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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1175;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Kramer sowie die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Hauptpunzierungs- und Probieramtes vom 24. August 1992, Zl. 107/3/92, betreffend Feststellung und Anordnung der Zurückleitung über die Zollgrenze, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit der als Bescheid bezeichneten, an die "K" in W gerichteten Erledigung vom 15. Februar (richtig wohl: April) 1992 verfügte das Punzierungsamt Wien II gemäß § 14 Abs. 2 Punzierungsgesetz in Verbindung mit § 25 Abs. 4 Durchführungsverordnung zum Punzierungsgesetz die Rücksendung der unter einer näher angeführten Anmeldungsnummer (am 13. April 1992) zollamtlich abfertigten 22 Stück Silbergegenstände innerhalb einer gemäß § 59 Abs. 2 AVG festgesetzten Frist bis 30. April 1992 (über die Zollgrenze). Dies mit der Begründung, die zur Punzierung vorgelegten Gegenstände entsprächen nicht den Bestimmungen des § 2 des Punzierungsgesetzes. Die gesetzwidrige Beschaffenheit könne nicht behoben werden. Die Rücksendung sei somit erforderlich.
In der gegen diese Entscheidung "aus Gründen der Mangelhaftigkeit der Bescheidsausführung, mangelnder Sachverhaltsfeststellung und Bescheidbegründung sowie offensichtlich unrichtiger rechtlicher Beurteilung" erhobenen Berufung scheint als Einschreiter die "Firma K Inhaber: 1) J
2) C" auf.
Mit dem auf Grund dieser Berufung an C ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. August 1992 hat das Hauptpunzierungs- und Probieramt (belangte Behörde) die erstinstanzliche Entscheidung für die 22 "Ohrstecker" aus 925 Tausendteilen feinem Silber abgeändert und dabei im Spruch des Bescheides ausgeführt:
"Es handelt sich mit Ausnahme eines punzierungspflichtigen Stückes um mindergewichtige Edelmetallgegenstände. Es wird festgestellt, daß auf alle diese Gegenstände die §§ 1,2 Abs. 2,3 auf die Mindergewichtigen zusätzlich § 15 Abs. 1 Z. 2 lit. a Punzierungsgesetz BGBl. Nr. 68/1954 in der dzt. gültigen Fassung (PG) anzuwenden sind, da deren Hauptkörper aus Silber bestehen. Keinesfalls liegen aus unedlen Metallen hergestellte mit Verzierungen aus Edelmetall versehene Gegenstände im Sinne § 26 PG vor.
Es wird festgestellt, daß die Auflagen des § 2 Abs. 2 PG bzw. § 7 Durchführungsverordnung zum PG BGBl. Nr. 385/1967 in der dzt. gültigen Fassung (DV) an den Gegenständen des Verfahrens nicht erfüllt sind.
Die Verbindung der auf den Hauptkörpern befindlichen unechten Messingverzierungen und der Messingverbindungsringe erfolgte durch Hartverlötung mit Silberlot. Ein Stück aus P 33 und P 31 weist zusätzlich jeweils einem (richtig: einen) mit dem Silberkörper hartverlöteten Stahlstift auf. Die Messingplättchen und -verbindungsringe sind für den Konsumenten keineswegs als unedle Bestandteile leicht kenntlich und nicht mit der Unechtbezeichnung versehen.
Schließlich wird festgestellt, daß die in § 3 Abs. 2 PG für Silbergegenstände vorgeschriebenen Feingehaltszahlen, in diesem Fall 925, an den Gegenständen des Verfahrens nicht angebracht sind. Eine Ausnahme gemäß § 3 Abs. 4 PG wird nicht gewährt.
Die oben genannten zweiundzwanzig Ohrstecker sind vom Empfänger gemäß §§ 2 Abs. 7 PG und 14 Abs. 2 PG in Verbindung mit § 25 Abs. 4 DV und § 59 Abs. 2 AVG INNERHALB VON 2 WOCHEN NACH DER ÜBERNAHME wieder über die Zollgrenze zurückzuleiten, es sei denn die oben genannte gesetzwidrige Beschaffenheit dieser Gegenstände wird innerhalb dieser Frist unter Überwachung durch das Punzierungsamt Wien II behoben. Der Austritt der Waren ist entsprechend den zollgesetzlichen Bestimmungen entweder mit Einheitspapier/AT oder mit Anmeldung/EX zu erbringen und dem Punzierungsamt Wien II umgehend nachzuweisen.
Eine Herausnahme dieser neuwertigen Gegenstände des Verfahrens aus dem (richtig: den) Bestimmungen des PG ist nicht möglich."
Am 19. April 1993 wurden die "Ohrstecker" als "Rückware gemäß § 43 ZG 1955" an die Empfängerin U in der Bundesrepublik Deutschland zollamtlich in der Ausfuhr abgefertigt.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem beim Verwaltungsgerichtshof am 26. April 1993 eingelangten Beschluß vom 19. März 1993, B 1635/92-7, "in der Beschwerdesache der Kunst & Form International" gegen den oben zitierten Bescheid beschlossen, daß die Beschwerde abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wird.
Mit Beschluß vom 28. Mai 1993, Zl. 93/17/0105-3, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die "Firma K" eine nicht rechts- und parteifähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde den dort angeführten Inhabern der genannten Gesellschaft bürgerlichen Rechts J und C zuzurechnen sei. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wurde mit diesem Beschluß mangels Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen.
Die (Zweit-)Beschwerdeführerin macht im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt unter anderem die Anträge, der Verwaltungsgerichtshof möge aussprechen, daß die belangte Behörde schuldig sei, den Metallwert der Gegenstände binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen, weiters aussprechen, daß die Gegenstände dem Punzierungsgesetz entsprächen und feilgeboten werden dürften, in eventu aussprechen, daß auf die Gegenstände § 26 Punzierungsgesetz anzuwenden sei.
Die belangte Behörde, vertreten durch die Finanzprokuratur, erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu den von der Beschwerdeführerin gestellten, oben angeführten Anträgen ist darauf hinzuweisen, daß im Falle der Bescheidbeschwerde Prüfungsmaßstab für den Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist. Er kann als rechtswidrig erkannte Bescheide allerdings nur aufheben, nicht aber in der Sache reformatorisch entscheiden. Eine Entscheidungsbefugnis über die genannten Anträge kommt dem Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall somit nicht zu.
Die Beschwerde erweist sich, soweit auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides gerichtet, im Ergebnis als berechtigt:
Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 9 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
Die Parteifähigkeit bestimmt sich somit primär nach den Verwaltungsvorschriften. Enthalten diese - wie das Punzierungsgesetz - keine diesbezüglichen Bestimmungen, so sind für die Beurteilung der prozessualen Rechts- und Handlungsfähigkeit subsidiär die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts maßgebend. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts stellt jedoch weder eine natürliche noch nach herrschender Lehre (vgl. Strasser in Rummel, Kommentar zum ABGB2, II, Rz. 13 zu § 1175) eine juristische Person dar, ihr kommt daher im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Rechts- und Parteifähigkeit zu.
Der erstinstanzliche Bescheid vom 15. April 1992 war an die "K" in W - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - gerichtet. Diese Erledigung der Behörde ist mangels Adressierung an eine parteifähige Person als Bescheid rechtlich nicht existent geworden, sondern ins Leere gegangen. Ein erstinstanzlicher Bescheid ist an die Beschwerdeführerin somit nicht ergangen. Wenn nun auf Grund der erhobenen "Berufung" die belangte Behörde als Berufungsinstanz in der Sache erstmals einen Bescheid an die Beschwerdeführerin erlassen hat, dann hat sie aus diesem Grund eine ihr nicht zustehende Entscheidungskompetenz beansprucht und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen noch eingegangen werden müßte, aufzuheben.
Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist mit der Entscheidung in der Hauptsache gegenstandslos geworden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Artikel III Abs. 2. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nur die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aufgelaufenen Stempelgebühren zuerkannt werden können. Im vorliegenden Verfahren sind infolge der Entrichtung der Stempelgebühren für die in einem Schriftsatz zusammengefaßte, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde Stempelgebühren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht aufgelaufen. Im übrigen ist die geltend gemachte Umsatzsteuer mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand abgegolten.
Schlagworte
Rechtsfähigkeit ParteifähigkeitHandlungsfähigkeit ProzeßfähigkeitRechtsfähigkeit Parteifähigkeit Gebilde ohne RechtsfähigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993170105.X00Im RIS seit
07.08.2001Zuletzt aktualisiert am
03.03.2015