Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 21. April 1994, Zl. Fr-5498/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 21. April 1994 wurde gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Türkei, in Ungarn, in Slowenien, in der Slowakei und in Rumänien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner Befragung am Gendarmerieposten Wals (am 12. März 1994) keinerlei "Hinderungsgründe" i.S. des § 37 FrG vorgebracht. Er habe vielmehr ausführlich geschildert, daß er wegen der hohen Kosten eines Studiums in Österreich zur Fortsetzung desselben zu seinem Großvater nach Deutschland habe reisen wollen (nach Zurückweisung mangels eines deutschen Sichtvermerkes das zweite Mal mit einem "fremden" Reisedokument). Diese Aussage sei in sich schlüssig und es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, daß die ersten - unbeeinflußten - Angaben der Wahrheit am nächsten kämen. Am 15. März 1994 habe der Beschwerdeführer vor der BH Salzburg-Umgebung diese Angaben als der Wahrheit entsprechend bekräftigt und auf Befragen erklärt, im Fall einer Abschiebung (in die Türkei) mit keinen Problemen i. S. des § 37 FrG rechnen zu müssen. Beiden Einvernahmen des Beschwerdeführers sei ein Dolmetscher beigezogen gewesen; beide Male habe der Beschwerdeführer die Richtigkeit der jeweiligen Niederschrift durch seine Unterschrift bestätigt. Es sei daher für die belangte Behörde nicht ersichtlich, warum diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen sollten.
Erst mit der Einschaltung seines Rechtsvertreters habe der Beschwerdeführer erstmals behauptet, im Fall der Abschiebung in seine Heimat bzw. in die Staaten Slowenien, Slowakei und Ungarn i. S. des § 37 FrG bedroht zu sein. Hiebei handle es sich aus folgenden Gründen um reine Schutzbehauptungen: Entgegen den ersten Darstellungen seien die nach Einschaltung des Rechtsvertreters gemachten Angaben widersprüchlich. So habe der Beschwerdeführer am Gendarmerieposten Wals angegeben, daß er die Absicht gehabt habe, in Österreich zu studieren, aber aufgrund der hohen Kosten zu seinem Großvater nach Deutschland habe gehen wollen, um dort sein Studium fortzusetzen. Am 24. März 1994 habe er zunächst zu Protokoll gegeben, in Österreich studieren zu wollen, in der Folge jedoch angegeben, nach Österreich gekommen zu sein, weil er sich in der Türkei in seiner Freiheit beengt gefühlt habe. In der Berufung habe der Beschwerdeführer auf seine Einvernahme am 24. März 1994 und die dort gegebene Darstellung über seine Bedrohung und Verfolgung in der Vergangenheit verwiesen, jedoch auch ausgeführt, ursprünglich beabsichtigt zu haben, zu seinen Verwandten nach Deutschland zu gehen. Diese Widersprüche wiesen eindeutig darauf hin, daß die vom Beschwerdeführer nach Kontaktaufnahme mit seinem Vertreter gemachten Angaben nicht der Wahrheit entsprächen.
Ein weiteres Indiz dafür, daß der Beschwerdeführer in der Türkei keiner Verfolgung ausgesetzt sei, sei die Tatsache, daß er problemlos mit einem eigenen Reisepaß habe ausreisen können. Auch die im verfahrensgegenständlichen Antrag vom 22. März 1994 aufgestellte Behauptung, im Fall der Abschiebung des Beschwerdeführers bestehe die Gefahr, daß er sofort zur türkischen Armee eingezogen und gezwungen werde, im kurdischen Siedlungsgebiet gegen PKK-Einheiten zu kämpfen, sei nicht verständlich, zumal an anderer Stelle behauptet werde, der Beschwerdeführer sei im Fall der Abschiebung mit Verhaftung, Folter und unmenschlicher Behandlung bedroht. Außerdem erscheine es unlogisch, Personen, von denen anzunehmen sei, daß sie sich der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes entziehen wollten, mit einem Reisepaß auszustatten und ungehindert ausreisen zu lassen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist festzuhalten, daß sich der Beschwerdeschriftsatz - mit jeweils klar zuordenbaren Ausführungen - an beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes wendet. Im folgenden wird ausschließlich das an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Vorbringen behandelt.
2. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.
Zufolge § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
3.1. Die Beschwerde rügt sowohl unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit als auch dem des Verfahrensmangels, daß die belangte Behörde ihren Bescheid allein mit der Unglaubwürdigkeit im Hinblick auf die erste Aussage des Beschwerdeführers begründet habe. Es sei keineswegs schlüssig, aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme nicht angegeben habe, wegen politischer Verfolgung die Türkei verlassen zu haben, zu folgern, daß alle späteren diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien.
3.2. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht ausschließlich auf die höhere Glaubwürdigkeit der ersten Aussage des Beschwerdeführers stützte, legte sie mit ihren diesbezüglichen Ausführungen (vgl. oben I.1.) im Rahmen der von ihr vorgenommenen Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) jene Überlegungen offen, die sie veranlaßten, bestimmten Angaben des Beschwerdeführers den Vorzug zu geben und sie für glaubwürdiger zu werten als eine andere von ihm gegebene Darstellung. Die dabei zum Ausdruck gebrachte Ansicht, daß die früheren Aussagen des Beschwerdeführers, wonach er in der Türkei keiner der im § 37 Abs. 1 und 2 FrG umschriebenen Gefahren bzw. Bedrohungen ausgesetzt sei, einen (erheblich) höheren Grad an Wahrscheinlichkeit hätten als die späteren - nach Kontaktaufnahme mit seinem Rechtsvertreter - gemachten Angaben zu dieser Frage, stehen im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerde mit der Lebenserfahrung durchaus im Einklang, zumal dann, wenn man die von der belangten Behörde zutreffend aufgezeigten widersprüchlichen Angaben in den späteren Aussagen des Beschwerdeführers ins Kalkül zieht. Dazu kommt, daß nach der unbestritten gebliebenen Feststellung der belangten Behörde die - im Beisein eines Dolmetschers gemachten - ersten Aussagen des Beschwerdeführers am Gendarmerieposten Wals und vor der BH Salzburg-Umgebung von ihm durch seine Unterschrift bestätigt wurden. Daß den besagten Einvernahmen kein gerichtlich beeideter Dolmetscher beigezogen wurde, stellt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers im Hinblick auf § 39a AVG keinen Verfahrensmangel dar.
4.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sich nicht mit der "allgemeinen politischen Lage" und der "konkreten politischen Situation" in der Türkei befaßt zu haben. Dazu wäre es erforderlich gewesen, sich mit Erkenntnisquellen auseinanderzusetzen, welche die derzeitige Lage der Kurden in der Türkei objektiv aufzeigten.
4.2. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß es dem Fremden, der eine Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG begehrt, obliegt, zumindest glaubhaft zu machen, daß ihm aktuell, also im Fall seiner Abschiebung in den (die) von seinem Antrag erfaßten Staat (Staaten), dort die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0169, mwN).
Legt man aber den von der belangten Behörde aufgrund einer, wie dargetan, unbedenklichen Beweiswürdigung als maßgeblich festgestellten Sachverhalt zugrunde, so kann nicht davon gesprochen werden, daß dem Beschwerdeführer eine solche Glaubhaftmachung gelungen ist. Dies gilt auch für die - jeweils allgemein gehaltenen - Hinweise auf die Brisanz der derzeitigen politischen Situation für die kurdische Volksgruppe und auf regelmäßige Folterungen in türkischen Gefängnissen sowie die vage Behauptung einer möglichen Einziehung des Beschwerdeführers zur türkischen Armee verbunden mit einem Einsatz im kurdischen Siedlungsgebiet und den Umstand, daß der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge ein Neffe einer der Sprecher des kurdischen Informationsbüros in Köln ist. Schließlich kann der Annahme der belangten Behörde, es spreche auch die Ausstellung eines Reisepasses für den Beschwerdeführer und dessen problemlose Ausreise aus der Türkei (nach dem Beschwerdevorbringen: am 27. Februar 1994) gegen eine im Grunde des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG relevante Gefährdung bzw. Bedrohung des Beschwerdeführers vor wie auch nach diesem Zeitpunkt, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
5. Dazu, inwiefern der Beschwerdeführer in Ungarn, Slowenien, Rumänien und der Slowakei einer von den genannten Bestimmungen umfaßten Gefährdung bzw. Bedrohung ausgesetzt sei, enthält die Beschwerde kein Vorbringen. Der Gerichtshof vermag von sich aus in bezug auf die genannten Staaten eine derartige Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers nicht zu erkennen.
6. Da unter Zugrundelegung des Inhaltes der Beschwerde die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180269.X00Im RIS seit
20.11.2000