Index
60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des E in D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Burgenland vom 7. Juni 1992, Zl. III/6702 B/1018033 Ka/R, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Gastwirt, stellte mit Schreiben vom 26. März 1993 beim Arbeitsamt Oberwart den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den polnischen Staatsangehörigen J für die berufliche Tätigkeit als Koch (monatliche Bruttoentlohnung S 11.600,--).
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 22. April 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung vom 2. Mai 1993 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei seit 9. März 1993 seinen "Ausländerkoch" Z "los", und zwar durch fristlose Entlassung wegen Trunkenheit. Trotz Vorwarnung auf dieses Übel oder Krankheit dieses Mannes habe er kein Gehör finden können für die "Neuvorstellung des zweiten Ausländerkoches" J. Nun sei es so, daß er den ersten Koch verloren habe und den zweiten Koch nicht einstellen dürfe. Er sei nun schon seit fast zwei Monaten ohne Koch und er müsse jetzt seine Frau in der Küche doppelt belasten. Er ersuche für J. eine Arbeitsbewilligung zu erteilen oder einen anderen Koch "schnellstens" zu schicken, weil bereits die Sommersaison beginne. "§ 4 Abs. 2 b) c)" (gemeint wohl: § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. b und c AuslBG) treffe auf ihn auf jeden Fall zu. Er hoffe auf eine baldige positive Erledigung, weil er sonst auf "seine Küche verzichten müsse".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 und 3 AuslBG keine Folge. Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag sei nicht nur eine Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG zum Zeitpunkt der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung, sondern eine solche auch unter Bedachtnahme auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes erforderlich, so daß der Entscheidung auch Erwägungen über einen überschaubaren zukünftigen Zeitraum zugrundegelegt werden müßten. Dabei sei nicht der bei einem Arbeitgeber auftretende individuelle Arbeitskräftebedarf allein maßgeblich. Der Bewilligung stünden außerdem öffentliche Interessen wegen illegaler Beschäftigung des Ausländers im Betrieb entgegen. Die für das Jahr 1993 festgesetzte Landeshöchstzahl sei seit Jahresbeginn überschritten. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG seien nicht gegeben, weil solche wichtigen Gründe, die eine Beschäftigung einer ausländischen Arbeitskraft trotz Überschreitung der Landeshöchstzahl rechtfertigen könnten, oder öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen, welche die Beschäftigung von Ausländern erforderten, "nach ständiger Rechtsprechung" nicht vorlägen. Überdies habe auch der Vermittlungsausschuß aus arbeitsmarktpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen keine einhellige Zustimmung zur Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung erteilt. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage seien daher die Einwände in der Berufung nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Der Beschwerdeführer sei in seinem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für J. gemäß § 4 Abs. 6 und § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Bezüglich § 4 Abs. 1 AuslBG sind lediglich in der Begründung formelhafte Hinweise auf die Arbeitsmarktlage und die - aktenmäßig nicht gestützte und in der Gegenschrift auch nicht mehr relevierte - Behauptung einer angeblich illegalen Beschäftigung des Ausländers enthalten. Die in der Gegenschrift enthaltenen Ausführungen betreffend Durchführung eines erfolglosen Arbeitskräftestellungsverfahrens und die daraus abgeleitete Berechtigung des Versagungsgrundes nach § 4 Abs. 1 AuslBG müssen bereits an dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbot scheitern. Außerdem könnten wesentliche Begründungsmängel eines angefochtenen Bescheides durch Ausführungen in der Gegenschrift keinesfalls beseitigt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, 91/09/0090, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im Beschwerdefall erübrigen sich daher weitere Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG.
Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu versagen war.
Diese Bestimmung (Z. 1 idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen idF der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetztes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Der Beschwerdeführer hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 AuslBG (insbesondere das Überschreiten der Landeshöchstzahl) nicht bestritten, allerdings in der Berufung das Vorliegen von Tatbestandsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG - mit näherer Begründung - behauptet. Er ist damit seiner Pflicht, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend sein könnten, nachgekommen. Damit bestand die Verpflichtung der belangten Behörde, sich mit den vorgebrachten Gründen auseinanderzusetzen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, 93/09/0404, und die dort angeführt Vorjudikatur). Demgegenüber hat sich die belangte Behörde mit der formelhaften Feststellung begnügt, wonach wichtige Gründe im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG im Beschwerdefall "nach ständiger Rechtsprechung" nicht vorlägen. Da aber jedenfalls das zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c (Ersatzkraft) erstattete Vorbringen geeignet ist, im Falle seines Zutreffens, diese Voraussetzung zu erfüllen (vgl. zu diesem Tatbestand beispielsweise die Erkenntisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, 92/09/0387, oder vom 18. November 1993, 93/09/0362), hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1993, 93/09/0139).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. § 59 Abs. 1 VwGG und Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die geltend gemachte Umsatzsteuer war neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht gesondert zuzusprechen und Stempelgebühren waren nur in Höhe von S 60,-- für die nach § 28 Abs. 5 VwGG erforderliche einfache Vorlage des angefochtenen Bescheides zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090339.X00Im RIS seit
20.11.2000