TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/27 92/16/0178

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Veröffentlicht am 27.06.1994
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §110 Abs1 Z2 lita;
ASVG §110 Abs2;
ASVG §98;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. Oktober 1992, Zl. Jv 4700 - 33/92, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat eine vollstreckbare, aber uneinbringliche Forderung an Sozialversicherungsbeiträgen gegen Dipl.Ing. R.A. in Höhe von S 5.656.957,45 s.A. Dipl.Ing. R.A. hat seine Ansprüche aus einer ASVG-Pension an seine drei Kinder E.R., B.A. und M.A. abgetreten. Die Beschwerdeführerin erhob beim Landesgericht Feldkirch zur Zl. 8 Cg 104/92g eine Anfechtungsklage hinsichtlich dieser Abtretungen; sie bewertete den Streitwert mit dem oben genannten Betrag. Nach Streitwertbemängelung in der Klagebeantwortung erklärte sich die Klägerin in der Streitverhandlung vom 10. Juni 1992 mit einer Herabsetzung einverstanden; das Gericht setzte mit einem in dieser Verhandlung verkündeten Beschluß den Streitwert "gemäß §§ 7, 8 RAT" auf S 700.000,-- herab. Auf dem Berufungsschriftsatz der Beschwerdeführerin gegen das abweisende Urteil vom 17. August 1992 wurde anläßlich der Bezeichnung der Rechtssache der Streitwert mit "Streitwert nach RAT 700.000" angegeben. Wie schon die Klage enthielt auch die Berufung den Vermerk: "Gebührenfrei gemäß § 110 ASVG Für den Fall, daß Gebührenfreiheit verneint wird, wird um bescheidmäßige Erledigung ersucht und um Abbuchung im Wege des GEBÜHRENEINZUGES von Konto Nr. ...".

Am 2. Oktober 1992 erfolgte die Einziehung der Pauschalgebühr für die Berufung in Höhe von S 110.828,-- (S 9.000,-- und 1,8 % von S 5,656.957,45 ). Am 7. Oktober 1992 richtete die Beschwerdeführerin "an das Landesgericht Feldkirch" den Antrag auf Rückzahlung zu Unrecht abgebuchter Gerichtsgebühr. Begründend wurde die Gebührenfreiheit nach § 110 ASVG geltend gemacht. Der Kostenbeamte legte den Antrag mit der Erklärung der belangten Behörde zur Entscheidung vor, daß er den Rückzahlungsanspruch nicht für begründet halte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Rückzahlungsantrag keine Folge. Die Anfechtung der Abtretungsvereinbarung sei eine Rechtshandlung, die nicht zwischen dem Personenkreis des § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG abgeschlossen wurde und weshalb eine Gebührenbefreiung für die Anfechtung dieser Vereinbarung im Prozeßwege nicht zustehe.

In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, bis zur Entscheidung über die strittige Gebühr von der Entrichtung vorläufig befreit zu werden, weiters in dem Recht auf Gebührenfreiheit nach § 110 ASVG sowie in ihrem Recht auf Rückzahlung wegen Anwendung einer unrichtigen Bemessungsgrundlage.

Die belangte Behörde legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand der Beschwerde ist ein Bescheid, der über einen Rückzahlungsantrag gemäß § 31 GGG abgesprochen hat; ein früher gestellter Antrag um bescheidmäßige Erledigung "der geltend gemachten Gebührenbefreiung" ist nicht verfahrensgegenständlich. Da kein Berichtigungsantrag gemäß § 7 Abs. 1 GEG, sondern ein Rückzahlungsantrag gestellt wurde, fehlt auch jegliche Rechtsgrundlage für die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung gemäß § 7 Abs. 2 GEG.

Von Anfang an hat sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt gestellt, sie genieße in dem von ihr eingeleiteten Zivilprozeß, in welchem sie Berufung erhoben hatte, die Gebührenfreiheit nach § 110 ASVG. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

"Sachliche Abgabenfreiheit

§ 110 (1) Von der Entrichtung der bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben, der Bundesverwaltungsabgaben sowie der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren sind - unbeschadet des § 6 des Umsatzsteuergesetzes 1972 und der Bestimmungen des Abs. 2 - befreit:

1.

...

2.

Rechtsgeschäfte, Rechtsurkunden, sonstige Schriften und die im Verfahren vor den Gerichten, Verwaltungsbehörden, Einigungskommissionen, nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften errichteten Kommissionen, Ausschüssen und Schiedsgerichten durchgeführten Amtshandlungen, wenn sie Rechtsverhältnisse betreffen, die begründet oder abgewickelt werden,

              a)              in Durchführung der in diesem Bundesgesetz geregelten Versicherungen zwischen den Versicherungsträgern und dem Hauptverband einerseits und den Versicherten, den Dienstgebern, den Anspruchswerbern und Anspruchsberechtigten auf Leistungen der Versicherung, den Vertragspartnern der Versicherung sowie den Trägern der Sozialhilfe andererseits,

...

(2) In einem Exekutionsverfahren, das vom Versicherungsträger zur Eintreibung nicht rechtzeitg entrichteter Beträge eingeleitet wird, ist der Verpflichtete von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nicht befreit.

..."

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon im Erkenntnis vom 7. März 1963, Slg. 2816/F, ausgeführt, daß Exekutionsmaßnahmen, die vom Sozialversicherungsträger gegen einen säumigen Beitragsschuldner ergriffen werden, der Durchführung der im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz geregelten Versicherungen dienen. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die gerichtliche Anfechtung eines Rechtsgeschäftes, welches den Haftungsfonds des Beitragsschuldners zu schmälen geeignet war, als vorbereitende Maßnahme auch zu derartigen "Exekutionsmaßnahmen" gezählt werden kann, weil jedenfalls die Voraussetzungen der Gebührenfreiheit auf der Ebene des persönlichen Zusammenhanges gem.§ 110 Abs 1 Z 2 lit a ASVG nicht vorliegen.

Die in dem hier in Rede stehenden Anfechtungsprozeß beklagten Parteien zählen nämlich nicht zu dem in der zit. Gesetzesstelle genannten Personenkreis, und zwar auch nicht auf Grund der im Beschwerdefall gegebenen Position als Zessionare von Ansprüchen auf Geldleistungen aus der Pensionsversicherung.

§ 98 ASVG unterscheidet in diesem Zusammenhang deutlich zwischen dem "Anspruchsberechtigten" als Zedent und den Personen, denen (unter den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle) Ansprüche auf Geldleistungen übertragen werden, also den Zessionaren. Ungeachtet des Umstandes, daß sich die Rechtsnatur einer abgetretenen Forderung durch die Zession nicht ändert, sind auf Grund der zitierten Gesetzesstelle unter "Anspruchsberechtigten" nur die ursprünglich Berechtigten zu verstehen und nicht allfällige Zessionare.

In Ansehung der herangezogenen Bemessungsgrundlage ist die Beschwerde jedoch berechtigt. Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Abs. 2 Z. 1 läßt die Ausnahme eintreten, daß dann, wenn der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert wird, der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage bildet; bereits entrichtete Mehrbeträge seien zurückzuzahlen.

Eine Herabsetzung gemäß § 7 RATG ist hier erfolgt; die Beschwerdeführerin hat auf der von ihr erhobenen Berufung den neuen Streitwert angegeben, sodaß jedenfalls für das Berufungsverfahren diese Bemessungsgrundlage (S 700.000,--) hätte herangezogen werden müssen.

Die belangte Behörde machte in ihrer Gegenschrift geltend, daß im Rückzahlungsantrag die Bemessungsgrundlage nicht bemängelt und ausschließlich die Rückzahlung des GESAMTEN abgebuchten Betrages begehrt wurde, sodaß das diesbezügliche Vorbringen eine unzulässige Neuerung darstelle.

Gemäß § 14 (1) der Abbuchungs- und Einziehungsverordnung, BGBl Nr.599/1989, ist § 30 GGG auch auf Gerichtsgebühren anzuwenden, die durch Abbuchung und Einziehung entrichtet werden. Gemäß § 30 Abs. 2 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde. Abs. 3 dieser Bestimmung sieht vor, daß der Kostenbeamte die Rückzahlung VON AMTS WEGEN oder auf Antrag der Partei, die die Gebühr entrichtet hat, verfügen muß. Hält der Kostenbeamte den Rückzahlungsanspruch nicht für begründet, dann entscheidet über den Rückzahlungsantrag der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz mit Bescheid.

Bei dieser Entscheidung über den Rückzahlungsantrag, welche zufolge der Erklärung des Kostenbeamten durch die belangte Behörde zu erfolgen hatte, hätte AMTSWEGIG geprüft werden müssen, ob überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde; dadurch, daß die belangte Behörde diese Prüfung nur unzureichend vornahm und daher nicht erkannte, daß eine überhöhte Bemessungsgrundlage herangezogen wurde, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Allein aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992160178.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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