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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §33 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. August 1993, Zl. 4.343.072/2-III/13/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Bundesasylamt Wien hat mit Bescheid vom 29. Juni 1993 den Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, ihm Asyl zu gewähren, abgewiesen. Diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer nach Ausweis der Verwaltungsakten am 29. Juni 1993 persönlich übernommen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. August 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück, weil der Beschwerdeführer die Berufung bei der unzuständigen Behörde eingebracht habe und dieses Rechtsmittel erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Bundesasylamt eingelangt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer, der das Faktum des verspäteten Einlangens seiner Berufung beim Bundesasylamt als zuständiger Einbringungsstelle nicht bestreitet, erblickt die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes darin, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, Erhebungen darüber anzustellen, wie das richtig an das Bundesasylamt adressierte, in einem Klarsichtfensterkuvert zur Post gegebene Rechtsmittel zu der Bundespolizeidirektion Wien habe gelangen können. Weiters habe es die belangte Behörde unterlassen, Ermittlungen darüber anzustellen, ob die Weiterleitung an das Bundesasylamt ohne unnötigen Aufschub erfolgt sei.
Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die Berufung des Beschwerdeführers am 12. Juli 1993 bei der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, eingelangt ist. Dem Berufungsschriftsatz, der an das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, adressiert ist, ist ein Kuvert nicht angeschlossen. Wohl befindet sich auf der zweiten Seite dieses Schriftstückes im Bereich des Eingangsstempels der mit rotem Kugelschreiber angebrachte handschriftliche Vermerk "ho. eingebrach < - >", wobei diese Klammer sich offenbar auf den auf der ersten Seite als Korrespondenzadresse angeführten, mit einer ebensolchen Klammer eingefaßten Flughafen-Sozialdienst bezieht. Diesem Vermerk steht aber die in der Beschwerde erhobene Behauptung des Beschwerdeführers entgegen, er habe den - mit der Bezeichnung der richtigen Einbringungsstelle versehenen - Berufungsschriftsatz in einem Klarsichtfensterkuvert zur Post gegeben.
Gemäß der hg. Rechtsprechung ist es für die Rechtzeitigkeit der Erhebung einer Berufung entscheidend, daß die Berufung innerhalb offener Frist mit der richtigen Anschrift der Post übergeben wurde (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Eisenstadt 1990, S 498, zitierte Judikatur). Unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers, in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wären diese Voraussetzungen gegeben, weil bei Versendung des Berufungsschriftsatzes in einem Klarsichtfensterkuvert die Anschrift sich aus dem im Schriftsatz genannten - und wie dargelegt richtig bezeichneten - Adressaten ergibt und die Berufung jedenfalls bereits am 12. Juli 1993 und somit innerhalb der mit 13. Juli 1993 ablaufenden Berufungsfrist bei der allerdings als Einbringungsstelle nicht in Betracht kommenden Bundespolizeidirektion Wien eingelangt ist.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die belangte Behörde den von ihr angenommenen Umstand der Verspätung dieses Rechtsmittels dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht und ihm somit auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme hiezu geboten. Die Berufungsbehörde trägt aber, wenn sie dem Berufungswerber die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist nicht zur Stellungnahme vorhält, das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. die in Hauer - Leukauf, aaO, S 499, zitierte Judikatur). Da im Beschwerdefall die vom Beschwerdeführer gegen die Annahme einer - die Verspätung des Rechtsmittels nach sich ziehende - falschen Adressierung seiner Berufung erhobenen Einwendungen in der Beschwerde - mit diesen unterliegt er zufolge der Unterlassung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde nicht dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot - durchaus geeignet sind, im Fall ihres Zutreffens die Erlassung eines anderslautenden Bescheides zu bewirken, kommt dem in der Unterlassung der Anhörung des Beschwerdeführers zur angenommenen Verspätung seiner Berufung gelegenen Verfahrensmangel Wesentlichkeit zu.
Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190988.X00Im RIS seit
11.07.2001