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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. November 1992, GA 13 - 7/K-509/1/91, betreffend Zollabrechnung gemäß § 80 ZollG für zwei eingeführte Personenkraftwagen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheiden vom 23. und 26. März 1990 stellte das Zollamt Wien fest, daß für den Beschwerdeführer durch die bei Einreisen in das Zollgebiet im Juni 1982 bzw. Mai 1985 zu Unrecht erfolgte Inanspruchnahme der formlosen sicherstellungsfreien Eingangsvormerkabfertigung von je einem Personenkraftwagen die bedingte Zollschuld unbedingt geworden ist. Gleichzeitig wurde die Höhe der unbedingt gewordenen Zollschuld festgestellt.
In den Berufungen gegen diese Bescheide wurde insbesondere geltend gemacht, Halterin der beiden in Rede stehenden Personenkraftwagen sei die F. GmbH mit dem Sitz in München - deren geschäftsführender Gesellschafter der Beschwerdeführer ist. Die Fahrzeuge seien nicht vom Beschwerdeführer, sondern von Angestellten dieser GmbH von Deutschland in das Zollgebiet eingebracht worden.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurden die Berufungen - abgesehen von der Höhe der festgestellten Eingangsabgaben - als unbegründet abgewiesen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Zollverfahren ist ein Antragsverfahren. Ohne Antrag kann (ausgenommen § 52 Abs. 7 ZollG) ein Zollverfahren von Amts wegen nicht eingeleitet werden. Durch den Zollantrag bestimmt der Anmelder die Art der Zollbehandlung. Ob und mit welchem Inhalt und in welcher Form er eine Anmeldung abzugeben hat, hängt von der Art des Zollverfahrens ab, für die er sich in seinem Antrag entschieden hat. Reist eine Person mit ausländischem, unverzolltem Beförderungsmittel ohne weitere Erklärungen ins österreichische Zollgebiet, dann beantragt sie damit die formlose Zollbehandlung, der vom Zollamt - bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte - durch die Freigabe zum formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehr entsprochen wird. Hat eine Person ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Sinn des § 93 Abs. 4 ZollG im Zollgebiet, so kann für ein ausländisches unverzolltes Beförderungsmittel das formlose Vormerkverfahren mangels Vorliegen der Voraussetzungen (§ 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG) nicht in Anspruch genommen werden. Die zollrechtlich relevante Tatsache des gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet ist daher von einer mit einem ausländischen, unverzollten Beförderungsmittel einreisenden Person in der mündlichen Anmeldung nach § 73 Abs. 3 ZollG anläßlich der Stellung des Fahrzeuges (§ 48 ZollG) dem die Zollabfertigung durchführenden Organwalter von sich aus zu erklären, und zwar auch dann, wenn das Zollorgan einen für die Zollbehandlung maßgebenden Umstand übersehen haben sollte (vgl. hg. Erkenntnis vom 11. April 1991, Zl. 90/16/0232).
Gemäß § 69 BAO ist für die Erhebung von Zöllen und sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben das Zollamt örtlich zuständig, das auf Antrag mit der Sache befaßt wird oder von Amts wegen als erstes einschreitet.
Ist einmal eine Anmeldung in einem Zollverfahren bei einer Zollbehörde eingebracht, so ist und bleibt dieses Zollamt auf Grund der Prioritätsregelung zuständig (Stoll, BAO, Handbuch, Seite 161).
Die ausländischen unverzollten Beförderungsmittel waren gemäß § 48 ZollG zu stellen und sind auf Antrag (zu Unrecht) zum formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehr freigegeben worden. Damit war das Grenzeintrittszollamt - und somit keinesfalls das Zollamt Wien - auf Antrag mit der Sache befaßt und für die Erhebung der Eingangsabgaben nach § 69 BAO zuständig. Ein späteres amtswegiges Einschreiten vermag an der bereits begründeten Zuständigkeit nichts zu ändern (vgl. das Erkenntnis vom 25. Juni 1992, 91/16/0092). Ein Zuständigkeitsübergang auf Grund der Bestimmungen der Durchführungsverordnung zum Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (z.B. bei eingeleitetem Finanzstrafverfahren) ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Vielmehr wurde die Anzeige an die Finanzstrafbehörde erst nach Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide erstattet.
In jedem Stadium des Verfahrens ist sowohl die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Abgabenbehörden von Amts wegen wahrzunehmen. Greift die im Berufungswege angerufene Abgabenbehörde zweiter Rechtsstufe (§ 74 BAO) die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit nicht auf, begründet dies eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, auch wenn dieser Umstand wie im Beschwerdefalle in der Berufung nicht geltend gemacht wurde. Da die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Behörde erster Rechtsstufe bei der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht wahrnahm, belastete sie ihren (in Beschwerde gezogenen) Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (vgl. das Erkenntnis vom 8. Februar 1990, 89/16/0187, 0188, 0189, mit weiterem Hinweis).
Somit war der angefochtene Bescheid schon aus dem dargestellten Grunde wegen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war. Im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung konnte die Entscheidung dabei in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Als Kostenersatz im Sinne der §§ 47 ff VwGG war dem Antrag entsprechend der Schriftsatzaufwand zuzusprechen. Dabei ist in dem nach der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 festzusetzenden Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993160001.X00Im RIS seit
20.11.2000