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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. September 1993, Zl. St 155/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. September 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Nach der Begründung sei der im 22. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer in Österreich geboren und auch hier aufgewachsen. Lediglich den Militärdienst in der Dauer von 12 Monaten habe er in Jugoslawien geleistet. Der Beschwerdeführer sei ledig, er lebe in Österreich mit seiner Mutter und seiner Schwester. Der Beschwerdeführer sei viermal rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden, und zwar 1. am 19. Oktober 1989 vom Landesgericht Linz wegen gefährlicher Drohung, Körperverletzung, Einbruchsdiebstahls, versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen, versuchter Urkundenunterdrückung, versuchter Nötigung und Verleumdung; Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, Probezeit 3 Jahre sowie Bestellung eines Bewährungshelfers; 2. am 9. Juli 1992 vom Landesgericht Linz wegen schweren Diebstahls, Einbruchsdiebstahls und gewerbsmäßigen Diebstahls, zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt auf 2 Jahre; 3. am 14. Oktober 1992 vom Landesgericht Linz wegen schweren Diebstahls und Einbruchsdiebstahles zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten; aus dieser Freiheitsstrafe sei der Beschwerdeführer am 25. April 1993 bedingt entlassen worden;
4. am 4. Mai 1993 vom Landesgericht Linz wegen Einbruchsdiebstahles und dauernder Sachentziehung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten.
Der Beschwerdeführer weise darüber hinaus eine Reihe von Bestrafungen wegen Übertretung von Verkehrsvorschriften, aber auch der Ordnungsstörung aus den Jahren 1989 bis 1992 auf.
Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt; aufgrund der in dieser Bestimmung angeführten unwiderleglichen Rechtsvermutung sei die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Durch dieses Aufenthaltsverbot werde zweifellos in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Die den gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten seien die Weiterentwicklung eines Verhaltens, das der Beschwerdeführer schon als Strafunmündiger gezeigt habe. Schon im Alter von etwa 12 Jahren habe er in der Schule, aber auch bei Wohnparteien zahlreiche Diebstähle begangen. Die Leitung der Hauptschule habe sich daher im Jahre 1985 veranlaßt gesehen, an den Bezirksschulrat den Antrag zu stellen, den Beschwerdeführer entweder in ein Heim einzuweisen oder ihm die Aufenthaltsgenehmigung für Österreich zu entziehen. Diese Entwicklung habe sich nicht nur fortgesetzt, sondern weiter verstärkt. Es müsse daher von einer derartigen negativen Zukunftsprognose ausgegangen werden, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung von strafbaren Handlungen dringend geboten erscheine. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, daß dem Beschwerdeführer aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG schon vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft nicht hätte verliehen werden können. Der maßgebliche Sachverhalt sei in den erfolgten gerichtlichen Verurteilungen zu sehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Eine solche "unwiderlegliche Rechtsvermutung" besteht nicht, vielmehr ordnet § 18 Abs. 1 FrG an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt. Im vorliegenden Fall stellen die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, daß sie die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen. Da - im Ergebnis mit der belangten Behörde - von der Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 1 leg. cit. auszugehen ist, wurde der Beschwerdeführer durch die unzutreffende Auffassung der belangten Behörde über das Vorliegen einer "unwiderleglichen Rechtsvermutung" nicht in seinen Rechten verletzt.
Gegen die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, daß ungeachtet des Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über ihn diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil dringend geboten, sei, bringt die Beschwerde nichts vor. Auch der Verwaltungsgerichtshof hält das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen (durch den Beschwerdeführer) und zum Schutz der Rechte anderer für notwendig.
Die Beschwerde hält die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Die Berücksichtigung seines Verhaltens als Strafunmündiger als Argument für die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes sei unzulässig. Durch die nunmehrige Verbüßung der Haftstrafe habe er erstmals das Haftübel kennengelernt. Er habe ausdrücklich versichert, sich in Zukunft wohl zu verhalten.
Der Beschwerdeführer vermag mit diesen Ausführungen keine Gründe darzutun, welche die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 1 leg. cit. unzulässig erscheinen ließen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid insoweit auf sämtliche dem privaten (persönlichen, familiären) Interessenbereich angehörenden Umstände Bedacht genommen und sie als erheblich gewertet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde sein Verhalten als Strafunmündiger nicht als tragendes Element für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes herangezogen. Dieses Verhalten fand lediglich Berücksichtigung für die Prognose über das künftige Verhalten des Beschwerdeführers. Wenn die belangte Behörde trotz der langen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und des großen Ausmaßes der Integration seiner Familienangehörigen im Inland dennoch zu dem Ergebnis gelangt ist, daß das Absehen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in ihren nachteiligen Folgen schwerer wiege als die negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, so kann dieses Abwägungsergebnis im Hinblick auf das die öffentliche Sicherheit in sehr hohem Grad gefährdende Verhalten des Beschwerdeführers, welches eine hartnäckige Mißachtung rechtlich geschützter Werte zum Ausdruck bringt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer einen Teil der verhängten Freiheitsstrafe verbüßt und ausdrücklich versichert habe, sich in Zukunft wohl zu verhalten.
Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, es hätte nach § 20 Abs. 2 FrG kein Aufenthaltsverbot über ihn verhängt werden dürfen. Entgegen seiner Ansicht ist der für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG entscheidende Zeitpunkt der "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" nicht der Zeitpunkt vor der ersten gerichtlichen Verurteilung, sondern der der Rechtskraft der vorletzten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491). Zu diesem Zeitpunkt war die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG nicht erfüllt.
Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180493.X00Im RIS seit
20.11.2000