TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/27 93/16/0129

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Veröffentlicht am 27.06.1994
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §764;
ErbStG §12 Abs1 Z1 litb;
ErbStG §18;
ErbStG §20 Abs6;
ErbStG §30 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/16/0130

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1.) des O in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Juni 1993, GA 11-186/92, sowie 2.) der A in B und

3.) der M in B, alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland ebenfalls vom 9. Juni 1993, GA 11-464/3/93, beide Bescheide betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Drittbeschwerdeführerin ist Alleinerbin nach ihrem am 18. Dezember 1989 verstorbenen Ehegatten Franz M. Die Ehegatten hatten einander in einem gemeinschaftlichen Testament zum Alleinerben eingesetzt und ihre beiden Kinder (den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin) auf den Pflichtteil beschränkt "mit dem Ersuchen, den Pflichtteil zinsenlos bis zum Ableben des überlebenden Ehegatten zu stunden".

Nach Eintritt des Erbfalles schlossen die drei Beschwerdeführer ein Übereinkommen ab, worin sich die Drittbeschwerdeführerin verpflichtete, an ihre Kinder zur Berichtigung ihrer Pflichtteilsforderung einen

- wertgesicherten - Betrag von je S 3,000.000,-- "gegen eine jeden Teil zustehende Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende eines jeden Monates zu bezahlen, von welchem Kündigungsrecht jedoch die beiden genannten erbl. Kinder jedoch nur für nachstehende Fälle Gebrauch machen dürfen:

a)

bei Veräußerung (sei es entgeltlich oder unentgeltlich) der ... Liegenschaft bzw. Anteile dieser Liegenschaft,

b)

im Falle des Todes der erbl. Witwe".

Zur Sicherstellung der Pflichtteilsforderung wurde eine von der Drittbeschwerdeführerin ererbte Liegenschaft verpfändet. Gleichzeitig gab die Drittbeschwerdeführerin die unbedingte Erbserklärung ab.

Nach Kenntnisnahme des Pflichtteilsübereinkommens wurde der Nachlaß der Drittbeschwerdeführerin eingeantwortet.

Das zuständige Finanzamt erließ in der Folge an den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin unter Zugrundelegung eines Erwerbes im Ausmaß von S 3,000.000,-- je einen Erbschaftssteuerbescheid.

Gegen diese Bescheide wurden Berufungen erhoben. Der Erstbeschwerdeführer machte im Berufungsverfahren zunächst insbesondere ein Recht auf Aussetzung der Besteuerung im Sinne des § 30 Abs. 1 ErbStG geltend. Die Zweitbeschwerdeführerin verwies unter anderem darauf, daß die Pflichtteilsforderung noch nicht fällig gestellt worden sei. In der Folge trat die Drittbeschwerdeführerin der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin bei.

Mit den in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung der beiden Bescheide wurde gleichlautend darauf hingewiesen, daß die Steuerschuld mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches erfolgt sei. Die Vereinbarung, den Pflichtteil vorerst nicht auszuzahlen, sei auf Wunsch des Erblassers geschlossen worden. Ein bloßer Wunsch stelle aber keine letztwillige Verfügung dar. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Besteuerung nach § 30 Abs. 1 ErbStG lagen nach Auffassung der belangten Behörde nicht vor.

In der von den drei Beschwerdeführern gemeinsam erhobenen Beschwerde gegen diese beiden Bescheide werden deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte zwei von der belangten Behörde erstattete Gegenschriften sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b ErbStG entsteht die Steuerschuld für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Dabei ist als Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils jener anzunehmen, in dem der Pflichtteilsberechtigte nach außen hin - sei es auch außergerichtlich - zu erkennen gibt, er wolle seinen Pflichtteilsanspruch wahren und nicht darauf verzichten (vgl. das Erkenntnis vom 18. November 1993, 88/16/0163).

Im Beschwerdefall haben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin mit dem von ihnen einerseits und der Drittbeschwerdeführerin andererseits abgeschlossenen Übereinkommen vom 22. November 1990 über die Höhe, Wertsicherung sowie die Sicherstellung der Pflichtteilsforderungen zweifelsfrei den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht. (Zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches in einem Pflichtteilsübereinkommen vgl. auch das Erkenntnis vom 24. September 1979, 1316/78.) In diesem Zeitpunkt ist die Erbschaftssteuerschuld hinsichtlich der Erwerbe der beiden erstgenannten Beschwerdeführer entstanden.

Der Umstand, daß bloß die Auszahlung der Pflichtteilsforderungen durch die Drittbeschwerdeführerin hinausgeschoben ist - wobei überdies im Pflichtteilsübereinkommen eine Wertsicherung vereinbart worden ist -, ist für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ohne Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß der Betrag, mit dem die wirkliche Zuteilung des Pflichtteils (vgl. § 786 Satz 2 ABGB) erfolgt, für die Bemessung der Erbschaftssteuer im Hinblick auf die Bestimmung des § 18 ErbStG nicht von Bedeutung ist (vgl. ähnlich das Erkenntnis vom 9. September 1993, 92/16/0190 zu § 20 Abs. 6 ErbStG).

Daraus folgt aber, daß für die Entstehung der Steuerschuld der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage, ob es sich bei der Hinausschiebung des Termines der Auszahlung der Pflichtteile um einen bloßen Wunsch oder eine bindende Anordnung des Erblassers gehandelt hat, keinerlei Bedeutung zukommt.

Ebenso wie im Verwaltungsverfahren wird auch in der Beschwerde gerügt, daß die Abgabenbehörde § 30 ErbStG nicht angewendet hat. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle kann der Steuerpflichtige beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzung einem anderen als ihm zusteht, verlangen, daß die Besteuerung bis zum Erlöschen des Nutzungsrechtes ausgesetzt bleibt. Mit diesem Einwand übersehen die Beschwerdeführer, daß der Pflichtteilsberechtigte ein Forderungsrecht auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlaßwertes in Geld, jedoch keinen Anspruch auf einen aliquoten Teil des Nachlasses hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. September 1979, 1316/78, mit weiteren Hinweisen). Da der Pflichtteilsanspruch somit lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch darstellt, ist die Auffassung, der Pflichtteilsberechtigte habe durch den Erbfall die Substanz von Vermögen erworben, dessen Nutzung - infolge der vereinbarten Stundung der Auszahlung der Pflichtteilsforderung - jemandem anderen, nämlich dem Erben zusteht, verfehlt. Von einem bloßen Nutzungsrecht des Erben am Nachlaßvermögen, aus dem die Pflichtteilsforderungen zu berichtigen sind, kann keine Rede sein. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 30 ErbStG liegen daher in den Beschwerdefällen nicht vor.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993160129.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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