TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/30 93/06/0039

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Veröffentlicht am 30.06.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des A K und der O K in X, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 10. Dezember 1992, Zl. A 17 - K - 8.055/1991 - 2, betreffend Verpflichtung zur Duldung einer Kanal-Grundleitung (mitbeteiligte Parteien: N P und I P in X, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 13.670,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 5. September 1990 wurde den mitbeteiligten Parteien (kurz: Bauwerber) die Bewilligung für den Umbau und die Sanierung eines Wohnhauses auf einem Grundstück in Graz mit der Auflage erteilt, die Schmutzwässer in den öffentlichen Kanal einzuleiten; für die Kanalführung seien über die näher bezeichneten, benachbarten Grundstücke (darunter ein Grundstück der Beschwerdeführer) "im Grundstück ein Kanalservitut einzutragen" (nach den Bauplänen handelt es sich bei diesem Grundstück der Beschwerdeführer um eine Straße, die vom Kanal unterquert werden sollte). Die Einwendung des Erstbeschwerdeführers, nicht ausreichend Zeit für die Einsichtnahme in den Kanalplan gehabt zu haben, wurde als unzulässig zurückgewiesen; sein Vorbringen, sich bezüglich der Kanalführung über sein Grundstück mit den Bauwerbern privatrechtlich auseinanderzusetzen und sich vorzubehalten, "daß er die rechtliche Grundlage seiner öffentlichen Verpflichtung vorbehält", wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 28. Feber 1991 keine Folge und bestätigte den Bescheid vom 5. September 1990. Sie führte u.a. aus, daß die Auflage, wonach für die Kanalführung über jene beiden Grundstücke ein Kanalservitut einzutragen sei, nicht der Bestimmung des § 6 des Steiermärkischen Kanalgesetzes 1988 entspreche, wonach bei Inanspruchnahme fremden Grundes und fremder Hauskanalanlagen, sowie über Art und Höhe der Entschädigung zugleich mit der Baubewilligung, bei bestehenden in einem amtswegigen Verfahren zu entscheiden sei. Allerdings seien die Beschwerdeführer durch die Vorschreibung dieser Auflage in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden, weil ihnen bezüglich der Kanalführung kein Mitspracherecht zukomme. Sollte eine privatrechtliche Einigung nicht zustandekommen, werde die Behörde über die Inanspruchnahme fremden Grundes und über die Höhe und die Art der Entschädigung in einem amtswegigen Verfahren zu entscheiden haben.

Mit der am 27. Mai 1991 bei der Behörde eingelangten Eingabe brachten die Bauwerber vor, daß für ihr Bauwerk gemäß § 4 des Kanalgesetzes 1988 Anschlußverpflichtung bestehe, weil die Entfernung zur öffentlichen Kanalanlage weniger als 100 m betrage. Mit dem Bescheid vom 5. September 1990 seien der Umbau und die Sanierung ihres Hauses unter anderem mit der Auflage bewilligt worden, die Schmutzwässer in den öffentlichen Kanal einzuleiten. Um zum öffentlichen Kanal zu gelangen, müßten sie jedenfalls fremden Grund in Anspruch nehmen, wobei die kürzeste Entfernung über jene beiden Grundstücke "verlaufe", wie dies bereits in dem beim Kanalbauamt aufliegenden Kanalplan vorgesehen sei. Für die Inanspruchnahme des Grundstückes der Beschwerdeführer habe keine privatrechtliche Vereinbarung abgeschlossen werden können, weil diese sich dazu nicht bereiterklärt hätten. Sie beantragten sohin, ein amtswegiges Verfahren gemäß § 6 des Kanalgesetzes 1988 einzuleiten.

Mit dem Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 2. Oktober 1991 wurden die Beschwerdeführer gemäß § 5 des Kanalgesetzes 1988 verpflichtet, die Herstellung einer neuen Grundleitung unter Inanspruchnahme ihres Grundstückes sowie die Vornahme der erforderlichen Erhaltungs- und Reinigungsarbeiten zu dulden. Die Entschädigung gemäß § 6 des Kanalgesetzes 1988 wurde mit S 1.500,-- unter Bestimmung der Zahlungsmodalitäten festgesetzt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Feber 1992 wurde dieser Bescheid über Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben. Begründend wurde hiezu (soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich) ausgeführt, der Berufung sei deshalb stattzugeben, weil - wie die belangte Behörde schon im Berufungsbescheid vom 28. Feber 1991 ausgeführt habe -, die im Baubewilligungsbescheid enthaltene Auflage mangels Vollstreckbarkeit nicht der Bestimmung des § 6 des Steiermärkischen Kanalgesetzes entspreche, sodaß über die Anschlußverpflichtung noch nicht rechtsverbindlich abgesprochen worden sei. Das wäre aber Voraussetzung für eine Verpflichtung der Beschwerdeführer, die Inanspruchnahme ihres Weggrundstückes zur Verlegung der Kanalanlage zu dulden. Weiters wies die Behörde darauf hin, daß im fortzusetzenden Verfahren gleichzeitig die Verpflichtung zum Anschluß an das öffentliche Kanalnetz und die Duldungspflicht für die Inanspruchnahme öffentlichen Gutes auszusprechen sowie die Höhe der Entschädigung festzusetzen sein werde.

Dieser Berufungsbescheid wurde den Beschwerdeführern zu Handen ihres Vertreters und den - nach den Verwaltungsakten rechtsfreundlich vertretenen - Bauwerbern persönlich zugestellt; diese haben den Berufungsbescheid ihren Vertretern weitergeleitet, sodaß er letzteren tatsächlich zugekommen ist. Der Berufungsbescheid blieb unangefochten.

Mit Bescheid vom 22. September 1992 hat die Behörde I. Instanz - soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich - abermals die Beschwerdeführer als Eigentümer jenes Grundstückes (der privaten Wegparzelle) gemäß § 5 des Kanalgesetzes verpflichtet, die Herstellung neuer Grundleitungen und den Anschluß der Hauskanalanlage der Bauwerber an eine andere, näher bezeichnete Hauskanalanlage zu dulden und hat die Entschädigung gemäß § 6 des Kanalgesetzes festgesetzt. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer abermals Berufung, der mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht stattgegeben wurde. Aus diesem Anlaß wurde der Bescheid der Behörde I. Instanz dahin abgeändert, daß die Beschwerdeführer als Eigentümer jenes privaten Weggrundstückes gemäß den §§ 5 und 6 des Kanalgesetzes 1988 gegen eine Entschädigung in der Höhe von S 1.500,-- verpflichtet seien, die Inanspruchnahme ihres Weggrundstückes in einem näher bezeichneten Umfang zur Herstellung neuer Grundleitungen, zur Vornahme der erforderlichen Erhaltungs- und Reinigungsarbeiten zum Anschluß der Hauskanalanlage des Gebäudes der Bauwerber, sowie zur Vornahme der erforderlichen Erhaltungs- und Reinigungsarbeiten zu dulden; in einem wurden die Zahlungsmodalitäten bestimmt. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, führte die Behörde begründend aus, daß die Bauwerber mit dem Bescheid vom 5. September 1990 "wenn auch nicht formell richtig, durch Anführung der Gesetzesbestimmung des § 6 Kanalgesetz, sondern inhaltlich verpflichtet worden" seien, ihr Gebäude an den in Betracht kommenden ca. 75 m entfernten öffentlichen Kanal in einer bestimmten Straße anzuschließen. Hiezu sei die streitgegenständliche Inanspruchnahme des Weggrundstückes der Beschwerdeführer erforderlich. Mit jenem Bescheid vom 5. September 1990 sei den Bauwerbern eine nicht vollstreckbare Auflage, nämlich für die Kanalführung über die beiden betroffenen Grundstücke im Grundbuch ein Kanalservitut einzutragen, erteilt worden. Da eine Einigung der Grundeigentümer über die Inanspruchnahme des Grundstückes der Beschwerdeführer zur Herstellung neuer Grundleitungen nicht zustandegekommen, ein Widmungsverfahren nicht durchgeführt, und das Bauvorhaben, in dem der Entwurf für die Kanaltrasse vorgelegen sei, bereits rechtskräftig abgeschlossen sei, sei über die Duldungspflicht der Eigentümer des Weggrundstückes (d.h. der Beschwerdeführer) gegen Leistung einer angemessenen Entschädigung durch die Berechtigten im gegenständlichen Verfahren zu entscheiden (es folgen nähere Ausführungen, weshalb dieses Grundstück in Anspruch genommen werden müsse, sowie zur Angemessenheit der Entschädigung).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt; sowohl die belangte Behörde, als auch die Bauwerber haben in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, vor rechtskräftiger Festsetzung einer Anschlußverpflichtung der Bauwerber nicht zur ausgesprochenen Duldung verhalten werden zu können, sowie in einem weiteren Recht, daß die von der belangten Behörde festgesetzte Entschädigung nachvollziehbar sowie das Ausmaß der Grundinanspruchnahme überprüfbar sein müsse, verletzt.

Zu ersterem verweisen die Beschwerdeführer darauf, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die Kanalanschlußverpflichtung bereits mit dem Bescheid vom 5. September 1990 ausgesprochen worden sei, nicht im Einklang mit den bindenden, tragenden Gründen des in Rechtskraft erwachsenen Berufungsbescheides vom 6. Feber 1992 stehe, wonach eine solche Verpflichtung noch nicht erfolgt sei. Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, daß eine solche Bindung nicht bestehe, weil der Berufungsbescheid vom 6. Feber 1992 nicht gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, bedeutet ein in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG ergangener Behebungsbescheid eine endgültige Erledigung der betreffenen Verwaltungssache, soweit über sie im aufgehobenen erstinstanzlichen Bescheid abgesprochen wurde, mit der - aus § 68 Abs. 1 AVG folgenden - Wirkung, daß die Behörde I. Instanz über diesen Gegenstand (bei gleicher Sach- und Rechtslage) nicht neuerlich entscheiden darf (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 17. September 1991,

Zlen. 91/08/0004, 0093, vom 12. November 1993, Zl. 91/08/0176, und vom 22. März 1994, Zlen. 93/08/0210, 0211).

Überträgt man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall, folgt daraus, daß der Berufungsbescheid vom 9. Feber 1992 entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung die von den Beschwerdeführern aufgezeigte Bindungswirkung entfaltet. Aufgrund dieser Bindungswirkung war es den Behörden im fortgesetzten Verfahren verwehrt, davon auszugehen, daß der Bescheid vom 5. September 1990 eine wirksame Kanalanschlußverpflichtung ausgesprochen habe; vielmehr mußten sie aufgrund der Bindungswirkung davon ausgehen, daß es (erst) einer gesonderten Verpflichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 des Steiermärkischen Kanalgesetzes 1988, LGBl. Nr. 79 bedürfe, die aber bislang unterblieb.

Dadurch, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Verkennung dieser Bindungswirkung die Auffassung vertrat, eine solche gesonderte Verpflichtung habe nicht zu erfolgen, weil diese bereits mit dem Bescheid vom 5. September 1990 erfolgt sei (ohne daß eine Änderung der Sach- und Rechtslage ersichtlich wäre), belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993060039.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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