TE Vfgh Beschluss 1992/2/24 G198/91, G199/91, G200/91, G201/91, G202/91, G203/91, G206/91, G207/91,

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Veröffentlicht am 24.02.1992
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46 Statistik
46/02 Sonstiges

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
FormularV des Bundesministers für Inneres über die bei der Ordentlichen Volkszählung am 15.05.91 zur Verwendung gelangenden Drucksorten, BGBl 73/1991
Häuser- und WohnungszählungsV des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über statistische Erhebungen betreffend bestehende Häuser und die darin befindlichen Wohnungen und sonstige Räumlichkeiten, BGBl 19/1991
VolkszählungsG 1980 §2 Abs2
VolkszählungsG 1980 §10 Abs4

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von (bloße) Verordnungsermächtigungen beinhaltende Bestimmungen des VolkszählungsG 1980; kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller; keine aktuelle Betroffenheit; Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von nicht mehr in Kraft stehenden Verordnungen

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Die acht Antragsteller fochten am 18. bzw. 24. April 1991 bestimmte, näher bezeichnete Teile des Volkszählungsgesetzes (VZG), BGBl. 199/1980 idF BGBl. 149 und 558/1990, und der beiden folgenden Verordnungen an, nämlich der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die bei der Ordentlichen Volkszählung am 15. Mai 1991 zur Verwendung gelangenden Drucksorten, BGBl. 73/1991, und der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über statistische Erhebungen betreffend bestehende Häuser und die darin befindlichen Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten (Häuser- und Wohnungszählung 1991), BGBl. 19/1991.

1.2. Die Bundesregierung und der Bundesminister für Inneres gaben Stellungnahmen ab und traten darin teils ausdrücklich, teils der Sache nach für die Zurückweisung aller Anträge ein; der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten begehrte in seiner Äußerung die Abweisung der Anträge.

In der Folge brachten die Antragsteller eine Replik auf diese Stellungnahmen ein.

2. Über die Anträge wurde erwogen:

2.1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu (Individual-)Anträgen nach Art139 und 140 B-VG muß die Legitimation zur Zeit nicht nur der Einbringung des Antrages, sondern auch der Entscheidung des Gerichtshofs gegeben und die angefochtene generelle Norm daher noch im Entscheidungszeitpunkt für den Antragsteller wirksam sein (VfSlg. 9868/1983, 9881/1983, 11808/1988; VfGH 2.10.1989 G87/86; 3.10.1989 G227/88, 2/89 - §209 StGB -; 28.6.1990 V109/89; 26.2.1991 G69/90 ua.; 11.6.1991 G254/89; 17.6.1991 V5/91; 12.10.1991 V61/91).

2.1.2. Auch kommt nicht jedem Normadressaten die Anfechtungsbefugnis nach Art139 Abs1 letzter Satz/Art140 Abs1 letzter Satz B-VG zu. Vielmehr setzen diese Verfassungsbestimmungen voraus, daß das Gesetz/die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff muß durch die - nach Auffassung des Antragstellers aufzuhebende - Norm nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmt sein und die (rechtlich geschützten) Interessen des Einschreiters nicht bloß potentiell, sondern aktuell beinträchtigen (VfSlg. 10511/1985 uvam.).

2.2.1. Zunächst ist der Bundesregierung beizupflichten, wenn sie die Ansicht vertritt, daß der angefochtene §2 Abs2 VZG in die Rechtssphäre der Antragsteller schon deshalb nicht unmittelbar eingreife, weil sich eine Verpflichtung zur Fragenbeantwortung erst aus einer gemäß §10 Abs1 litc VZG erlassenen Verordnung ergebe. Die Bundesregierung beruft sich hier zu Recht auf die Beschlüsse VfSlg. 8829 und 8978/1980: Der Verfassungsgerichtshof hält an der damals vertretenen Rechtsmeinung fest, daß eine Gesetzesbestimmung, die ausschließlich eine Verordnungsermächtigung enthalte, nicht unmittelbar in die Rechtssphäre einer Person eingreifen könne.

Bei dem bekämpften §2 Abs2 VZG handelt es sich aber um eine bloße Verordnungsermächtigung, wie der Zusammenhang zwischen §2 Abs2 und §10 Abs1 litc VZG deutlich macht. Dies muß vom Gesetzeswortlaut her auch für §10 Abs4 VZG gelten, der nur von einem einzigen Antragsteller (zu G200/91) angefochten wird.

2.2.2. Davon abgesehen, könnten die Antragsteller vom VZG nur dann aktuell betroffen sein, wenn nunmehr wieder eine Volkszählung bevorstünde. Das ist jedoch nicht der Fall, denn die nächste Ordentliche Volkszählung wird gemäß §1 Abs1 VZG frühestens am 1. Juli 2000 stattfinden. Im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. VfGH 15.3.1990 G260/89; s. auch VfGH 28.9.1989 G195,196/88, 12.10.1989 G193,194/88; 27.11.1990 G209/90) ist die Zeitspanne, die bis dahin vergehen muß (über acht Jahre), bei weitem zu lang, als daß heute schon von einer aktuellen Betroffenheit der Einschreiter die Rede sein könnte. Im übrigen bringen die Antragsteller zur Legitimation gar keine substantiierten Behauptungen in dieser Richtung vor, ebensowenig machen sie geltend, es stehe etwa eine Außerordentliche Volkszählung (§1 Abs2 VZG) bevor.

2.3. Die angefochtenen Verordnungen stehen nicht mehr in Kraft (vgl. VfSlg. 9598/1982, S 551 zur Formularverordnung BGBl. 29/1981, die für die Volkszählung 1981 galt: "derzeit mangels jedweden Anwendungsgebietes nicht mehr in Kraft stehende"): Der Verfassungsgerichtshof bejahte die Antragslegitimation bei außer Kraft getretenen Vorschriften nur dann, wenn die strittigen Bestimmungen nach wie vor unmittelbar die Rechtsstellung des Antragstellers berührten, etwa in Beziehung auf privatrechtliche Verträge, die der Anfechtende während des Zeitraumes der Geltung abgeschlossen hatte (VfSlg. 10313/1984, 10820/1986). Ein vergleichbarer Fall liegt hier aber nicht vor.

2.4. Beizufügen bleibt, daß die ersichtlich im Blick auf die Volkszählung 1991 und die gleichzeitig stattfindende Häuser- und Wohnungszählung 1991 (mit Zähl- bzw. Stichtag 15. Mai 1991 (Verordnung BGBl. 311/1990, §1 Abs2 Verordnung BGBl. 19/1991)) formulierten Anträge nach Art139 und 140 B-VG erst sehr spät, nämlich am 18. bzw. 24. April 1991, beim Verfassungsgerichtshof einlangten. Über diese Anträge hätte den Umständen nach (die nächste Session des Gerichtshofs - dem vorläufige Anordnungen (Sistierungsmaßnahmen) in Rechtssachen nach Art139 und 140 B-VG kraft geltenden Rechtes verwehrt sind - fand im Juni 1991 statt) selbst bei Wahrung der Monats-Sollfrist der §59 Abs1, §63 Abs3 VerfGG 1953 nicht mehr rechtzeitig vor dem Zähl- bzw. Stichtag (15. Mai 1991) abgesprochen werden können. Die Frage, ob es sachlich geboten war, die Verordnungen erst am 17. Jänner bzw. am 19. Feber 1991 kundzumachen, steht hier nicht zur Beurteilung.

2.5. Zusammenfassend mußten die Anträge folglich als unzulässig zurückgewiesen werden.

Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Volkszählung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G198.1991

Dokumentnummer

JFT_10079776_91G00198_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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