TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/12 94/04/0045

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Veröffentlicht am 12.07.1994
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §87 Abs1 idF 1993/029;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Februar 1994, Zl. MA 63 - P 31/94, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Februar 1994 wurde dem Beschwerdeführer das Gewerbe: "Handelsagentur im Standort Wien, M-Straße 80/27", gestützt auf § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 GewO 1973 entzogen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Juni 1992 wegen Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB verurteilt worden, weil er sich im Dezember 1988 anläßlich der Anmietung einer Wohnung ihm von der Vormieterin und deren Schwester lediglich zum befristeten Gebrauch überlassene Einrichtungsgegenstände im Wert von S 55.239,-- zugeeignet habe. Trotz Andrängens der Vormieterin habe der Beschwerdeführer zumindest bis zur Erlassung des Strafurteiles erster Instanz die Herausgabe von ihm anvertrauten 27 Einrichtungsgegenständen verweigert. Weitere Einrichtungsgegenstände habe der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben weggeworfen. Der Beschwerdeführer sei zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden; diese Verurteilung sei unbestrittenermaßen weder getilgt noch unterliege sie der beschränkten Auskunftspflicht. Es sei daher die Behörde nach § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 GewO 1973 unter der Voraussetzung, daß nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei, zur Entziehung der dem Beschwerdeführer zustehenden Gewerbeberechtigung verpflichtet. Die Ausübung des Gewerbes eines Handelsagenten bietet zweifellos Gelegenheit zur Veruntreuung von Warenmustern, beim Aufsuchen von Personen zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen und ähnlichen Eingriffen in fremde Eigentumsrechte. Bei der der strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Tat handle es sich keineswegs um ein geringfügiges Delikt; vielmehr habe der Beschwerdeführer jahrelang die Herausgabe der von ihm veruntreuten 27 Einrichtungsgegenstände verweigert. Obzwar die übrigen Einrichtungsgegenstände vom Beschwerdeführer nicht veruntreut sondern angeblich weggeworfen worden seien, ließen die gesamten Begleitumstände der Tat den Schluß zu, der Beschwerdeführer neige dazu, in fremde Eigentumsrechte einzugreifen. Das Oberlandesgericht Wien habe die vom Erstgericht verhängte sechsmonatige bedingte Freiheitsstrafe trotz der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit bestätigt. Es sei somit zu befürchten, der Beschwerdeführer könnte bei der Gewerbeausübung gleiche oder ähnliche Straftaten begehen, zumal er die der Verurteilung zugrundeliegende Tat in einem Alter (47 Jahre) verübt habe, in dem die Charakterbildung eines Menschen erfahrungsgemäß längst abgeschlossen sei. Von einer Überwindung seiner Neigung zur Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten könne erst gesprochen werden, wenn der Beschwerdeführer während vieler Jahre nicht mehr straffällig geworden sei. Die seit der Verurteilung vergangene Zeit sei jedoch für eine solche günstige Prognose noch viel zu kurz.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben der Entziehung des in Rede stehenden Gewerbes verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen auf die im Strafakt enthaltene Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft einzugehen, welche davon ausgegangen sei, es sei beim Beschwerdeführer ein auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteter Vorsatz nicht gegeben gewesen, weshalb eine Beweiswiederholung beantragt worden sei. Zwar müsse der Beschwerdeführer die rechtskräftige Verurteilung zur Kenntnis nehmen, doch wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, den Zusammenhang der strafbaren Handlung und deren erfolgte Begehung in Beziehung mit seiner Persönlichkeit und mit der Frage zu setzen, ob gleiche oder ähnliche Straftaten bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten seien. Dabei hätten es beide Instanzen unterlassen, eine Leumundsnote einzuholen. Daraus hätte sich ergeben, daß der Beschwerdeführer bisher, von der in Rede stehenden Verurteilung abgesehen, unbescholten sei. Er habe sich somit fünf Jahre lang wohlverhalten. Es sei auch nicht geprüft worden, ob "bei Ausübung des Gewerbes" die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten zu befürchten sei. Dies sei im Hinblick auf seine wirtschaftliche Situation, die sich aus den Umsätzen und den Gewinnen seines Unternehmens ergebe, nicht der Fall. Beide Instanzen hätten es auch unterlassen, die Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers zu prüfen. Es lägen keine gewerberechtlichen Verstöße und keine diesbezüglichen Verurteilungen vor. Ausgehend von seiner Persönlichkeit und der Begehung der Straftat im privaten Bereich sei es geradezu ausgeschlossen, daß er gleiche oder ähnliche Straftaten bei Ausübung des Gewerbes begehen werde. Die Behörde habe es nicht als richtig angesehen, sich von seiner Persönlichkeit durch Einvernahme Kenntnis zu verschaffen. Die Behörde wäre aber auch verpflichtet gewesen, ihn anzuleiten, der Behörde von sich aus die Möglicheit zu geben, seine Persönlichkeit zu prüfen. Dieses unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstattete Vorbringen wiederholt der Beschwerdeführer auch unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Darüber hinaus wird geltend gemacht, die belangte Behörde habe zu Unrecht von der Bestimmung des § 87 Abs. 4 (gemeint offenbar Abs. 3) GewO 1993 keinen Gebrauch gemacht.

Gemäß § 87 Abs. 1 GewO 1973 in der hier im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 27/1993, ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn

1.) auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, oder ...

Nach § 13 Abs. 1 leg. cit. ist von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister (§ 6 des Tilgungsgesetzes 1972 in der jeweils geltenden Fassung) unterliegt.

Zufolge § 87 Abs. 3 leg. cit. kann die Behörde die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, daß diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen eines Ausschlußgrundes gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1973, meint aber, die weitere im § 87 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. normierte Voraussetzung der Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes sei nicht gegeben. Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Daran vermag die Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Strafurteil nichts zu ändern, ist doch das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht dieser Argumentation ausdrücklich nicht gefolgt und vom Vorliegen eines Bereicherungsvorsatzes ausgegangen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag unter Beachtung der übrigen von der belangten Behörde festgestellten Umstände der gegenständlichen Straftat die Rechtsansicht der belangten Behörde, die sich in dieser Tat manifestierende Persönlichkeit sei so geartet, daß die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Strafttat bei Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes zu befürchten sei, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Daran vermag der Umstand, daß der Beschwerdeführer von dieser Straftat abgesehen unbescholten ist, nichts zu ändern.

Das in diesem Zusammenhang erstattete Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine Leumundsnote einzuholen und festzustellen, daß keine gewerberechtlichen Verstöße und diesbezüglichen Verurteilungen dem Beschwerdeführer zur Last liegen, geht schon deshalb fehl, weil die belangte Behörde ohnedies ihrer Entscheidung allein die in Rede stehende Verurteilung zugrunde legte und damit unverkennbar davon ausging, daß weitere Straftaten dem Beschwerdeführer nicht zur Last fallen.

Der Beschwerdeführer unterläßt es, darzulegen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde hätte kommen können, hätte sie sich "von seiner Persönlichkeit durch Einvernahme Kenntnis" verschafft. Dieses Vorbringen ist daher schon aus diesem Grund nicht geeignet, einen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG relevanten Verfahrensmangel darzutun.

Der Hinweis, die belangte Behörde habe es unterlassen den Beschwerdeführer entsprechend anzuleiten, ist ebenfalls nicht geeignet, einen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel darzutun. Denn die im § 13a AVG normierte Verpflichtung der Behörde, nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretenen Personen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, verpflichtet die Behörde nicht, Verfahrensparteien oder andere Beteiligte in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beraten und ihnen Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 178 f, zitierte hg. Rechtsprechung).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch der der Beschwerdeargumentation offenbar zugrundeligenden Überlegung, die Begehung eines Eigentumsdeliktes sei dann nicht zu befürchten, wenn der Betroffene in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, nicht zu folgen. Eine solche Überlegung kann im Hinblick auf die allgemeine Lebenserfahrung nicht als zwingend angesehen werden.

Das Vorbringen schließlich, die belangte Behörde habe (gemeint offenbar: zu Unrecht) von der Bestimmung des § 87 Abs. 3 GewO 1973 keinen Gebrauch gemacht, ist schließlich deshalb nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, weil es der Beschwerdeführer unterläßt, dazu Näheres auszuführen. Die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Aktenlage bietet aber keine Anhaltspunkte dafür, es könne nach den Umständen des Falles erwartet werden, daß die Entziehung der Gewerbeberechtigung nur für eine bestimmte Zeit ausreiche, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Beschwerdeführers zu sichern.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 424Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994040045.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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