, weise folgende rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen auf: Wegen §§ 127, 129 Z. 1, 130, 164 Abs. 1 Z. 2 StGB, wobei ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe ausgesprochen wurde (Urteil des LG Linz vom 25. November 1991); wegen §§ 15, 142 Abs. 1, 105 Abs. 1, 229 Abs. 1, 223 Abs. 2, 127, 129 Z. 1 und 2, 15, 83 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Gesamtdauer von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt auf drei Jahre (Urteil des LG Linz vom 7. April 1992); wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 3, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten (Urteil des LG Linz vom 6. September 1993); wegen §§ 127, 129 Z. 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer in den Jahren 1991 bis 1993 viermal rechtskräftig wegen Übertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG und einmal wegen Übertretung nach § 14b Abs. 1 Z. 3 Fremdenpolizeigesetz bestraft worden.

Aufgrund der dargestellten gerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG (in mehrfacher Hinsicht) verwirklicht. Auch die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, sei gerechtfertigt (§ 18 Abs. 1 leg. cit.).

Schon in Anbetracht der Schwere der Delikte, der Höhe der verhängten Strafen und des Umstandes, daß der Beschwerdeführer schon zuvor als Jugendlicher straffällig geworden sei, erscheine ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zur Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig, auch wenn dadurch in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. In Ansehung des § 20 Abs. 1 FrG sei zwar zu berücksichtigen, daß sich der derzeit im 19. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer seit seinem 8. Lebensjahr in Österreich aufhalte; desweiteren, daß auch die Eltern und die Brüder des Beschwerdeführers hier lebten. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer seit Jänner 1994 einer regelmäßigen Arbeit nachgehe, vermöge allerdings noch keine Integration zu begründen. Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß seine Eltern nunmehr ihren Einfluß auf ihn wieder zurückgewonnen hätten und die Straftaten ausschließlich auf jugendlichen Leichtsinn und schlechten Einfluß des Freundeskreises zurückzuführen seien, sei zu bemerken, daß wohl schon von früheren Versuchen der Eltern, wieder Einfluß zu gewinnen und den Beschwerdeführer aus seinem Freundeskreis zu lösen, ausgegangen werden könne, ohne daß dies, wie die Straftaten zeigten, von Erfolg begleitet gewesen sei. Ungeachtet der sicherlich gegebenen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde läßt die auf dem unbestrittenen maßgeblichen Sachverhalt insbesondere der angeführten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen basierende - zutreffende - Annahme der belangten Behörde, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 18 Abs. 1 FrG), unbekämpft. Sie vertritt jedoch die Ansicht, daß das Aufenthaltsverbot im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG unzulässig sei.

Die belangte Behörde habe übersehen, daß die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Vorstrafen tatsächlich auf jugendlichen Leichtsinn sowie auf den schlechten Einfluß seines Freundeskreises zurückzuführen seien. Beim Beschwerdeführer habe mittlerweile ein Reifeprozeß eingesetzt, er habe, verstärkt durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen seiner Eltern und tatkräftige Unterstützung seines älteren Bruders, das von ihm begangene Unrecht eingesehen und zeige nunmehr ein voll sozial angepaßtes Verhalten. Aufgrund seiner Erwerbstätigkeit seit Beginn des Jahres 1994 seien jedwede Gründe weggefallen, weitere Eigentumsdelikte oder sonstige Delikte zu begehen. Im übrigen lebe der Beschwerdeführer seit über zehn Jahren in Österreich, habe im Ausland keine Verwandten und sei der albanischen Sprache kaum mächtig. Deshalb und aufgrund noch nicht eingetretener Volljährigkeit sei es ihm nicht möglich, im Ausland eine Existenz zu begründen. Entgegen der Meinung der belangten Behörde sei bei der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG der Umstand, daß der Beschwerdeführer nunmehr einem geregelten Erwerb nachgehe, zu berücksichtigen. Unberücksichtigt dürfe auch nicht bleiben, daß durch das Aufenthaltsverbot die Lebenssituation der gesamten Familie des Beschwerdeführers in hohem Maß beeinträchtigt werde.

2. Die belangte Behörde hat - ausgehend von der zutreffenden Ansicht, daß mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden wäre - die Auffassung vertreten, daß diese Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten sei. Dies mit Recht. Denn vor allem die Vielzahl und die Schwere der den gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken und die eine grobe Mißachtung der körperlichen Integrität und des Eigentums anderer zum Ausdruck bringen, machen ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer insbesondere zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer notwendig und damit im Grunde des § 19 FrG zulässig. Ergänzend dazu sei angemerkt, daß insbesondere die rechtskräftige Bestrafung wegen unbefugten Aufenthaltes im Bundesgebiet und der - folgt man den Beschwerdeangaben - seit Anfang 1993 unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zweifellos das Dringend-geboten-sein des Aufenthaltsverbotes - diesfalls im Interesse der öffentlichen Ordnung (vor allem eines geordneten Fremdenwesens) - unterstreicht. Daß der Beschwerdeführer seit Jänner 1994 einer geregelten Arbeit nachgeht, vermag die dargelegte Notwendigkeit nicht zu entkräften.

3. Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Abwägung hat die belangte Behörde auf den langen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Familie im Bundesgebiet Bedacht genommen und diesen Umständen erkennbar erhebliches Gewicht beigemessen. Daß der Beschwerdeführer ungeachtet seines etwa zehnjährigen Aufenthaltes in Österreich nach Ansicht der belangten Behörde "noch keine Integration" aufweise, ist dahin zu verstehen und insoweit nicht als verfehlt anzusehen, als die für eine Integration wesentliche soziale Komponente angesichts der häufigen und zum Teil schweren Straftaten und der erst etwa drei Monate währenden Beschäftigung keinesfalls ein Ausmaß erreicht hat, um von einer zugunsten des Beschwerdeführers ausschlagenden Integration sprechen zu können. Die Tatsache einer geregelten Arbeit war im übrigen gemäß § 20 Abs. 1 FrG auch nicht in der Form zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, daß er durch ein Aufenthaltsverbot in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt sein könnte, da dieser Gesichtspunkt bei der Abwägung nach dieser Bestimmung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0218, mwN).

Wenngleich den privaten (familiären) Interessen des Beschwerdeführers insgesamt betrachtet ein beachtliches Gewicht zukommt, so kann der belangten Behörde dennoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu einem für den Beschwerdeführer ungünstigen Ergebnis der Interessenabwägung gelangt ist. Denn das durch das beschriebene gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers begründete öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme wiegen schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180338.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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