TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/21 94/18/0374

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Veröffentlicht am 21.07.1994
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Index

19/05 Menschenrechte;
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §26;
MRK Art8 Abs2;
TilgG 1972;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Juni 1994, Zl. Fr 420/94, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Am 24. November 1984 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 lit. b Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 75/1954, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Dem lag zugrunde, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. März 1984 "wegen §§ 142 Abs. 1, 143 StGB" rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verheiratet, seine beiden minderjährigen Kinder lebten nicht in Österreich.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Oktober 1993 auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer 1990 ohne Bewilligung gemäß § 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz in das Bundesgebiet eingereist sei. In der Folge seien ihm mehrere Vollstreckungsaufschübe erteilt worden, zuletzt am 6. Oktober 1992 bis zum 30. Oktober 1993. Wegen des rechtswidrigen Aufenthaltes vom 11. Februar 1991 bis 2. April 1991 sei der Beschwerdeführer "gemäß

§ 14 b Fremdenpolizeigesetz" bestraft worden; ferner sei er am 27. November 1993 "wegen Übertretung nach § 82 FrG" bestraft worden. Der Beschwerdeführer habe am 25. Juni 1991 "in zweiter Ehe" eine österreichische Staatsangehörige geheiratet, von der er jedoch getrennt lebe. Drei Kinder des Beschwerdeführers - das dritte Kind sei nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes in Jugoslawien geboren worden - hielten sich seit Februar 1990 im Bundesgebiet auf und lebten bei den Eltern des Beschwerdeführers. Dieser sei seit 22. Februar 1994 beschäftigt und auch zuvor zu im einzelnen näher bezeichneten Zeiten einer Beschäftigung nachgegangen. Die belangte Behörde komme "aufgrund der Schwere der Verurteilung sowie der Umstände Ihrer Einreise und in weiterer Folge der Verletzung der bestehenden Rechtsvorschriften" zu dem Ergebnis, daß die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, nicht nur nicht weggefallen seien; vielmehr seien neuerlich Sachverhalte verwirklicht worden, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß seine gerichtliche Verurteilung bereits "als getilgt zu betrachten" und daher nicht mehr bei der Entscheidung zu berücksichtigen sei. Damit ergebe die Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen ein eindeutiges Übergewicht für die privaten Interessen. Der Beschwerdeführer sei aufrecht an einer bestimmten Anschrift in Wien gemeldet und dort auch wohnhaft. Seine drei Kinder lebten bei seinen Eltern und ihm. Er sorge für die Kinder, die auch in Österreich die Schule besuchten. Er sei in Österreich berufstätig. Es sei also davon auszugehen, daß er hier vollkommen sozial integriert sei. Was hingegen die Verwaltungsstrafen betreffe, seien sie in keiner Weise derart gravierend, daß sie das Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würden.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Selbst wenn man davon ausginge, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits die Tilgung der gerichtlichen Verurteilung eingetreten wäre, würde sich daraus keine für ihn positive Änderung ergeben. Die gerichtliche Verurteilung könnte zwar - für sich allein - nicht mehr als bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG gewertet werden; die eingetretene Tilgung stünde jedoch einer Berücksichtigung der der Verurteilung zugrundeliegenden Tat im Rahmen der Beurteilung des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0158, zur gleichen Rechtslage nach dem Fremdenpolizeigesetz). In diese Beurteilung sind auch die nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände einzubeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0004), das ist im Beschwerdefall die Einreise in das Bundesgebiet entgegen dem Aufenthaltsverbot und der unrechtmäßige, nicht durch Vollstreckungsaufschübe gedeckte Aufenthalt in Österreich, den der Beschwerdeführer trotz entsprechender Bestrafungen fortsetzte. Dieses Gesamt(fehl)verhalten läßt aber die in § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme weiterhin gerechtfertigt erscheinen.

Wenngleich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreift, ist diese Maßnahme doch im Sinne des § 19 FrG zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Bereich des Fremdenwesens und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, dringend geboten.

Die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes ist auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zu bejahen. Was die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "soziale Integration" anlangt, so vermögen die während des aufrechten Bestandes des Aufenthaltsverbotes geschaffenen Tatsachen nicht entscheidend zu seinem Vorteil auszuschlagen (vgl. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0004). Die private und familiäre Interessenlage des Beschwerdeführers hat sich allerdings insoweit zu seinen Gunsten geändert, als nunmehr drei Kinder des Beschwerdeführers in Österreich leben; dem stehen jedoch öffentliche Interessen an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes gegenüber, die insbesondere im Hinblick auf den einem geordneten Fremdenwesen zukommenden hohen Stellenwert ein derart beträchtliches Gewicht haben, daß nicht gesagt werden kann, die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen schwerer als die nachteiligen Folgen der Aufhebung dieser Maßnahme. Daß der Beschwerdeführer seiner Unterhaltspflicht auch vom Ausland her nachkommen kann, hat im übrigen bereits die belangte Behörde zutreffend ausgeführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0062).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180374.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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