TE Vfgh Beschluss 1992/2/28 B1314/91

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Veröffentlicht am 28.02.1992
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

ZivildienstG §2 Abs1 idF BGBl 675/1991
VfGG §86
VfGG §88
ZivildienstG §76b Abs1 idF BGBl 675/1991

Leitsatz

Einstellung des Verfahrens nach Wegfall des Beschwerdegegenstandes; Ausscheiden des den Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Wehrpflicht abweisenden Bescheides aus dem Rechtsbestand; Geltung des vor der Zivildienstgesetz-Novelle 1991 gestellten Antrags als Erklärung nach §2 Abs1 ZivildienstG; kein Kostenzuspruch

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

1.a) Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK) wies mit Bescheid vom 11. April 1991 den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Jänner 1991, ihn nach §5 Abs1 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG), BGBl. 679, von der Wehrpflicht zu befreien, gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 ZDG ab.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) mit Bescheid vom 3. September 1991, Zl. 157 849/2-ZDOK/2/91, keine Folge.

b) Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte, am 22. November 1991 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Beschwerde, in der die Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

c) Dem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde mit Beschluß vom 17. Dezember 1991, B1314/91-4, Folge gegeben.

2.a) Mit der Zivildienstgesetz-Novelle 1991, BGBl. 675, wurde das ZDG umfassend geändert: An die Stelle des Antrages auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (über den Antrag hatte die ZDK bescheidmäßig abzusprechen) tritt nunmehr die bloße Erklärung, die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen zu können und Zivildienst leisten zu wollen (§2 Abs1 ZDG idF der Novelle 1991 - im folgenden kurz: ZDG nF). Der Bundesminister für Inneres hat dem §5 Abs4 ZDG nF zufolge mit Bescheid festzustellen, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Diese Bestimmungen traten mit 1. Jänner 1992 in Kraft (s. den durch ArtII Z1 ZDG-Novelle 1991 neu gefaßten §76 Abs1 ZDG). Die Funktion der Mitglieder der ZDK ist mit 31. Dezember 1991 erloschen (§76 d Abs4 ZDG nF). Die bis zum 31. Dezember 1991 im Amt befindlichen Mitglieder der ZDOK gelten für den restlichen Zeitraum ihrer Bestellung zu dieser Kommission als Mitglieder des Zivildienstrates in der bisherigen Funktion (Vorsitzender, Berichterstatter, übriges Mitglied) (§76 d Abs3 ZDG nF).

b) §76 b Abs1 ZDG nF bestimmt:

"§76 b. (1) Die vor dem 1. Jänner 1992 nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage eingebrachten Anträge auf Befreiung von der Wehrpflicht gelten als Erklärung nach §2 Abs1, sofern bis zu diesem Zeitpunkt keine stattgebende Entscheidung getroffen oder der Antrag nicht rechtskräftig ab- oder zurückgewiesen worden ist. Diese sind an den Bundesminister für Inneres zur Entscheidung nach §5 Abs4 weiterzuleiten. Der Zivildienstwerber ist hievon in Kenntnis zu setzen."

3.a) Für die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung.

Eine am Sinn des §76 b Abs1 ZDG nF orientierte Auslegung legt nahe, daß jenen Fällen, in denen bis 1. Jänner 1992 "der Antrag (noch) nicht rechtskräftig ab- oder zurückgewiesen worden ist", solche Fälle gleichzuhalten sind, in denen zum genannten Zeitpunkt zwar Rechtskraft im formellen Sinn eingetreten, aber meritorisch noch keine endgültige Entscheidung über den Antrag erfolgt war, etwa deshalb, weil noch eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde offen war.

b) Das bedeutet für die erwähnten Fälle, daß ein nach §5 Abs1 ZDG idF vor dem Inkrafttreten der Novelle 1991 gestellter Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht, der den Gegenstand eines am 1. Jänner 1992 noch nicht abgeschlossenen Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bildet, als "nicht rechtskräftig abgewiesener" Antrag iS des §76 b Abs1 ZDG nF zu qualifizieren ist.

Ein solcher Antrag gilt - ohne daß es irgendeines individuell-konkreten Rechtsaktes bedürfte - als Erklärung nach §2 Abs1 ZDG nF. Dem allenfalls entgegenstehende Bescheide (etwa der ZDK oder der ZDOK) sind ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.

c) Der angefochtene, den Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Wehrpflicht abweisende Bescheid der ZDOK gehört sohin (ebenso wie der erstinstanzliche Bescheid) seit 1. Jänner 1992 nicht mehr der Rechtsordnung an.

Solcherart aber wurde das von der Beschwerde angestrebte Ziel (nämlich die Beseitigung des angefochtenen Bescheides) - wenngleich anders als im Wege der Behebung durch den Verfassungsgerichtshof - erreicht; der Beschwerdegegenstand ist weggefallen. Damit ist Klaglosstellung iS des §86 VerfGG eingetreten. Das Verfahren war deshalb einzustellen (vgl. zB VfSlg. 5939/1969, 8262/1978, 8319/1978, 9115/1981, 11582/1987, 12036/1989).

d) Der Bundesminister für Inneres wird nunmehr den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Jänner 1991 als Erklärung nach §2 Abs1 ZDG nF zu behandeln und entsprechend §5 Abs4 ZDG nF vorzugehen haben.

4. Verfahrenskosten waren nicht zuzusprechen, weil kein Fall der Klaglosstellung iS des §88 VerfGG vorliegt (vgl. zB VfSlg. 9553/1982, 12036/1989).

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z3 VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten, Zivildienst, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B1314.1991

Dokumentnummer

JFT_10079772_91B01314_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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