Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde
1.) des L und 2.) der E, beide in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 22. Februar 1993, Zl. 315.482/1-III/3/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: P-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 3. Juni 1991 wurden der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 79 Abs. 1 und 334 Z. 1 GewO 1973 "hinsichtlich der Betriebsanlage auf den Grundstücken Nr. 739/16, 739/25 und 739/19 der KG W sowie den Grundstücken Nr. 1591/3, 1588, 1589 und 1590/1 der KG A zusätzliche - im Bescheid näher detaillierte - Auflagen vorgeschrieben.
Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde "im Grunde des § 359 Abs. 4 iVm § 356 Abs. 4 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen". In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, für die gegenständliche Betriebsanlage seien bislang von den Gewerbebehörden im Zeitraum vom 4. Jänner 1964 bis 14. April 1988 - im angefochtenen Bescheid näher umschriebene - Genehmigungsbescheide erlassen worden. Die Häuser W, B-Straße 12 und B-Straße 20, auf welche die Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren ihre Nachbarstellung stützten, seien im Jahre 1953 erbaut und seither von den Beschwerdeführern bewohnt worden. In den bescheidmäßig abgeschlossenen gewerblichen Betriebsanlagegenehmigungsverfahren hätten die Beschwerdeführer weder selbst noch durch ihre seinerzeitigen gesetzlichen Vertreter jemals Einwendungen erhoben. Aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen der Gewerbeordnung ergebe sich, daß Nachbarn in einem Verfahren betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen für eine genehmigte gewerbliche Betriebsanlage (§ 79 GewO 1973) nicht jedenfalls, sondern lediglich nach Maßgabe ihrer in seinerzeitigen Genehmigungsverfahren erhobenen tauglichen Einwendungen Parteistellung zukomme. Da die nunmehrigen Beschwerdeführer - welchen bereits von Beginn an in bezug auf die gegenständliche Betriebsanlage Nachbarstellung zugekommen wäre - niemals Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 in bezug auf die gegenständliche Betriebsanlage erhoben hätten, mangle es ihnen an der im Sinne des § 359 Abs. 4 GewO 1973 für ihre Berufungslegitimation auch im vorliegenden Verfahren entscheidenden Parteistellung, weshalb ihre dennoch erhobene Berufung spruchgemäß zurückzuweisen gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer erachten sich in dem Recht "auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und damit sowie auch durch den Inhalt des angefochtenen Bescheides in ihrem Recht auf Aufhebung des Bescheides VI/1-730/65-1991 vom 3.6.1991 bzw. Abänderung dieses Bescheides im Sinne ihres Berufungsantrages verletzt". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes tragen die Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides vor, der Landeshauptmann von Burgenland habe von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, im Sinne des § 79 GewO 1973 vorzugehen, um die gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. wahrzunehmenden Interessen, vorliegendenfalls das Interesse an Leben und Gesundheit der Anrainer, zu schützen. Die Auslegung der Bestimmung des § 56 GewO 1973 (gemeint offensichtlich § 356 GewO 1973) im Sinne des angefochtenen Bescheides würde jenen Personen, deren Leben und Gesundheit gefährdet werde, die Möglichkeit nehmen, im gemäß § 79 GewO 1973 vorgesehenen Verfahren ihren Standpunkt zu vertreten. Dies stehe nicht nur im Widerspruch zu der aus § 74 Abs. 2 GewO 1973 hervorleuchtenden Absicht des Gesetzgebers, eben diese Interessen zu schützen, sondern stehe auch sinngemäß im Widerspruch zur Bestimmung des § 79 Abs. 2 GewO 1973, welche eben von jenen Personen handle, die als Nachbarn des besonderen Schutzes ihrer Gesundheit bedürftig seien. Der Gesetzgeber habe gerade jenen Personen entsprechende Mitwirkungsrechte im Verfahren zuerkennen wollen. Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsmeinung stehe den Nachbarn daher in dem gemäß § 79 GewO 1973 eröffneten Verfahren Parteistellung zu. Im vorliegenden Fall wäre die Verweigerung der Parteistellung für die in ihrer Gesundheit gefährdeten Personen insbesonders deshalb unbillig, da die Betriebsanlagengenehmigung auf Grund einer Kette von Bescheiden bestehe, die im Laufe der Jahre erlassen worden seien. Von den Anrainern zu erwarten, in allen diesen Verfahren bereits den aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Bescheide entstehenden Endzustand vorherzusehen und sich - aus dem Augenblick der jeweiligen Verhandlung her gesehen für die Zukunft - die zur Erhebung von Einwänden erforderlichen Fachkenntnisse zu verschaffen, sei geradezu lebensfremd und lege den Nachbarn Rechtspflichten auf, die für sie unerfüllbar seien. Als Beispiel sei darauf verwiesen, daß die Anrainer am 23. Juli 1987 Beschwerde wegen der Lärmbelästigung durch die Maistrocknungsanlage erhoben hätten, die mit Bescheid vom 15. Juli 1987 genehmigt worden sei. Daraus zeige sich, daß es für die Anrainer vollkommen unmöglich sei, vor Aufnahme des Betriebes zu prognostizieren, welche Lärmbelästigung durch die jeweilige Anlage entstehen werde, und diese Lärmbelästigung durch das Erheben von Einwänden bei der Verhandlung vorwegzunehmen. Es könne nicht der Sinn des Gesetzes sein, den Personen, deren Gesundheit geschützt werden soll, Rechtspflichten aufzuerlegen, die für sie unerfüllbar seien.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 - in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992 - dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.)
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2.)
die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.
3.)
...
Nach § 81 leg. cit. bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erfordlich ist, einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Zufolge § 79 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid oder im Betriebsbewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlagen zu berücksichtigen.
Nach dem ersten Satz des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind Auflagen im Sinne des Abs. 1 zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, nur insoweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind.
Nach § 356 Abs. 4 leg. cit. haben im Verfahren betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (§ 79) die im Abs. 3 genannten Nachbarn Parteistellung.
Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind im Verfahren gemäß Abs. 1 dieser Gesetzesstelle nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung - oder, wenn sie die Voraussetzung des zweiten Satzes dieses Absatzes erfüllen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit - Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Aus dem Hinweis in Abs. 4 auf Abs. 3 des § 356 GewO 1973 ergibt sich, daß die Parteistellung des Nachbarn im Verfahren betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen gemäß § 79 davon abhängt, daß ihm bereits im Verfahren betreffend die Genehmigung der Betriebsanlage im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. Parteistellung zukam (vgl. das zur vergleichbaren Rechtslage der Nachbarstellung im Betriebsbewilligungsverfahren ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1993, Zl. 93/04/0043).
Der Umstand, daß den Beschwerdeführern in den Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage - worunter im Sinne des § 79 GewO 1973 sowohl Genehmigungen nach § 77 als auch solche nach § 81 leg. cit. zu verstehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1994, Zl. 93/04/0137) - mangels Erhebung entsprechender Einwendungen - die diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid blieben von den Beschwerdeführern unbekämpft - Parteistellung nicht zukam, schloß daher auch im Verfahren betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (§ 79 GewO 1973) eine Parteistellung der Beschwerdeführer aus.
Die gegenteiligen Beschwerdeausführungen vermögen zufolge des klaren Wortlautes des § 356 Abs. 4 GewO 1973 nicht zu überzeugen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N.F. Nr. 11745/A, unter Bezugnahme auf seine dort angeführte weitere Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht, sohin die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 in prozeßrelevanter Art behauptet. Hiefür bedarf es keiner Fachkenntnis über die tatsächlichen Auswirkungen der zu genehmigenden Anlage wie die Beschwerdeführer vermeinen.
Die Gesetzeslage sieht im Zusammenhang mit dem nach § 79 GewO 1973 von der Behörde durchzuführenden Verfahren weder eine Antragstellung seitens des Betriebsanlageninhabers noch von Nachbarn vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1993, Zl. 92/04/0275). Da sich die Parteistellung im Verwaltungsverfahren immer nur aus den einschlägigen Rechtsvorschriften, niemals jedoch aus (irrigen) Amtshandlungen ergeben kann (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 (1990), 108, referierte hg. Judikatur), entstand eine Parteistellung und damit ein Berufungsrecht der Beschwerdeführer nicht deshalb, weil sie im Verfahren von der Gewerbebehörde erster Instanz geladen worden sind und Einwände erstattet haben. Die im Rahmen des § 79 Abs. 1 GewO 1973 der Behörde auferlegte Verpflichtung zur Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen obliegt dieser von Amts wegen im Rahmen ihrer gesetzlichen Verantwortlichkeit.
Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Gewerberecht Parteibegriff Tätigkeit der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993040077.X00Im RIS seit
24.01.2001