TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/6 94/20/0205

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.1994
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juni 1993, Zl. 4.313.425/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, ist am 21. März 1991 in das Bundesgebiet eingereist. Am 26. März 1991 hat er beantragt, daß ihm Asyl gewährt werde. In seiner Vernehmung vor der Behörde erster Instanz gab der Beschwerdeführer an, daß er zwischen 1985 und 1990 vier bis fünf Mal von Soldaten in seinem Dorf verprügelt worden sei; er sei an sich politisch nie aktiv tätig gewesen, habe jedoch gelegentlich die kurdischen Freiheitskämpfer der PKK unterstützt, indem er ihnen Lebensmittel habe zukommen lassen. Deshalb sei er wieder von Soldaten geschlagen worden. Die Soldaten behandelten die kurdischen Jugendlichen sehr brutal, weil sie ihnen Angst einjagen wollten, damit sie die kurdischen Freiheitskämpfer nicht unterstützten. Mit Bescheid vom 18. Juli 1991 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich den Antrag des Beschwerdeführers ab. In der Begründung des Bescheides führte die Sicherheitsdirektion aus, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren keine einwandfreien Anhaltspunkte dafür ergeben habe, daß die vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen auch tatsächlich zutreffen.

Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde, mit welchem diese die Berufung abwies und feststellte, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers in der Vernehmung vor der Behörde erster Instanz und der Wiedergabe des Bescheidinhaltes der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich aus, daß der Beschwerdeführer in der Berufung ergänzende Angaben gemacht habe. Nach Wiedergabe der im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgeblichen Rechtsvorschriften des Asylgesetzes 1991 führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, daß keine begründete Furcht vor Verfolgung im Fall des Beschwerdeführers vorliege. Die Flüchtlingseigenschaft im Sinn des Asylgesetzes liege daher nicht vor.

Sofern in der Berufung Verfahrensfehler (entscheidungswesentliche Feststellungs- und Begründungsmängel) gerügt würden, sei auf dieses Vorbringen nicht einzugehen, da allfällige Mängel mit der Erlassung des Berufungsbescheides behoben seien.

Voraussetzung für die Gewährung von Asyl sei, daß den vom Asylwerber im Laufe des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumenten entnommen werden müsse, er müsse mit konkreter Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung rechnen. Dies könne im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden.

Die erforderliche Verfolgungsmotivation des Staates sei dann nicht gegeben, wenn die behördlichen Maßnahmen rechtsstaatlich legitimen Zwecken wie der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung dienten. Auch Beschränkungen des Versammlungsrechtes oder der Abhaltung von Demonstrationen in einem Lande stellten keinen im § 1 Asylgesetz 1991 genannten Grund dar, den Bewohnern jenes Landes deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Damit im Zusammenhang stehende polizeiliche Maßnahmen wie die Festnahme und Anhaltung von Teilnehmern an verbotenen Demonstrationen erwiesen sich nicht als Verfolgungshandlung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991. Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, die kurdischen Freiheitskämpfer der PKK durch Lebensmittel unterstützt zu haben, weist die belangte Behörde darauf hin, daß diese Organisation in den letzten Jahren häufig terroristische Anschläge unternommen habe. Nach detaillierter Anführung einiger Anschläge, zu denen sich die PKK bekannt habe, schließt die Behörde, daß die Strafverfolgung wegen von der PKK ausgehendem Terrorismus, wegen der Mitgliedschaft bei ihr oder wegen ihrer aktiven Unterstützung keinen Asylgewährungsgrund darstellen könne, weil es sich hiebei um kriminelle Tatbestände handle und mit der Strafverfolgung der Verdächtigte nicht in seiner Gesinnung getroffen werden solle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge in seinem Recht auf Asylgewährung durch unrichtige Anwendung des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde unter Zuspruch der Kosten für den Vorlageaufwand beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991 das Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen ist.

Der belangten Behörde ist im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch hinsichtlich der Auffassung zuzustimmen, daß eine aus Anlaß der Teilnahme an einer Demonstration erfolgende Verhaftung für sich allein noch kein Indiz für das Vorliegen konkreter, gegen eine bestimmte Person gerichteter Verfolgung darstellt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1991, Zl. 90/01/0196). Wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall jedoch davon ausgeht, daß die Festnahme des Beschwerdeführers nach der Teilnahme an einer Demonstration keine Verfolgungshandlung im Sinn des § 1 Asylgesetz 1991 darstelle, weil es sich um die strafrechtliche Bekämpfung von Terrorismus und seiner Begünstigung gehandelt habe, finden diese Feststellungen keine Deckung im festgestellten Sachverhalt. Die Behörde erster Instanz hat insbesondere keine Teilnahme an einer VERBOTENEN Demonstration festgestellt. Die diesbezügliche Annahme im angefochtenen Bescheid erweist sich daher als unzutreffend.

Auch das allgemeine Vorbringen zu der Tätigkeit der PKK ist nicht geeignet, die rechtliche Beurteilung im Beschwerdefall zu tragen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt etwa im Erkenntnis vom 24. März 1994, Zl. 94/19/0282, ausgesprochen hat, kann aus einer unterstützenden Tätigkeit für die PKK mangels Durchführung weiterer Ermittlungen und entsprechender Feststellungen im Verwaltungsverfahren nicht darauf geschlossen werden, daß den Beschwerdeführer ein Vorwurf treffen könnte, der das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft ausschließen würde (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703). Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang getroffenen Sachverhaltsfeststellungen - ungeachtet des Umstandes, daß sie keinen Bezug zum Beschwerdeführer aufweisen - keine Feststellungen der Behörde erster Instanz sind und damit im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unbeachtlich sind.

Die Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung nicht aus einem der Konventionsgründe erfolgt sei, sondern sich von den staatlichen Motiven her im Rahmen eines legitimen hoheitlichen Strafanspruches bewege, entbehrt daher insgesamt in den gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zu beachtenden Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz der Grundlage.

Ergänzend ist dazu noch auszuführen, daß die belangte Behörde weiters im angefochtenen Bescheid nur auf die Vorfälle in den Jahren 1985 bis 1989 eingegangen ist und DIESBEZÜGLICH den zeitlichen Bezug zur Einreise des Beschwerdeführers ins Bundesgebiet verneint hat. Sowohl auf die zunächst in der Vernehmung angesprochenen Vorfälle im Jahre 1990 als auch auf die weiteren Angaben ("deshalb wurde ich wieder von Soldaten geschlagen") geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ein. Da diese Angaben sich offenbar auf zeitlich nach 1990 liegende Ereignisse beziehen sollen, wäre eine allfällige Unklarheit über ihre Bedeutung im Verwaltungsverfahren aufzuklären gewesen.

Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Verfahrensmängel sind wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG, da sie die für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft maßgebenden Umstände betreffen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, in der in Pauschalsätzen aber die Umsatzsteuer bereits enthalten ist, sodaß das Begehren auf Zuspruch von weiterer Umsatzsteuer abzuweisen war.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200205.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten