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80 Land-und ForstwirtschaftLeitsatz
Keine Verletzung des Beschwerdeführers in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm durch die Bestrafung wegen Befahrens einer Forststraße mit einem Fahrrad ohne Zustimmung des Forststraßenerhalters; keine Bedenken gegen §33 Abs3 ForstG 1975 hinsichtlich der Zulässigkeit (bzw Unzulässigkeit) der verschiedenen Arten der WaldbenützungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. April 1991 erkannte der Landeshauptmann von Salzburg den Beschwerdeführer unter anderem schuldig, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §33 Abs3 Forstgesetz 1975 (ForstG), BGBl. 440, idF der Novelle 1987, BGBl. 576, begangen zu haben, daß er am 9. Mai 1990 um
17.20 Uhr die Forststraße Abtswald von Hallein in Richtung Kuchl (mit einem Fahrrad) befahren habe, obwohl er keine Zustimmung des Wegerhalters für die Benutzung dieser Forststraße hatte; die Behörde verhängte deshalb über den Beschwerdeführer gemäß §174 Abs4 ForstG eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe.
2. Gegen diesen Teil des Bescheides wendet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimung (§33 Abs3 ForstG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheidteiles, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
3. Der Landeshauptmann von Salzburg legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Die Beschwerde wird ausschließlich damit begründet, daß §33 Abs3 ForstG (wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz) verfassungswidrig sei.
b) Gemäß §33 Abs1 ForstG darf - unbeschadet gewisser Einschränkungen - jedermann Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten.
§33 Abs3 ForstG idF der Novelle 1987, BGBl. 576, lautet auszugsweise:
"(3) Eine über Abs1 hinausgehende Benützung, wie Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren oder Reiten, ist nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, hinsichtlich der Forststraßen mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt, zulässig. Das Abfahren mit Schiern im Wald ist im Bereich von Aufstiegshilfen nur auf markierten Pisten oder Schirouten gestattet. Schilanglaufen ohne Loipen ist unter Anwendung der nötigen Vorsicht gestattet; eine darüber hinausgehende Benützung des Waldes, wie das Anlegen und die Benützung von Loipen, ist jedoch nur mit Zustimmung des Waldeigentümers gestattet. ..."
Gemäß §174 Abs4 ForstG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer (unter anderem) Wald zu Erholungszwecken ohne die gemäß §33 Abs3 leg.cit. vorgesehene Zustimmung benützt (lita) bzw. unbefugt im Walde eine für das allgemeine Befahren erkennbar gesperrte Forstraße befährt (litb).
c) Der Beschwerdeführer meint, daß §33 Abs3 ForstG deshalb dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, weil das Radfahren (auf Forststraßen) nicht folgenden anderen, durch das Gesetz (grundsätzlich) erlaubten Arten der Waldbenützung gleichgestellt sei:
aa) Der Aufenthalt im Wald zu Fuß sei gemäß §33 Abs1 ForstG im allgemeinen gestattet. Durch das Befahren von Forststraßen mit Fahrrädern entstünden keinerlei Nachteile für den Bestand und das Wachstum des Waldes oder für die Waldbewirtschaftung. Es sei daher "kein sachlicher Grund erkennbar, das Radfahren (auf Forststraßen) gesetzlich anders zu behandeln als das Betreten und den Aufenthalt im Wald zu Fuß ohne Fahrrad".
bb) Das Aufsteigen und Abfahren mit Schiern im Wald sei "grundsätzlich gestattet". Der Beschwerdeführer leitet das als Umkehrschluß aus §33 Abs3 zweiter Satz ForstG ab. Auch das Schilanglaufen im Wald ohne Loipen sei zulässig. Es sei "keinerlei sachlicher Grund erkennbar, weshalb die Sportbetätigung des Schilaufens gegenüber jener des Radwanderns ... begünstigt werden sollte". Das Abfahren mit Schiern im Wald sei durchaus geeignet, zu forstlichen Schäden zu führen; für das Radfahren auf Forststraßen gelte dies hingegen nicht.
Der Beschwerdeführer meint, daß eine Förderung des Radfahrens - als einer "derart weitverbreiteten Form einer die Volksgesundheit fördernden Erholungsbetätigung" - "wohl zumindest im gleichen Maße im öffentlichen Interesse liegt als die Ermöglichung der Waldbenützung mit Schiern".
cc) Eine weitere Unsachlichkeit sei darin zu erblicken, daß das Befahren von Forststraßen mit Fahrrädern dem Befahren mit motorbetriebenen Kraftfahrzeugen gleichgestellt werde, indem das Befahren von Forststraßen undifferenziert für unzulässig erklärt sei. Nur durch das Befahren mit motorbetriebenen Kraftfahrzeugen werde der Wald beeinträchtigt.
2. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht:
a) aa) §33 ForstG bewirkt eine - im Interesse der Allgemeinheit liegende - gesetzliche Beschränkung des Waldeigentums, die für den Eigentümer eine bedeutsame Belastung darstellt (vgl. die EB zu der das ForstG betreffenden RV, 1266 BlgNR, 13. GP, S 68).
Gemäß Artikel 5 (1. Satz) StGG ist das Eigentum unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt (Art5, 2. Satz StGG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg. 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 9189/1981, 11402/1987) gilt der erste Satz des Art5 StGG ebenso für Eigentumsbeschränkungen, auf die sich allerdings auch der im zweiten Satz des zitierten Artikels festgelegte Gesetzesvorbehalt erstreckt: Der Gesetzgeber kann daher verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg. 9189/1981, 9911/1983, 9998/1984).
bb) Das ForstG behandelt - worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinweist - Radfahrer hinsichtlich der Waldbenützung schlechter als Fußgänger und Schifahrer.
Der Gesetzgeber ist bei Erlassung einer Regelung, die eine rechtliche Ungleichbehandlung bewirkt, an das aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitende Sachlichkeitsgebot gebunden.
b) Das öffentliche Interesse an der Waldbenützung liegt dem Wortlaut des §33 Abs1 ForstG und den EB zufolge im Erholungszweck.
Der Beschwerdeführer stellt denn auch nicht in Frage, daß die weitgehende Öffnung des Waldes für Fußgänger mit dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Unversehrtheit des Eigentums zu wahren, und mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang steht.
Forststraßen gelten gemäß §1 Abs3 iVm §59 Abs1 ForstG als Teil des Waldes. Unstrittig ist, daß ohne die in §33 Abs3 ForstG vorgesehene Erlaubnis des Waldeigentümers bzw. des Forststraßenerhalters Wald mit Fahrrädern (Mountain-Bikes) nicht benützt werden darf. Zu erörtern ist im gegebenen Zusammenhang nicht, ob diese Regelung insgesamt verfassungsgesetzlich zulässig ist, sondern nur, ob sie hinsichtlich der Forststraßen sachlich gerechtfertigt werden kann.
Dem Gesetzgeber kann nun nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe den ihm von Verfassungs wegen eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum verlassen, wenn er getrachtet hat, der Erholungsfunktion des Waldes Geltung zu verschaffen, dabei jedoch die Beschränkung des Waldeigentums so gering wie möglich zu halten. Es ist also nicht unsachlich, daß der Gesetzgeber etwa keine weitere Ausdehnung der ohne Zustimmung des Waldeigentümers bzw. Forststraßenerhalters erlaubten Arten der Waldbenützung normiert.
Als weiteres Argument dafür, daß das Gesetz sachlich zu rechtfertigen ist, wenn es - wie dargetan - eine das Befahren von Forststraßen erlaubende Legalservitut nicht einräumt, könnte vorgebracht werden, dem Straßenerhalter sei nicht zumutbar, eine Erweiterung seiner Haftung (§1319a ABGB iVm §176 Abs4 ForstG) in Kauf nehmen zu müssen. Auch - so könnte argumentiert werden - sei es ein vertretbares Anliegen des Gesetzgebers, daß er das Entstehen einer Situation zu verhindern trachte, die (neue) Haftungsbedürfnisse auszulösen geeignet ist. Gegen eine solche Argumentation könnte der Verfassungsgerichtshof nichts einwenden.
Weiters kann er dem Gesetzgeber nicht entgegentreten, wenn dieser nicht bloß darauf achtet, daß die Forststraßen selbst (nur um diese geht es - wie erwähnt - im vorliegenden Fall) und die angrenzenden Waldflächen durch die eingeräumten Benützungsrechte keinen oder möglichst geringen Schaden nehmen, sondern auch das Ziel im Auge hat, den Erholungswert des Waldes insgesamt möglichst hoch zu halten. Ein adäquates Mittel hiezu ist es, eine gegenseitige Beeinträchtigung der verschiedenen Gruppen von (potentiellen) Forststraßenbenützern (etwa Fußwanderer, Alpinschiläufer, Schilangläufer, Radfahrer) zu vermeiden; dies kann etwa auch dadurch geschehen, Radfahrer von der Benützung von Forststraßen generell auszuschließen.
Falls der Beschwerdeführer meinen sollte, es sei unsachlich, Forststraßen von Lastkraftwagen benützen zu lassen, nicht aber auch von Fahrrädern, wäre ein solcher Vergleich nicht angebracht; werden doch Forststraßen gerade zum Zweck errichtet und erhalten, daß der Eigentümer bzw. der sonstige Berechtigte Holz aus dem Wald abtransportieren kann (vgl. die Legaldefinition der Forststraße in §59 Abs2 ForstG).
Wenn der Gesetzgeber weiters das Benützen von Forststraßen durch Schi(lang)läufer offenbar für weniger eingriffsintensiv erachtet hat als durch Radfahrer, so kann der Verfassungsgerichtshof auch dieser Beurteilung verfassungsrechtlich nichts entgegenhalten.
c) Mit den vorstehenden Überlegungen wird allerdings nicht zum Ausdruck gebracht, daß nicht auch eine andere als die bestehende (Radfahrer grundsätzlich von der Benützung von Forststraßen ausschließende) Regelung verfassungskonform sein könnte. Es obliegt dem einfachen Gesetzgeber, im Rahmen des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiraumes zu entscheiden, welche Regelung er bevorzugt.
3.a) Der Verfassungsgerichtshof hat gegen §33 Abs3 ForstG auch keine anderen als die vom Beschwerdeführer vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken.
Da ferner unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die sonstigen, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine Bedenken entstanden sind, wurde der Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
b) Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte sohin nur durch einen willkürlichen Gesetzesvollzug stattgefunden haben. Einen derartigen Vorwurf erhebt der Beschwerdeführer nicht; Anhaltspunkte für Willkür hat das Verfahren auch sonst nicht ergeben. Ebensowenig waren sonstige, der Vollziehung anzulastende, vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Fehler festzustellen. Der Beschwerdeführer ist daher auch nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.
c) Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
Schlagworte
Forstwesen, Waldnutzung, Erholungszwecke (Wald), Fahrräder (Waldnutzung), Mountain-Bikes (Waldnutzung), RadfahrerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B617.1991Dokumentnummer
JFT_10079773_91B00617_00