TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/28 93/04/0035

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Veröffentlicht am 28.06.1994
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Index

L71069 Marktordnungen Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §368 Z16;
MO Wr 1976 §10 Z4;
MO Wr 1976 §64 Z10;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Dezember 1992, Zl. MA 63 - R 30/92/Str, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Dezember 1992 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, am 10. Februar 1990 um

14.30 Uhr und am 17. Februar 1990 um 9.00 Uhr - wie an diesen Tagen von Organen der Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung für den 4 bis 7 Bezirk festgestellt worden sei - in Wien, Flohmarkt, auf dem Marktplatz Nr. X, nicht zugelassene Waren, nämlich neun Kisten mit auf Karton aufgenähten neuwertigen Knöpfen feilgeboten und verkauft zu haben. Sie habe dadurch § 64 Z. 10 i.V.m. § 10 Z. 4 der Marktordnung 1976 in der geltenden Fassung i.V.m. § 368 Z. 16 GewO 1973 verletzt und es werde wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 368 Einleitungssatz GewO 1973 über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,--, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 24 Stunden verhängt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die von der Beschwerdeführerin feilgehaltenen und verkauften Knöpfe hätten nach den unbedenklichen Angaben des Anzeigelegers keine deutlichen Anzeichen einer Abnützung durch Gebrauch oder einer Alterung durch längere Lagerung oder Witterung aufgewiesen. Da Knöpfe aber nur dann als Altwaren angesehen werden könnten, wenn sie äußerlich als solche erkennbar seien, d.h. derartige Anzeichen aufwiesen, seien daher die verfahrensgegenständlichen Knöpfe - unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Herstellung - als neuwertig anzusehen, weshalb auch die von der Beschwerdeführerin beantragten Beweisaufnahmen zur Feststellung des Alters der Knöpfe hätten unterbleiben können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens sowie auf rechtmäßige Anwendung des § 10 der Marktordnung 1976 verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, sie habe im Berufungsverfahren vorgebracht, daß die von ihr seit "unzähligen Jahren" am Flohmarkt verkauften Knöpfe von ihr bzw. von ihren Familienmitgliedern in jahrelanger Arbeit gesammelt, von Altbekleidungsstücken abgeschnitten oder über eine Textilverwertungsfirma beschafft worden seien. Auch die von der Textilverwertungsfirma erhaltenen Knöpfe seien alte und gebrauchte Knöpfe, da sich das betreffende Unternehmen mit der Verwertung von alten Kleidungsstücken beschäftige. Die Berufungsbehörde sei jedoch auf die diesbezüglichen Beweisanträge, nämlich die Familienmitglieder der Beschwerdeführerin über die Herkunft der Knöpfe zu befragen und ein Sachverständigengutachten über die "bereits erfolgte Verwendung" der von der Beschwerdeführerin feilgebotenen Knöpfe einzuholen, nicht eingegangen. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides wendet sich die Beschwerdeführerin schließlich gegen die Auslegung des Begriffes "Altwaren kleineren Ausmaßes" im § 10 Z. 4 der Marktordnung 1976 durch die belangte Behörde, wonach Knöpfe nur dann als Altwaren angesehen werden könnten, wenn sie äußerlich als solche zu erkennen wären, wobei die äußere Erkennbarkeit deutliche Anzeichen einer Abnützung durch Gebrauch oder einer Alterung durch längere Lagerung oder Witterungseinflüsse aufweisen müsse.

Die Beschwerde ist berechtigt:

Gemäß dem - im Beschwerdefall anzuwendenden - § 10 Z. 4 der Marktordnung für die Stadt Wien (Marktordnung 1976) sind auf dem Flohmarkt als Marktgegenstände zugelassen: handgefertigte kunstgewerbliche Gegenstände, Kunstgegenstände geringeren Wertes, gebrauchte Bücher, Schriften, Fotos, Altwaren kleineren Ausmaßes, gebrauchte Textilien und Schuhe sowie alte Münzen und Medaillen.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob es sich bei den von der Beschwerdeführerin auf dem Flohmarkt feilgebotenen und verkauften Knöpfen um "Altwaren kleineren Ausmaßes" im Sinne des § 10 Z. 4 der Marktordnung 1976 handelte. Der belangten Behörde ist zwar darin zuzustimmen, daß Knöpfe, die "deutliche Anzeichen einer Abnützung durch Gebrauch oder einer Alterung durch längere Lagerung oder Witterungseinflüsse aufweisen", jedenfalls dem Begriff der Altwaren zuzuzählen sind. Verfehlt ist jedoch die Auffassung, daß ausschließlich solcherart deutlich erkennbar abgenützte oder gealterte Knöpfe diesem Begriff subsumiert werden könnten. Vielmehr fallen nach dem Wortlaut des Begriffes "Altwaren" alle Gegenstände darunter, die, weil sie schon benützt wurden oder aus anderen Gründen, als den Gebrauch, etwa durch langes Liegen in der Auslage, den Wechsel der Mode etc. den Charakter und Wert eines neuen Erzeugnisses eingebüßt haben (vgl. dazu Heller"s Kommentar zur Gewerbeordnung I2 herausgegeben von Laszky-Nathansky (1937) 469 f). Daß diese Eigenschaft aber auch deutlich erkennbar sein muß, läßt sich dem Begriff "Altwaren" nicht entnehmen. Es vermag im Gegenteil die - auf die Beseitigung von Spuren des Gebrauches oder der Alterung abzielende - Restaurierung einer gebrauchten Sache nichts daran zu ändern, daß es sich dabei um eine "alte" Sache handelt. Deutlich erkennbare Abnützungs- oder Alterungsspuren mögen daher ein Indiz für die Altwareneigenschaft eines Gegenstandes sein. Ihr Fehlen schließt es aber keineswegs aus, daß einem Gegenstand dennoch die Altwareneigenschaft zukommt. Aus welchen Gründen dies bei Knöpfen anders sein sollte, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen und es wird dies im angefochtenen Bescheid auch nicht näher dargetan. Daß aber die Knöpfe aus anderen Gründen Altwareneigenschaft nicht besäßen, wurde im angefochtenen Bescheid ebensowenig dargetan.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das die Umsatzsteuer und den Einheitssatz betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da es sich beim zuerkannten Schriftsatzaufwand um einen Pauschalbetrag handelt, der sämtliche mit der Einbringung der Beschwerde verbundenen Aufwendungen umfaßt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993040035.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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