TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/28 93/05/0264

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Veröffentlicht am 28.06.1994
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Index

L85004 Straßen Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/01 Rechtsanwälte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §41;
AVG §74 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
EisbEG 1954 §44;
LStVwG OÖ 1975 §60 Abs1;
LStVwG OÖ 1975 §60 Abs2;
LStVwG OÖ 1975 §60 Abs3;
RAT TP2;
RAT TP7 Abs3;
ZPO §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. September 1993, Zl. BauR-250265/62-1993 Ba/Vi, betreffend Vertretungskosten in einem Enteignungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 91/05/0153, verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß im § 60 Abs. 1 des Oberösterreichischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 keine Bestimmung des Eisenbahnenteignungsgesetzes von der sinngemäßen Anwendung ausgeschlossen sei, es gelte daher grundsätzlich auch dessen § 44 im Enteignungsverfahren nach dem Oberösterreichischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975. Zu § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 11. Februar 1993, Zl. 90/06/0211, ausgesprochen, daß zu den Kosten des Enteignungsverfahrens auch jene der rechtsfreundlichen Vertretung zählten. Zum Umfang der Kostenersatzpflicht wurde auf das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1973, Zl. 279/73, verwiesen.

Der Beschwerdevertreter hatte schon in der Verhandlung vom 27. März 1990 (somit vor Erlassung des Enteignungsbescheides) ein Kostenbegehren in der Höhe von S 103.737,60 eingebracht. Aufgrund des vom Verwaltungsgerichtshof am 16. März 1993 ergangenen Erkenntnisses stellte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 19. April 1993 neuerlich den Antrag auf Zuspruch der im Enteignungsverfahren aufgelaufenen Vertretungskosten, nunmehr in einer Höhe von S 123.977,40. Als Bemessungsgrundlage wurde ein Wert von S 850.000,-- angenommen. Zur Begründung war in diesem Antrag ausgeführt worden, daß im Verfahren 1 Nc 23/90 des BG Urfahr-Umgebung mit dem Land Oberösterreich hinsichtlich der Höhe des Entschädigungsbetrages ein Vergleich geschlossen worden sei, wonach sich das Land Oberösterreich zur Zahlung von S 850.000,-- verpflichtet habe. Auf dieser Basis ergäben sich für die rechtsfreundliche Vertretung im Verwaltungsverfahren die folgenden, aufgelisteten Kosten in der Höhe von S 123.977,40.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. September 1993 gab die belangte Behörde dem Kostenbegehren insofern statt, als die durch die anwaltliche Vertretung im Enteignungsverfahren aufgelaufenen Kosten mit S 81.577,80 bestimmt wurden. Das Mehrbegehren in der Höhe von S 42.399,60 wurde abgewiesen. Gegen diesen Bescheid, jedoch lediglich insoweit, als ein Betrag von S 34.850,40 nicht zuerkannt wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Vergleich vom 14. April 1992, Zl. 1 Nc 23/90, wurde festgehalten, daß die anhängige Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde der Antragstellerin betreffend die Kosten des Rechtsvertreters im Verwaltungsverfahren von diesem Vergleich nicht berührt werde. Die Vertretungskosten, die im Zusammenhang mit der Festsetzung DER HÖHE DER ENTSCHÄDIGUNG aufgelaufen sind, wurden mit S 70.000,-- festgesetzt, zu deren zusätzlicher Übernahme sich die Enteignungswerberin (mitbeteiligte Partei) in diesem Vergleich bereit erklärt hat.

Zum grundsätzlichen Umfang der Kostenersatzpflichten im Falle der Anwendbarkeit des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes und der Anwendbarkeit des Rechtsanwalttarifgesetzes (RATG) wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0231, verwiesen.

Der nunmehr strittige Betrag von S 34.850,40 setzt sich zusammen aus Kosten für das Einschreiten des Rechtsvertreters am 2. August 1989, 30. August 1989, 15. September 1989, 15. März 1989 und 19. September 1990. Die belangte Behörde hat für die Tätigkeiten am 2. und 30. August 1989 sowie am 15. September 1989 mit der Begründung keine Kosten zugesprochen, daß zum damaligen Zeitpunkt eine Enteignung noch gar nicht beantragt und daher kein Enteignungsverfahren anhängig war. Dieser Umstand wird von der Beschwerdeführerin auch gar nicht bestritten - der Antrag der Landesstraßenverwaltung auf Durchführung eines Enteignungsverfahrens wurde erst am 2. Februar 1990 eingebracht -, die Beschwerdeführerin begründet ihre Ansprüche aber damit, daß das Land Oberösterreich als Landesstraßenverwaltung an die Beschwerdeführerin herangetreten sei und Verhandlungen wegen einer freiwilligen Übertragung der Grundstücksflächen gewünscht habe. Die Einschaltung eines Rechtsvertreters schon zu diesen Verhandlungen sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen, weil die Beschwerdeführerin aufgrund der komplizierten Sach- und Rechtslage und des relativ hohen Alters verständlicherweise rechtsfreundliche Beratung für diese Verhandlungen in Anspruch genommen habe.

Die Frage der Kostentragung der Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens ist im § 74 AVG geregelt. Sofern ein Beteiligter gemäß § 74 Abs. 2 AVG in Verbindung mit einer entsprechenden Regelung im Materiengesetz (hier § 44 Eisenbahnenteignungsgesetz) einen Kostenersatzanspruch hat, kann diese Regelung nur auf ein anhängiges Verwaltungsverfahren bezogen werden. Eine Regelung betreffend Kosten, die bereits vor Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens entstanden sind, kann weder dieser Bestimmung noch dem Materiengesetz (§ 44 Eisenbahnenteignungsgesetz) entnommen werden. Insbesondere fehlt eine dem § 41 (1) ZPO vergleichbare Grundlage für den Zuspruch "vorprozessualer" Kosten. Zu den Kosten des Enteignungsverfahrens, für die ein Kostenersatz gebührt, können daher nur jene gezählt werden, die während eines anhängigen Verwaltungsverfahrens entstehen. Zutreffend hat daher die belangte Behörde den Ersatz der Vertretungskosten, die vor Anhängigkeit des Verwaltungsverfahrens entstanden sind, nicht zuerkannt.

Die Kosten für die "Kommission" vom 15. März 1990 wurden von der Behörde mit der Begründung nicht zugesprochen, es seien vor dem 27. März 1990 weder Eingaben eingelangt noch hätten irgendwelche Besprechungen oder Kommissionen außerhalb des Amtsgebäudes auf Anordnung der Enteignungsbehörde stattgefunden. Hintergrund für die "Kommission" vom 15. März 1990 sei laut Beschwerdevorbringen der Umstand gewesen, daß mit Schreiben vom 26. Februar 1990 die Verhandlung vom 27. März 1990 kundgemacht worden sei und der Beschwerdevertreter am 15. März 1990 Akteneinsicht genommen habe, um das eingereichte Projekt kennenzulernen, die entsprechenden Aktenkopien herzustellen, um sich sorgfältig auf die Verhandlung vom 27. März 1990 vorbereiten zu können.

Nun gewährt TP 7 Abs. 3 RATG Kostenersatz für Kommissionen zu Behörden zwecks Akteneinsicht. Da in der Kundmachung, mit der die Verhandlung vom 27. März 1990 anberaumt wurde, auf die Planunterlagen und die Möglichkeit der Einsichtnahme bei der Behörde verwiesen wurde, eine ensprechende Vorbereitung der Verhandlung ohne Einsichtnahme in die Pläne nicht möglich ist, ist von der Notwendigkeit der Akteneinsicht durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auszugehen. Da die belangte Behörde den Kostenersatz gemäß TP 7/3 durch die Kommission zwecks Akteneinsicht nicht gewährt hat, belastete sie in diesem Umfang den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der für den 19. September 1990 von der Enteignungsbehörde mit Verständigung vom 30. August 1990 anberaumte Lokalaugenschein bezog sich auf die Feststellung der Entschädigung für die bauliche Anlage. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0231, ausgeführt hat, hat die Verwaltungsbehörde auch im Fall eines Antrages an das Gericht, die Entschädigung neu festzusetzen, über den Ersatz der Kosten, die im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde entstanden, und zwar auch für jenen Teil, der sich ausschließlich auf die Höhe der Entschädigung bezieht, abzusprechen. Der Aktenlage zufolge hat die Behörde trotz der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 6. September 1990, wonach einer (neuerlichen) Besichtigung des Gebäudes nicht zugestimmt werde, den Termin vom 19. September 1990 nicht abberaumt. Es kann daher der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten werden, wenn sie von der Notwendigkeit der Teilnahme ihres Rechtsvertreters an dieser Verhandlung ausging. Der Umstand, daß die Verhandlung nach 5 Minuten abberaumt wurde, ändert nichts am Kostenersatzanspruch nach TP 2 II 1b RATG. Auch die Verrechnung des 100 %igen Einheitssatzes war zulässig, weil die Verhandlung außerhalb des Kanzleisitzes des Rechtsvertreters (Kanzleisitz L, Verhandlung in H) vorzunehmen war. Soweit sie dies verkannte, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Eine weitere Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerdeführerin in dem Umstand, daß im angefochtenen Bescheid eine Leistungsfrist für die mitbeteiligte Partei von 4 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides festgesetzt war. Richtigerweise hätte nach Ansicht der Beschwerdeführerin die belangte Behörde eine Leistungsfrist von 14 Tagen bestimmen müssen. Nun sieht weder das AVG, das Oberösterreichische Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975 noch das Eisenbahnenteignungsgesetz eine mit 14 Tagen bestimmte Leistungsfrist vor. Auch § 33 Abs. 2 des Eisenbahnenteignungsgesetzes legt keinen Fälligkeitszeitpunkt fest, sondern sieht die Zahlung der gesetzlichen Verzugszinsen vor. Nach § 59 Abs. 2 AVG ist eine angemessene Frist festzusetzen. Die Festsetzung einer 4-wöchigen Leistungsfrist erscheint sachverhaltsbezogen nicht unangemessen.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993050264.X00

Im RIS seit

18.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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