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L55004 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Oberösterreich;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der B-GesmbH in H, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Mai 1993, Zl. N-102711/Kü-1993, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung und Wiederherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben, soweit mit ihm der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für eine Schotterentnahme abgewiesen wurde.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Mai 1993 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für eine Schotterentnahme auf dem Grundstück Nr. 2846 abgewiesen. Gleichzeitig wurde der beschwerdeführenden Partei aufgetragen, die ohne Bewilligung eröffnete Schottergrube auf dem genannten Grundstück mit inertem Material wieder aufzufüllen.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der angewendeten Gesetzesbestimmungen im wesentlichen aus, aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Amtssachverständigengutachten ergebe sich, daß durch den Schotterabbau eine Störung des Naturhaushaltes durch Beeinträchtigung des Gesteinskörpers bewirkt werde. Durch die Materialentnahme würden die im intakten Gesteinskörper vorhandenen Filter-, Austausch- und Neubildungsprozesse herabgesetzt bzw. vollständig unterbrochen. So könnten Niederschläge oder sonstige Flüssigkeiten rasch im grobporigen Sediment, dem die schützende Bodenauflage und Vegetationsdecke mit ihrer erhöhten Rückhalt-, Filter-, Puffer- oder Austauschkapazität fehle, versickern und zum Grundwasser vordringen. Die Gefahr von Grundwasserverunreinigungen werde dadurch um ein Vielfaches erhöht. Auch durch die Beseitigung dieser geschaffenen Schichtlücken durch Wiederauffüllung ließen sich Eingriffe in den Gesteinskörper nicht rückgängig machen, weil sich die eingelagerten Sedimente durch ihre stoffliche Zusammensetzung, ihre physikalischen Eigenschaften, durch die Lagerung, Dichte und dgl. wesentlich vom ursprünglichen Material unterschieden. Sie bildeten Fremdkörper, die u.a. die Austausch-, Filter- oder Neubildungsvorgänge behinderten oder gar unterbänden und jedenfalls anders geartete ökologische Bedingungen hervorriefen. Insgesamt erwiesen sich die Veränderungen im Gesteinskörper als irreversible Beeinträchtigung, wobei durch die vorübergehende Offenlegung eine wesentliche Verschmutzungsgefährdung hervorgerufen werde. Die Einwirkungen und Veränderungen beschränkten sich nicht auf die Fläche der aufgeschlossenen Gesteinspartien, sondern die ausgelösten Wandlungen würden zum Teil weit über den engen Abgrabungsbereich hinaus wirksam. Aus dem Gutachten des Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz ergebe sich somit, daß auch durch Auflagen und Bedingungen die Schädigung des Naturhaushaltes, die durch den Schotterabbau eintreten würde, nicht auszuschließen oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken sei. Der Landesbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz habe in seiner ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten klar festgestellt, daß vom Begriff "Naturhaushalt" auch der Wasserhaushalt und somit das Grundwasser umfaßt seien. Auf Grund dieser Gutachtensausführungen sei seitens der belangten Behörde davon auszugehen, daß durch den beantragten Schotterabbau maßgebliche Störungen des Naturhaushaltes auftreten würden. Beizupflichten sei dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, daß durch jeden Schotterabbau Eingriffe in die Gesteinsformation erfolgten. Entgegen dem Berufungsvorbringen habe es jedoch der Landesbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz nicht unterlassen, anzuführen, auf Grund welcher besonderen Umstände im gegenständlichen Fall die Bewilligung des beantragten Schotterabbaues nicht erteilt werden könne. Er stelle in seinem Gutachten u.a. fest, daß für die Beurteilung eventueller Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes die Tatsache relevant sei, daß der Bereich der Niederterrassenschotter der unteren Agerrinne als besonders durchlässig bekannt sei und daß die verfahrensgegenständliche Fläche unmittelbar an der Südgrenze des Grundwasserschongebietes zum Schutz des Einzugsgebietes des Brunnens Winkel der Wasserversorgungsanlage der Stadt Schwanenstadt liege. Im Lichte der Ausführungen des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen könne nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß durch den verfahrensgegenständlichen Schotterabbau auf dem Grundstück Nr. 2846 der Naturhaushalt in einer Weise geschädigt werde, die dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderlaufe. Diesem öffentlichen Interesse komme im Hinblick auf die schwerwiegende Schädigung des Naturhaushaltes und dem mit dem beantragten Schotterabbau verbundenen Risiko der Grundwasserbeeinträchtigung einer überregionalen Brunnenanlage sehr hohe Wertigkeit zu. Eine Interessenabwägung ergebe, daß die privaten Interessen, die für eine Verwirklichung des Schotterabbaues sprächen, das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz nicht überwiegen könnten.
Da eine naturschutzbehördliche Bewilligung für den Schotterabbau nicht erteilt werden könne und für einen naturschutzehördlichen Wiederherstellungs- und Entfernungsauftrag alleinige Voraussetzung die Tatsache sei, daß bewilligungspflichtige Vorhaben konsenslos durchgeführt worden seien, sei zwingend ein Wiederherstellungsauftrag zu erteilen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, der die Bewilligungen nach dem oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982, LGBl. Nr. 80
(O.ö. NSchG 1982), regelnde § 10 gelte lediglich für eine naturschutzrechtliche Betrachtungsweise, nicht aber für eine wasserrechtliche, abfallwirtschaftliche, gewerberechtliche oder baurechtliche, da es hiefür eigene Spezialgesetze und Verfahren gebe. Eine naturschutzrechtliche Bewilligung für einen Schotterabbau könne nur versagt werden, wenn es sich um eine qualifizierte Störung des Naturhaushalts handle. Die belangte Behörde habe sich mit diesen Fragen im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt. Sie habe ihre Entscheidung auf das Gutachten des Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz gestützt, obwohl dieses mit dem Gutachten des Bezirksbeauftragten, welches die Naturschutzbehörde erster Instanz eingeholt habe, zu 100 % kollidiere. Der Landesbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz behaupte, durch das Schotterabbauvorhaben werde der Naturhaushalt gestört. Der Begriff "Naturhaushalt" werde im O.ö. NSchG 1982 nicht definiert. Nicht jeder Eingriff in die Natur sei auch ein Eingriff in den Naturhaushalt. Der Begriff "Haushalt" habe aber begrifflich mit der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben zu tun. Eine solche Gegenüberstellung fehle sowohl im Gutachten des Landesbeauftragten als auch im angefochtenen Bescheid. In seiner Ergänzung zum Gutachten habe der Landesbeauftragte zwar zur Erklärung des Begriffes Naturhaushalt eine Vielzahl von Fremdwörtern verwendet, die aber für einen einfachen Rechtsanwender unverständlich seien und offenbar nur darüber hinwegtäuschten, daß auch der Sachverständige den Begriff nicht definieren könne. Eine Schotterentnahme stelle begrifflich - und daher immer - einen Eingriff in die Gesteinsformation dar. Notgedrungenerweise entblöße bei der Eröffnung einer Schotterentnahmestelle die Entfernung des Humus die darunterliegenden Gesteinsschichten, setze sie Niederschlägen und Erosionen aus, verändere das Gesteinsgefüge etc. Da aber Schotterentnahmestellen nicht von vornherein untersagt seien, sondern nur einer Bewilligung bedürften, bedeute dies, daß diese "normalen" Störungen vom Gesetzgeber in Kauf genommen würden. Selbstverständlich würden durch die Materialentnahme die Filter-, Austausch- und Neubildungsprozesse nur kurzfristig unterbrochen. Das sei aber bei jeder Schottergrube so. Eine Verringerung der Überlagerung des Grundwassers könne theoretisch zur Gefahr einer Grundwasserverunreinigung führen. Dies sei theoretisch bei jeder Schotterentnahme so. Ob diese Gefahr im Beschwerdefall gegeben sei, sei nicht geprüft worden. Für eine Beeinträchtigung des Brunnens Winkel lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Auch die Interessenabwägung sei nicht dem Gesetz entsprechend erfolgt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I.
Zum Wiederherstellungsauftrag:
Nach § 39 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 kann die Behörde, wenn bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausgeführt oder in Bewilligungen verfügte Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht eingehalten wurden, unabhängig von einer Bestrafung nach § 37 demjenigen, der rechtswidrig das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen, oder dessen Rechtsnachfolger mit Bescheid auftragen, binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist auf seine Kosten den vorherigen Zustand wiederherzustellen bzw. den bescheidmäßigen Zustand herzustellen oder, wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer Weise abzuändern, daß Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.
Nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. h O.ö. NSchG 1982 bedarf im Grünland (§ 18 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz bzw. § 69 Abs. 3 O.ö. Bauordnung) die Eröffnung und die Erweiterung von Steinbrüchen, von Sand-, Lehm- oder Schotterentnahmestellen - ausgenommen jeweils eine Entnahmestelle bis zu einer Größe von 1.000 m2 für den Eigenbedarf eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes - einer naturschutzbehördlichen Bewilligung.
Unbestritten ist, daß die beschwerdeführende Partei auf dem im Grünland gelegenen Grundstück Nr. 2846 eine Schotterentnahmestelle eröffnet hat, die nicht für den Eigenbedarf eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes dient, ohne die hiefür erforderliche naturschutzbehördliche Bewilligung zu haben. Damit waren die Voraussetzungen für einen Wiederherstellungsauftrag nach § 39 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 erfüllt. Die belangte Behörde hat daher der beschwerdeführenden Partei zu Recht einen solchen Auftrag erteilt. Die beschwerdeführende Partei bringt auch nichts vor, was gegen die Gesetzmäßigkeit dieses Auftrages spräche.
II:
Zur Abweisung des Antrages auf Erteilung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Schotterentnahme:
Nach § 10 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 ist eine Bewilligung gemäß den §§ 4, 7 oder 8 oder die in einer auf Grund einer dieser Bestimmungen erlassenen Verordnung vorgesehen ist, zu erteilen,
a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wurde, weder den Naturhaushalt oder die Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Pflanzen- und Tierarten in einer Weise schädigt, noch den Erholungswert der Landschaft in einer Weise beeinträchtigt, noch das Landschaftsbild in einer Weise stört, die dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft oder
b) wenn öffentliche oder private Interessen am beantragten Vorhaben das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz überwiegen.
Ansonsten ist eine Bewilligung zu versagen.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde ihren Bescheid nicht darauf gestützt, daß das Schotterabbauvorhaben der beschwerdeführenden Partei die Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Pflanzen- und Tierarten in einer Weise schädigt, den Erholungswert der Landschaft in einer Weise beeinträchtigt oder das Landschaftsbild in einer Weise stört, die dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft. Die belangte Behörde stützt die Versagung der naturschutzbehördlichen Bewilligung auf die Annahme, das Schotterabbauvorhaben schädige den Naturhaushalt in einer Weise, die dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft.
Was unter "Naturhaushalt" zu verstehen ist, ist im O.ö. NSchG 1982 nicht definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zum Salzburger Naturschutzgesetz 1977 ergangenen Erkenntnis vom 20. Mai 1985, Zl. 85/10/0029, auf die Definition dieses Begriffes in der Brockhaus-Enzyklopädie, 17. Auflage,
13. Band, S. 241, zurückgegriffen. Diesselbe Vorgangsweise bietet sich auch im vorliegenden Fall an. Demnach ist unter Naturhaushalt das Wirkungsgefüge der biotischen und abiotischen Faktoren der Natur zu verstehen. Was unter den biotischen und abiotischen Faktoren zu verstehen ist, hat der Landesbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz in seiner ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten erläutert. Demnach sind damit Faktoren wie Geologie, Klima, Boden, Oberflächen- und Bodenwasser, Sickerwasser, Grundwasser, Vegetation und dgl. gemeint. Die Eröffnung einer Schotterentnahmestelle kann daher durchaus zu einer Schädigung des Naturhaushaltes führen.
Maßgeblich für die Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung nach § 10 Abs. 1 lit. a ist, ob ein Vorhaben den Naturhaushalt in einer Weise schädigt, die dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft.
Was unter dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zu verstehen ist, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982. Nach dieser Bestimmung hat das O.ö. NSchG 1982 zum Ziel, die heimische Natur und Landschaft in ihren Lebens- oder Erscheinungsformen zu erhalten, sie zu gestalten und zu pflegen und dadurch dem Menschen eine ihm angemessene bestmögliche Lebensgrundlage zu sichern (öffentliches Interesse am Natur- und Landschaftsschutz).
Die belangte Behörde hat eine dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderlaufende Schädigung des Naturhaushaltes darin erblickt, daß durch die Schotterentnahmestelle der beschwerdeführenden Partei die Gefahr von Grundwasserverunreinigungen um ein Vielfaches erhöht würde. Das wirft die Frage auf, ob der Schutz des Grundwassers vor Verunreinigung eine Aufgabe des Naturschutzes ist oder ob nicht etwa eine Angelegenheit des Wasserrechts vorliegt.
Das auf der Kompetenzgrundlage des Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG (Wasserrecht) ergangene Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) handelt in seinem dritten Abschnitt (§§ 30 bis 37) "von der Reinhaltung und dem Schutz der Gewässer".
Der mit "Ziel und Begriff der Reinhaltung" überschriebene § 30 bestimmt in seinem Abs. 1, daß alle Gewässer einschließlich des Grundwassers im Rahmen des öffentlichen Interesses und nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen so reinzuhalten sind, daß die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet, Grund- und Quellwasser als Trinkwasser verwendet, Tagwässer zum Gemeingebrauch sowie zu gewerblichen Zwecken benutzt, Fischwässer erhalten, Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und sonstige fühlbare Schädigungen vermieden werden können.
Zur Erreichung dieses Zieles sieht das WRG 1959 einerseits allgemeine Reinhaltungspflichten vor, die von jedermann zu befolgen sind, ohne daß es des Dazwischentretens einer behördlichen Entscheidung bedarf, zum anderen statuiert es eine Reihe von Bewilligungspflichten. Bewilligungspflichtig ist insbesondere auch der Abbau von Schotter, wobei als Bewilligungstatbestände insbesondere § 32 (bei Schotterentnahme im Grundwasserbereich) und § 31c (bei Schotterentnahmen außerhalb des Grundwasserbereiches) in Betracht kommen. Daß die Bestimmungen des dritten Abschnittes des WRG 1959 grundsätzlich dem Kompetenztatbestand Wasserrecht zuzuordnen sind, kann nicht zweifelhaft sein.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann, da die Bundesverfassung konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen nicht vorsieht, ein und dieselbe Materie nur einem einzigen Komptenztatbestand zugeordnet werden (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 1. März 1982, VfSlg. 9337). Die inhaltliche Gestaltung und Zuweisung von Kompetenzen ist eine exklusive und trennscharfe. Der Grundsatz der Exklusivität und Trennschärfe bleibt nicht auf Regelungskomplexe in ihrer Gesamtheit beschränkt, sondern ist in "mikroskopischem" Sinne auf jede einzelne generelle und individuelle Regelung und Maßnahme zu beziehen. Es gilt also das Prinzip der Spezialität, das eine kompetenzrechtliche Beurteilung im Detail und "nach strenger Rechnung" erfordert (Funk, Leistungsmängel der bestehenden Kompetenzverteilung, in: Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst (Hrsg.), Neuordnung der Kompetenzverteilung in Österreich, S. 86). Eine Abschwächung erfährt das Prinzip der Exklusivität und Trennschärfe dort, wo einzelne Vorschriften eines Gesetzes, die, isoliert betrachtet, einer anderen Gesetzgebungsautorität zuzuordnen wären, lediglich begleitende Nebenbestimmungen sind, die für die Hauptregelung erforderlich erscheinen. Derartige begleitende Nebenbestimmungen folgen der Kompetenz der Hauptregelung (vgl. die Erkenntnisse des VfGH vom 3. Dezember 1976, VfSlg. 7936 und vom 26. März 1977, VfSlg. 8035). Ähnliches gilt dort, wo die Zuordnung zu einem bestimmten Komptenzbereich nach dem Prinzip der größeren Nähe, d.h. des überwiegenden Inhalts, vorzunehmen ist (vgl. Funk, a.a.O., S. 86 und die dort angegebene Rechtsprechung).
In einem gewissen Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Exklusivität und Trennschärfe steht schließlich auch das Berücksichtigungsprinzip, das eine Bedachtnahme auf kompetenzfremde Belange in Gesetzgebung und Vollziehung nicht nur erlaubt, sondern unter Umständen sogar gebietet. Die Befugnis (und Pflicht), die Interessen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zu berücksichtigen, darf aber nicht dazu mißbraucht werden, die der anderen Gebietskörperschaft obliegende Regelung selbst vorzunehmen (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 3. Dezember 1984, VfSlg. 10292).
Der Grundsatz der Kompetenztrennung schließt es allerdings nicht aus, daß bestimmte Sachgebiete nach verschiedenen Gesichtspunkten von verschiedenen Kompetenzträgern geregelt werden (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 1. März 1982, VfSlg. 9337).
Wendet man diese von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so ergibt sich folgendes:
Die Bestimmungen des 3. Abschnittes des WRG 1959 über den Gewässerschutz bezwecken u.a. den Schutz des Grundwassers vor Verunreinigung; dies auch aus dem Grund, um eine Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier hintanzuhalten und die Verwendbarkeit von Grundwasser als Trinkwasser zu gewährleisten. Dem selben Ziel würden aus denselben Gründen auch die §§ 4 und 10 O.ö. NSchG 1982 dienen, wenn diese Bestimmungen den Inhalt hätten, den ihnen die belangte Behörde zumißt. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, daß es spezifisch naturschutzrechtliche, von den wasserrechtlichen verschiedene Gesichtspunkte für den Grundwasserschutz gibt. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde solche aber nicht aufgezeigt; die für die Versagung der Bewilligung ins Treffen geführten Umstände betreffen ausschließlich wasserrechtliche Aspekte. Es liegt auch kein Fall vor, wo eine grundsätzlich dem Wasserrecht zuzuordnende Regelung so eng mit den primär vom Naturschutzrecht zu regelnden Angelegenheiten zusammenhängt, daß die naturschutzrechtliche Regelung ohne die wasserrechtliche nicht bestehen könnte. Eine Regelung typisch wasserrechtlicher Angelegenheiten durch das Naturschutzrecht ginge auch über die zulässige Bedachtnahme auf kompetenzfremde Angelegenheiten hinaus. Demnach läge ein Eingriff in Bundeskompetenzen vor. Eine zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung verbietet aber § 2 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982. Danach kommt Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit sie den Zuständigkeitsbereich des Bundes berühren, keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung zu. Das O.ö. NSchG 1982 ist daher so auszulegen, daß Überschneidungen mit Bundeskompetenzen vermieden werden. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß mangels erkennbarer spezifisch naturschutzrechtlicher Gesichtspunkte die von der beschwerdeführenden Partei beantragte Bewilligung zur Schotterentnahme nicht allein mit der Begründung versagt werden darf, es würde dadurch die Gefahr einer Grundwasserverunreinigung eintreten, da es sich dabei um Belange des Wasserrechts, nicht des Naturschutzes handelt.
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid, soweit mit ihm die Bewilligung zur Schotterentnahme versagt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
An Stempelgebühren waren lediglich S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen und S 150,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen B-VG sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993100153.X00Im RIS seit
12.11.2001