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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1973 §74 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der E in P, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Dezember 1993, Zl. 305.925/1-III/A/2a/91, betreffend Erteilung einer Betriebsgenehmigung (mitbeteiligte Partei: Z-AG in P, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Punkt 4. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 1. Juli 1988 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 3. August 1988) wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung der gesamten Fabriksanlage in P auf näher bezeichneten Grundstücken nach Maßgabe der Projektsunterlagen, der Umweltverträglichkeitsprüfung, näher bezeichneter Gutachten und des Ergebnisses der Versuchsbetriebe unter Hinweis auf die im Spruch enthaltene Betriebsbeschreibung sowie unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Die Betriebsbewilligung wurde bis zur vollständigen Erfüllung der Auflagen vorbehalten und zur Beurteilung der Auswirkungen der Anlage ein Probebetrieb bis zum 30. Juni 1990 zugelassen. Die in "Abschnitt B/X, medizinische Auflagen", unter Punkt 7. vorgeschriebene Auflage hat folgenden Wortlaut:
"7. Geruchsimmissionen sind auf 5 % der Zeit eines Jahres (das sind etwa 438 Geruchs-Stunden) zu begrenzen."
Zur Begründung dieser Auflage verwies der medizinische Amtssachverständige in seinem in der Begründung dieses Bescheides wiedergegebenen Gutachten nach allgemeiner Darstellung der Wirkung von Geruchsimmissionen auf den menschlichen Körper und kurzer Wiedergabe der Geruchssituation in der Umgebung der in Rede stehenden Betriebsanlage auf einen "Erlaß des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen zur DA-Luft vom 14.10.1986", in dem Geruchsimmissionen wie folgt bewertet worden seien:
"Besondere Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung von Geruchsbelästigungen. Ob derartige Belästigungen als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, hängt nicht nur von der jeweiligen Immissionskonzentration, sondern auch von der Geruchsart, der tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Einwirkungen, dem Rhythmus, in dem die Belästigungen auftreten, der Nutzung des beeinträchtigten Gebietes, der historischen Entwicklung der unterschiedlichen Nutzungen (Industrie und Wohnsiedlung) und den Möglichkeiten zur Befolgung des Rücksichtnahmegebotes im Nachbarschaftsverhältnis ab. Im allgemeinen wird man davon ausgehen können, daß keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten sind, wenn der Geruchsschwellenwert in mindestens 97 % der Jahresstunden nicht überschritten wird und in der übrigen Zeit jedenfalls keine Ekel oder Übelkeit auslösenden Gerüche zu erwarten sind.
Das deutlich wahrnehmbare Auftreten belästigender Gerüche innerhalb eines Zeitraumes von mehr als 5 % der Jahresstunden ist dagegen stets als schädliche Umwelteinwirkung zu werten, wenn hiedurch Personen betroffen werden, die nicht nur vorübergehend derartigen Belästigungen ausgesetzt sind. Im übrigen kommt es auf eine abwägende Beurteilung im Einzelfall an; dabei ist auch die Verteilung von Geruchsereignissen auf einzelne Stunden zu berücksichtigen. Wird die Geruchsschwelle innerhalb einer Stunde nicht nur für geringfügige Zeitabschnitte deutlich überschritten, so ist diese Stunde bei der Ermittlung des Prozentsatzes der Jahresstunden voll anzurechnen."
Daraus folgerte der medizinische Amtssachverständige in Verbindung mit von ihm dargestellten empirischen Untersuchungsergebnissen, es sei auf Grund solcher empirischer Untersuchungsergebnisse zu erwarten, "daß es bei einer Geruchsdauer über 5 % der Zeit eines Jahres" zu Beschwerden aus der Bevölkerung, zu Störungen des Wohlbefindens und langfristig in der Folge zu Gesundheitsbeeinträchtigungen, wie psychischen Alterationen, Appetitlosigkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen - beim normal empfindlichen Durchschnittsmenschen - kommen könne. Um langfristig eine wesentliche Störung des Wohlbefindens mit den möglichen beschriebenen gesundheitlichen Folgen hintanzuhalten, sei "die Geruchsdauer" nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft auf 5 % der Zeit eines Jahres zu beschränken (das entspreche ca. 438 Geruchsstunden).
Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 18. Jänner 1990 und vom 14. Februar 1991 wurden der mitbeteiligten Partei jeweils die Genehmigung einzelner Änderungen der in Rede stehenden Betriebsanlage - wiederum unter Vorbehalt der Betriebsbewilligung - erteilt.
Mit Bescheid vom 14. Juni 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Judenburg der mitbeteiligten Partei über deren Ansuchen die gewerbebehördliche Betriebsbewilligung für die in Rede stehende Betriebsanlage unter Vorschreibung von insgesamt acht teils neuen, teils ergänzenden, teils abändernden Auflagen.
Aus Anlaß der gegen diesen Bescheid u.a. auch von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufungen schrieb der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 15. November 1991 (mit dem im übrigen der Berufung der mitbeteiligten Partei teilweise Folge gegeben und die Berufungen der Nachbarn teils ab-, teils zurückgewiesen wurden) an Stelle der im Genehmigungsbescheid vom 1. Juli 1988 unter Punkt 7. der medizinischen Auflagen vorgeschriebenen Auflage folgende Auflage vor:
"7. Firmenspezifische, STARK WAHRNEHMBARE Gerüche sind auf 3 % der Zeit und firmenspezifische, WAHRNEHMBARE Gerüche sind auf 8 % der Zeit eines Jahres zu begrenzen. In den 8 %
wahrnehmbaren, firmenspezifischen Gerüchen sind die 3 % stark
wahrnehmbaren, firmenspezifischen Gerüche enthalten."
Zur Begründung dieser Vorschreibung führte der Landeshauptmann aus, aus der Begründung des Genehmigungsbescheides vom 1. Juli 1988 und den Erhebungsprotokollen für die Geruchserhebung nach der modizfizierten Rastermethode sei ersichtlich, daß es sich bei den in der gegenständlichen Auflage des Genehmigungsbescheides vom 1. Juli 1988 genannten Geruchsimmissionen um die Kategorie "stark wahrnehmbare, firmenspezifische Gerüche" handle. Diese Differenzierung sei bereits bei den Erhebungsfahrten im Zeitraum 15. Februar 1988 bis 5. Mai 1988 getroffen worden und es hätten diese Ergebnisse Eingang in die Bescheiderlassung bzw. Bescheidbegründung gefunden. Festgehalten werde, daß zum damaligen Zeitpunkt die Geruchsimmission aus dem Pölsbach ebenfalls zu berücksichtigen gewesen sei, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Kläranlage des Abwasserverbandes Pöls bestanden habe. Auf Grund der bisher durchgeführten Geruchserhebungen in den Jahren 1988, 1989, 1990 und 1991 sei diese Grenze von 5 % der Zeit an stark wahrnehmbaren, firmenspezifischen Gerüchen in keinem einzigen Rasterpunkt überschritten worden. Es sei daher diese Auflage als sinngemäß erfüllt anzusehen. Die Festlegung von 5 % habe dem damaligen Stand der Forschung der Geruchsbeurteilung entsprochen. Dieser Erkenntnisstand habe im wesentlichen auf dem "Erlaß Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 52 vom 3.8.1984 (Durchführung der TA Luft)" beruht. Bei den Geruchserhebungsfahrten habe sich ergeben, daß außer den spezifischen, stark wahrnehmbaren Gerüchen auch wahrnehmbare, spezifische Gerüche festgestellt worden seien. Es erscheine daher notwendig, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen und die gesamten spezifischen wahrnehmbaren Gerüche mit 8 % zu begrenzen. Es sei daher auf Grund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und internationaler Diskussion zwischen stark wahrnehmbaren und wahrnehmbaren Gerüchen zu differenzieren, weshalb die in Rede stehende Auflage entsprechend zu modifzieren gewesen sei. Hiezu sei aus der Darstellung der Geruchserhebung im Raum P nach der modifizierten Rastermethode 1990/1991 (Pfeiffer), zu zitieren:
"Besondere Aufmerksamkeit muß den "stark wahrnehmbaren" Beobachtungen gewidmet werden, da für diese die Frage der Zumutbarkeit besonders bedeutsam wird. Bei diesen Erhebungen traten bei m = 28 Fahrten zu n = 19 Punkten insgesamt nur drei firmenspezifische, größer als 1 % "stark wahrnehmbare" Beobachtungen auf, d.h. von mindestens drei Beobachtern wurde unabhängig "stark wahrnehmbar" an drei Punkten zu Protokoll gegeben. Diese drei Wahrnehmungen verteilen sich wiederum auf das Holzlager (zweimal) und auf Allerheiligen (einmal). "Stark wahrnehmbare" Beobachtungen liegen somit überall unter der Grenze X % = 3 % (Abbildung 5)."
Es stelle daher die neu formulierte Auflage (insbesondere durch die Berücksichtigung der Intensität und Qualität bei der Geruchsimmission und eine Differenzierung in starke und wahrnehmbare Gerüche, sowie Herabsetzung des höchstzulässigen Prozentsatzes an "stark wahrnehmbaren" Gerüchen auf 3 %) eine Verbesserung des Nachbarschaftsschutzes dar, und es könne daher bei deren Einhaltung eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 ausgeschlossen werden.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 1993 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (neben anderen Erledigungen) in Spruchpunkt 4. die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 15. November 1991 erhobene Berufung ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte der Bundesminister zur Begründung dieses Spruchteiles aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Nachbar im Betriebsbewilligungsverfahren lediglich einen Rechtsanspruch darauf, daß er in seiner durch den Genehmigungsbescheid erworbenen Rechtsstellung nicht beeinträchtigt werde. Vorauszuschicken sei weiters, daß es nach wie vor kein objektives Meßgerät und keine objektive Maßeinheit für Gerüche gebe, sondern daß das Ermittlungsverfahren nach wie vor auf das zugegebenermaßen subjektive menschliche Riechorgan Nase angewiesen sei, wobei mit quantitativen und statistischen Methoden - wie im vorliegenden Verfahren - versucht werde, Empfindungen zu objektivieren. Die im (rechtskräftigen) Berichtigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom
3. Augst 1988 enthaltene Auflage, daß Geruchsimmission auf 5 % eines Jahres zu begrenzen seien, habe schon deshalb nicht aufrechterhalten werden können, da diese Auflage zu wenig präzise gefaßt sei, zumal bei wörtlicher Umsetzung dieser Auflage bei den Nachbarn Gerüche überhaupt nur während 5 % der Zeit des Jahres auftreten dürften. Dies würde allerdings auch bedeuten, daß nicht betriebsspezifische, nicht betriebskausale und nicht der Betriebsanlage zurechenbare Geruchsimmissionen darin mitenthalten seien. Dazu sei insbesondere auszuführen, daß in der Umgebung der Betriebsanlage auch andere Geruchsemittenten, wie die Landwirtschaft oder der Hausbrand vorhanden seien. Weiters gebe es Geruchsemissionen, die allenfalls - zumindest teilweise - betriebskausal, aber nicht der gegenständlichen Betriebsanlage zuzurechnen seien, weil sie außerhalb der Betriebsanlage emittiert würden. Durch die präzise gefaßte Auflage Punkt 7. seien die Nachbarn auch gegenüber dem mit dem Bescheid vom 3. August 1988 (richtig: 1. August 1988) festgelegten Zustand nicht schlechter gestellt, da aus der ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides ersichtlich sei, daß mit den mit 5 % eines Jahres begrenzten Geruchsimmissionen nur "stark wahrnehmbare firmenspezifische Gerüche" gemeint gewesen und diese nunmehr auf 3 % eines Jahres begrenzt worden seien, also sogar eine Besserstellung der Nachbarn erfolgt sei. Weiters seien auf Grund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse die Gerüche zwischen stark wahrnehmbaren und wahrnehmbaren Gerüchen zu differenzieren. Die ursprünglich nicht näher begrenzten, bloß wahrnehmbaren Gerüche seien nunmehr darüber hinaus mit 8 % der Jahresstunden begrenzt worden, sodaß diesbezüglich auch eine Verbesserung des Nachbarschutzes erfolgt sei. Schließlich sei darauf hinzuweisen, daß sich zusammenfassend aus einer umfassenden und eine wissenschaftliche Pionierleistung darstellenden Studie aus den Jahren 1990 bis 1991, die dem Ermittlungsverfahren der Behörde zweiter Instanz zugrunde gelegen sei, ergebe, daß die Geruchswahrnehmungen gegenüber der letzten Erhebung im Jahre 1989 um 30 % zurückgegangen seien, obwohl gegenüber der vorjährigen Erhebung jene Geruchserhebungspunkte ausgewählt worden seien, bei denen auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Geruchswahrnehmungen zu rechnen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen dessen Spruchpunkt 4., richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde "als unbegründet abzuweisen bzw. als unzulässig zurückzuweisen".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem "Recht auf Nachbarschutz insbesondere auf Schutz vor unzumutbaren Belästigungen und Schutz ihrer Forstbestände vor schädigenden Immissionen" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bekämpft die Beschwerdeführerin die Ansicht der belangten Behörde, durch die Änderung der in Rede stehenden Auflage sei ihre Rechtsstellung nicht nachteilig beeinflußt worden. Aus dem der ursprünglichen Vorschreibung zugrundeliegenden Gutachten gehe hervor, daß bei der Beurteilung eben jene Emissionsbelastungen zu berücksichtigen seien, die über das Maß der Merkbarkeit und damit dem Schwellenwert der Zumutbarkeit hinausgingen. Der merkbare Geruch werde nicht nur durch die Stärke, sondern auch durch den Zeitraum der Belastung zu einem unzumutbaren Geruch. Es sei somit bereits bei der Festlegung der Auflage im Bescheid vom 3. August 1988 (richtig: 1. August 1988) mit der 5 % Zeitbegrenzung klar gewesen, daß keinesfalls eine Unterscheidung zwischen leicht unzumutbaren und schwer unzumutbaren Gerüchen gegeben sein sollte. Eine solche Unterscheidung sei auch nach den gewerberechtlichen Vorschriften nicht vorgesehen. Eine Belastung könne allein nach einer Grenze der Zumutbarkeit beurteilt werden. Diese Grenze beginne an der Grenze der Merkbarkeit. Die Geruchsimmissionen der verfahrensgegenständlichen Anlage seien mit den Geruchsimmissionen der alten Anlage nicht vergleichbar und könnten daher keiner ortsüblichen Geruchsbelastung zugeordnet werden. Sie seien daher, wie der Beurteilung 1988 richtig zugrunde gelegt worden sei, bereits ab dem Zeitpunkt der Wahrnehmung hinsichtlich der Zumutbarkeit zu beurteilen. Es werde auch in der neu formulierten Auflage in keiner Weise definiert, welche Gerüche als stark wahrnehmbar und welche als wahrnehmbar mit der besonderen Qualifikation "firmenspezifisch" zu beurteilen seien. Für eine Exekutierbarkeit müßte aber bei einer getrennten Beurteilung nach Stärke und Geruchsart genau definiert sein, welche Gerüche der Betriebsanlage als spezifisch belastend zuzuordnen seien. Hier habe es die Behörde unterlassen, eine Definition festzulegen. Der Begriff "firmenspezifisch" sei grundsätzlich auch nicht zu differenzieren von gewissen Bereichen der landwirtschaftlichen Geruchsbelastung. Wie aus den Emissionsbeschreibungen hervorgehe, stelle der Bereich der Schwefelwasserstoffemission einen Problembereich dar. Schwefelwasserstoff sei jedoch auch ein Zersetzungsprodukt im Bereich der natürlichen landwirtschaftlichen Düngestoffe. Große Mengen lagernden Holzes bewirkten starke Geruchsemissionen, insbesondere bei Feuchtigkeit oder extremer Trockenheit. Besondere Geruchsemissionen ergäben sich im Bereiche der freien Holzschnitzellagerung. Hier insbesondere durch die betriebsmäßigen Oxydationsvorgänge im Inneren der großen Hackschnitzelhaufen. So gebe es eine Vielzahl von pölsspezifischen Geruchsemissionen, die im geringeren Umfang bereits bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gegeben seien. Die Immissionen dieser Betriebe würden durch die Geruchsemissionen der Betriebsanlage verstärkt und ergäben somit summierte Immissionbelastungen. Diese summierten Immissionbelastungen dürften jedoch ebenso keine unzumutbare Belastung der Nachbarschaft ergeben. Eine Trennung in spezifische und sonstige Immissionsbelastungen im Sinne der neu formulierten Auflage sei nicht möglich. Es sei daher die im ursprünglichen Genehmigungsbescheid enthaltene Formulierung der Auflage richtig gewesen. Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, auch die Unterlassung der Festlegung von Grenzwerten für NOx (Stickoxyd)-Emissionen stelle eine Verletzung ihres Eigentumsschutzes dar, da nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Stickoxyde immissionsseitig forstschädigende Wirkungen hätten und erhebliche NOx-Emissionen der Betriebsanlage gegeben seien.
Die mitbeteiligte Partei trägt in ihrer Gegenschrift vor, mit Rücksicht auf den durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, erfolgten Entfall der die Betriebsbewilligung regelnden Bestimmung des § 78 Abs. 2 GewO 1973 (alt) sei eine rechtliche Grundlage für ein Verfahren der vorliegenden Art nicht mehr gegeben. Es sei auch nicht die Übergangsbestimmung des Art. IV Abs. 10 der Gewerberechtsnovelle 1992 anzuwenden, weil es sich bei der Bestimmung des § 78 GewO 1973 (alt) nicht um eine Verfahrensbestimmung gehandelt habe.
Diese Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen:
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) ERRICHTET ODER BETRIEBEN werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Z. 1 bis 5 genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen hervorzurufen.
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 (in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992) ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Nach § 78 Abs. 2 GewO 1973 (in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992) kann die Behörde im Genehmigungsbescheid anordnen, daß die Betriebsanlage oder Teile dieser Anlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob die die Auswirkungen der genehmigten Anlage oder von Teilen dieser Anlage betreffenden Auflagen des Genehmigungsbescheides die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunmehmenden Interessen hinreichend schützen oder zur Erreichung dieses Schutzes andere oder zusätzliche Auflagen erforderlich sind; sie kann zu diesem Zweck auch einen befristeten Probebetrieb zulassen oder anordnen. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung können für Betriebsanlagen oder Teile von Betriebsanlagen, die erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, bei der Erteilung der Betriebsbewilligung auch andere oder zusätzliche Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorgeschrieben werden.
Die Bestimmung des § 78 Abs. 2 leg. cit. wurde durch die Gewerberechtsnovelle 1992 ersatzlos aufgehoben. Die Übergangsbestimmung des Art. IV Abs. 10 dieser Gewerberechtsnovelle bestimmt, daß die die Verfahren betreffend Betriebsanlagen und die Zuständigkeit zur Durchführung dieser Verfahren regelnden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (das war zufolge Art. IV Abs. 1 leg. cit. der 1. Juli 1993) noch nicht abgeschlossene Verfahren betreffend Betriebsanlagen nicht anzuwenden sind.
Wie sich aus den Bestimmungen der §§ 74 Abs. 2 und 77 Abs. 1 GewO 1973 ergibt, bedarf sowohl die Errichtung als auch der Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage einer Genehmigung, die, wie insbesondere auch aus § 359 Abs. 1 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1973 - nunmehr entsprechend dem § 359 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 - hervorgeht, in der Regel in EINEM Bescheid zu erteilen ist. Von dieser - eine Verfahrensvorschrift darstellende - Regel sieht § 78 Abs. 2 leg. cit. als Ausnahme vor, daß unter den dort normierten Voraussetzungen die Erteilung der Betriebsbewilligung einem späteren Zeitpunkt vorbehalten werden kann, in dem die Auswirkungen der mittlerweile errichteten Betriebsanlage genauer beurteilt werden können. Es handelt sich somit bei einem Genehmigungsbescheid mit einem Betriebsbewilligungsvorbehalt nach § 78 Abs. 2 GewO 1973 insofern um einen Teilabspruch, als die Erlangung einer rechtswirksamen Betriebsanlagengenehmigung mit dem vollen Berechtigungsumfang der §§ 74 Abs. 2 und 77 Abs. 1 GewO 1973 die Erlassung eines rechtskräftigen Betriebsbewilligungsbescheides im Sinne der entsprechenden Bestimmungen des § 78 Abs. 2 GewO 1973 voraussetzt. Der Verwaltungsgerichtshof kommt daher (in diesem Sinne auch in Übereinstimmung mit den diese Frage behandelnden Ausführungen Mayers, GewO-Nov 1992 und Probebetrieb, ecolex 1993, S. 782 ff) zum Ergebnis, daß es sich bei der hier erörterten Bestimmung des § 78 Abs. 2 GewO 1973 um eine "die Verfahren betreffend Betriebsanlagen" regelnde Bestimmung handelt, welche zufolge Art. IV Abs. 10 der Gewerberechtsnovelle 1992 auf am 1. Juli 1993 bereits eingeleitete Verfahren betreffend Betriebsanlagen weiterhin anzuwenden ist, da - wie sich aus der vordargelegten Rechtslage ergibt - ein abgeschlossenes Betriebsanlagenverfahren im Sinne der Übergangsbestimmungen vor Erlassung eines rechtskräftigen Betriebsbewilligungsbescheides gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 nicht angenommen werden kann. An dieser im systematischen Zusammenhang zu sehenden inhaltlichen Qualifikation der entsprechenden Bestimmung des § 78 Abs. 2 GewO 1973 vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Durchführung eines Verfahrens nach dieser Gesetzesstelle einen Antrag des Konsenswerbers voraussetzt (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0135), zumal mangels Unabhängigkeit einer derartigen Verfahrensdurchführung von einem vorangegangenen Genehmigungsbescheid mit Vorbehaltsausspruch auch die Anführung im letzten Satz dieser Gesetzesstelle, wonach für Betriebsanlagen oder Teile von Betriebsanlagen, die erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, bei der Erteilung der Betriebsbewilligung auch andere oder zusätzliche Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorgeschrieben werden können, lediglich als Verweis auf die wie schon im bisherigen Genehmigungsverfahren auch im Falle der dieses Verfahren abschließenden Erteilung der Betriebsbewilligung zu beachtenden Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 Abs. 1 GewO 1973 zu verstehen ist.
Wenn auch der Vorbehalt der Betriebsbewilligung in einem Genehmigungsbescheid nach § 77 Abs. 1 leg. cit. nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur zulässig ist, wenn die Genehmigungsfähigkeit der Anlage dem Grund nach feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/04/0215), so vermag der Umstand, daß in dem einen Genehmigungsbescheid unter Vorbehalt der Betriebsbewilligung vorausgehenden Verfahren bereits die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit auch des Betriebes der Anlage zu prüfen ist, entgegen der Ansicht Sedlaks (Betriebsanlagengenehmigung, Probebetrieb und Betriebsbewilligung, ecolex 1994, S. 203) nichts daran zu ändern, daß es sich bei der im § 78 Abs. 2 GewO 1973 vorgesehenen Möglichkeit des Vorbehaltes der Betriebsbewilligung regelnden Vorschrift um eine Verfahrensbestimmung im oben dargestellten Sinn handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch die Rechtsansicht der belangten Behörde nicht zu teilen, durch die im angefochtenen Bescheid erfolgte Änderung der medizinischen Auflage Punkt 7. würde die von den Nachbarn durch den Genehmigungsbescheid vom 1. Juli 1988 erworbene Rechtsstellung nicht beeinträchtigt.
Es trifft zwar zu, daß nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts Spruch und Begründung eines Bescheides insofern eine Einheit bilden, als die Begründung eines Bescheides zur Auslegung der Tragweite seines Spruches heranzuziehen ist (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 435, zitierte hg. Judikatur). Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber für die von der belangten Behörde (teilweise durch Übernahme der diesbezüglichen Begründungsausführungen im Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 15. November 1991) gewonnene Auslegung der in Rede stehenden Auflage Punkt 7. der medizinischen Auflagen keine Grundlage zu finden. Die dort wiedergegebenen Passagen des medizinischen Sachverständigengutachtens stellen auf Gerüche schlechthin ab, was auch insofern logisch nachvollziehbar ist, als die Eignung eines bestimmten Geruches, die Gesundheit oder das Wohlbefinden eines Menschen zu beeinträchtigen, nicht von der Lage der Geruchsquelle abhängt. Es steht daher die dieser Auflage zugrundeliegende Begründung einem Verständnis dahin nicht entgegen, daß Geruchsimmissionen aus der in Rede stehenden Betriebsanlage nur soweit zulässig sind, daß die Summe aller, auch nicht aus der Betriebsanlage stammender, Geruchsimmissionen auf 5 % der Zeit eines Jahres begrenzt bleibt.
Ebenso bietet die Begründung des Bescheides vom 1. Juli 1988 keine Grundlage für die von der belangten Behörde vorgenommene Gleichsetzung von den dort genannten "deutlich wahrnehmbaren" Gerüchen mit "stark wahrnehmbaren" Gerüchen, ergibt sich doch aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Bescheides vom 1. Juli 1988, daß mit den "deutlich wahrnehmbaren" Gerüchen solche gemeint sind, die die Geruchsschwelle in einer für den Menschen eindeutig wahrnehmbaren Art überschreiten. Bedeutet aber die fragliche Auflage im Bescheid vom 1. Juli 1988, daß Geruchsimmissionen jeglicher Art auf 5 % der Zeit eines Jahres zu begrenzen sind, so wird durch die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Änderung dieser Vorschreibung auf eine Begrenzung der (wenn auch nur nicht stark) wahrnehmbaren Gerüche auf 8 % der Zeit eines Jahres, eine Verschlechterung der Rechtsstellung der in der Position eines Nachbarn stehenden Beschwerdeführerin.
Da sich die belangte Behörde ausgehend von ihrer solcherart verfehlten Rechtsansicht mit der Frage der Auswirkungen von im Rahmen der geänderten Auflage Punkt 7. bleibenden Geruchsimmissionen auf Gesundheit bzw. Wohlbefinden der Nachbarn nicht auseinandersetzte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne in die Prüfung der Frage der Eignung - allenfalls im Gesamtzusammenhang der Auflagenvorschreibungen - und damit Zulässigkeit der bloß einen Immissionsgrenzwert vorschreibenden gegenständlichen Auflage einzutreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1985, Zl. 84/04/0170).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I und III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994040023.X00Im RIS seit
11.07.2001