Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des G in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Dezember 1992, Zl. 314.305/4-III/3/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage; mitbeteiligte Partei: E-Gesellschaft m.b.H. & Co KG in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 13. November 1991, Zl. 5/02-728/12-1991 als unzulässig zurückgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Dezember 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers insoweit, als sie sich gegen Spruchteil I des Bescheides des Landeshauptmannes von Salzburg vom 13. November 1991 richtete, gemäß § 359 Abs. 4 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 und insoweit sie sich gegen Spruchteil VII dieses Bescheides richtete, gemäß § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Soweit sie sich gegen die Spruchteile II, III und IV richtete, wurde sie "im Grunde der in diesen Spruchteilen angeführten Gesetzesstellen" als unbegründet abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß im Spruchteil I dieses Bescheides die Berufung unter anderem des Beschwerdeführers betreffend "Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub und Geruch sowie seelische Beeinträchtigungen" durch die, der mitbeteiligten Partei seitens der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg genehmigte Betriebsanlage (Errichtung und Betrieb eines Lagerplatzes für Natursteine und zur Ausstellung von Grabsteinen) als unbegründet abgewiesen und im Spruchteil VII die unter anderem vom Beschwerdeführer bei der Berufungsverhandlung erhobenen Einwendungen betreffend "die Verunreinigung des Grundwassers und die Gefahr der Beschädigung des Kanals" durch diese Betriebsanlage zurückgewiesen worden seien. Im Spruchteil II dieses Bescheides sei die Berufung des Beschwerdeführers, "soweit sie das Verbot des Errichtens der Betriebsanlage durch Rechtsvorschriften" betreffe, im Spruchteil III, soweit sie "die Gefährdung von Eigentum durch Minderung des Wertes der Nachbarliegenschaften" betreffe und im Spruchteil IV, soweit sie "die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der öffentlichen Zufahrtsstraße" betreffe, als unzulässig zurückgewiesen worden. Soweit sie schließlich "Vereinbarungen mit der Marktgemeinde Mauterndorf" betreffe, sei sie im Spruchteil IV dieses Bescheides auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Der - an die belangte Behörde gerichtete - Berufungsschriftsatz des Beschwerdeführers enthalte zu Spruchteil I lediglich Ausführungen zu jenen Passagen des vom Landeshauptmann eingeholten medizinischen Gutachtens, das sich mit der ästhetischen Wirkung von Grabsteinen auf den gesunden, normal empfindenden Menschen auseinandersetze. Es bewege sich daher das Vorbringen des Beschwerdeführers zu Spruchteil I zur Gänze außerhalb jenes Bereiches, bezüglich dessen im erstinstanzlichen Verfahren Parteistellung begründet worden sei. In diesem sei nämlich nur auf Lärm- und Staubbelästigungen Bezug genommen worden, sodaß das Berufungsvorbringen mangels diesbezüglichen Berufungsrechtes zurückzuweisen gewesen sei. Die Berufungsausführungen zu Spruchteil VII ließen schließlich keinen Zusammenhang mit der, vom zweitinstanzlichen Bescheid ausgesprochenen Zurückweisung erkennen. Dieses Vorbringen gehe vielmehr am Thema des Spruchteiles VII (der formellen Zurückweisung) gänzlich vorbei, sodaß bereits mangels Vorliegens eines begründeten Berufungsantrages die Zurückweisung auszusprechen gewesen wäre. Zwar sei bei der Auslegung des Merkmales des "begründeten Berufungsantrages" kein strenger Maßstab anzulegen, es fehle aber an diesem Merkmal, wenn eine Eingabe nicht einmal eine Andeutung darüber enthalte, worin eine Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides gelegen sein solle. Eine solche Andeutung fehle "naturgemäß" immer auch dann, wenn das gegen einen Bescheid gerichtete Berufungsvorbringen sich auf eine "stereotype Wiederholung des bereits früher Vorgebrachten - ohne erkennbare Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Bescheid -", beschränke.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich (erkennbar) in dem Recht auf inhaltliche Erledigung seines Berufungsvorbringens verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, die von ihm gegen den zweitinstanzlichen Bescheid rechtzeitig erhobene Berufung sei von der belangten Behörde "im Grunde des § 63 Abs. 3 AVG 1990 als unzulässig zurückgewiesen" worden. Der Beschwerdeführer habe - "wenn auch nicht mit der nötigen Präzision" - in seiner Berufung die Frage der Flächenwidmung und die Frage der Zumutbarkeit des Maßes der von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen releviert, sodaß eine Zurückweisung jedenfalls rechtswidrig sei. Der Beschwerdeführer erachte sich in seinen Rechten verletzt, da die belangte Behörde von der Annahme ausgegangen sei, daß Fragen der Flächenwidmung nicht zu berücksichtigen seien. Er verkenne durchaus nicht, daß dem Nachbarn ein subjektives Recht auf "Handhabung von Verbotsnormen" nicht zuerkannt werde. Es dürfe ihm aber erlaubt sein, ins Treffen zu führen, daß die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte durch nichts besser geschützt werden könnten, als durch Verbotsnormen wie etwa das Bauverbot im Grünland, was auch in der Literatur bestätigt werde. Eine diesbezügliche Auseinandersetzung mit der Flächenwidmung unter Berücksichtigung des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO sei allerdings im vorliegenden Verfahren unterblieben. Diese inhaltliche Auseinandersetzung mit der Flächenwidmung hätte nämlich ergeben, daß die Betriebsanlage in einem Wohn- und Erholungsgebiet liege, was zur Beurteilung der Frage, ob infolge der Qualität der örtlichen Verhältnisse das Ist-Maß der Lärmimmissionen beibehalten werden solle oder ob unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse die von den Sachverständigen erhobenen und festgestellten Anhebungen tatsächlich den Anrainern zumutbar seien. Gerade in Wohn- und Erholungsgebieten könnte und sollte die Behörde zwecks Wahrung der Qualität der örtlichen Verhältnisse das Ist-Maß beibehalten, zumindest aber "wäre eine Begründung" erforderlich, daß die "Erhöhung der Lärmimmissionen" nicht zu einem solchen Ausmaß führe, das dem Zweck eines Wohn- und Erholungsgebietes widerspreche.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 - in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblichen Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - steht im Verfahren betreffend die Genehmigung von Betriebsanlagen das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind. Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind im Verfahren gemäß Abs. 1 (betreffend Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage) - die Ausnahme des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1973 kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Eine dem § 356 Abs. 3 GewO 1973 entsprechende Einwendung liegt dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem Vorbringen des Nachbarn muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist; das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Wer eine solche Einwendung rechtzeitig erhebt, erlangt - im Rahmen dieser Einwendung - als Nachbar Parteistellung (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/04/0008).
Gemessen an dieser Rechtslage erlangte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen vom 7. Oktober 1990 im Rahmen der Alternativtatbestände "Lärm" und "Staub" Parteistellung und stand ihm auch in diesem Umfang das Berufungsrecht zu. Aus welchen Gründen ein solcherart zur Berufung Berechtigter den mit diesem Rechtsmittel angefochtenen Bescheid für rechtswidrig hält, ist für die Frage der Zulässigkeit dieser Berufung allerdings ohne Belang. Denn weder folgt aus dem Erfordernis des § 63 Abs. 3 AVG, wonach die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, daß die Begründung auch stichhaltig sein müsse (vgl. z.B. die hg. Erkenntisse vom 2. Oktober 1967, Zl. 1234/67 und vom 22. Dezember 1992, Zl. 92/04/0202), noch läßt sich dem § 359 Abs. 4 GewO 1973 entnehmen, daß eine Berufung, die nicht im Rahmen des - Parteistellung vermittelnden - erstinstanzlichen Vorbringens begründet wird, als unzulässig anzusehen wäre. Vielmehr vermag selbst eine - aus objektiver Sicht - ganz und gar unzutreffend begründete Berufung die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht zu bewirken.
Auch ist es keineswegs so, daß die Berufungsbehörde an die in der Berufung vorgebrachten Gründe gebunden, sie also zur Prüfung des angefochtenen Bescheides nur im Rahmen der vorgebrachten Gründe ermächtigt wäre. Vielmehr wird durch eine zulässige und rechtzeitig eingebrachte Berufung die Befugnis der Berufungsbehörde zur Entscheidung in der Sache gemäß § 66 Abs. 4 AVG, d.h. in der Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des mit der Berufung bekämpften Bescheides der Unterinstanz gebildet hat, begründet.
Es vermag daher der Umstand, daß sich das zur Begründung der Berufung erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers - soweit es gegen Spruchteil I gerichtet war - "zur Gänze außerhalb jenes Bereiches" bewegte, "bezüglich dessen im erstinstanzlichen Verfahren Parteistellung begründet wurde" ebensowenig die Unzulässigkeit der Berufung zu bewirken, wie der Umstand, daß das Berufungsvorbringen gegen Spruchteil VII des zweitinstanzlichen Bescheides "an dessen Thema ... gänzlich vorbeigeht". Die belangte Behörde hat somit in Verkennung der Rechtslage eine Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers ausgesprochen und dadurch den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993040039.X00Im RIS seit
20.11.2000