TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/21 94/18/0209

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Veröffentlicht am 21.07.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
VwRallg;
ZPO §292 Abs2;
ZPO §292;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in der Türkei, vertreten durch Dr. N, RA in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 3. März 1994, Zl. III 25-5/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. März 1994 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 5. August 1993, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein bis zum 5. August 1998 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, nach Zustellversuchen am 10. und 11. August 1993 sei der erstinstanzliche Bescheid beim Postamt hinterlegt worden. Der Beginn der Abholfrist sei der 12. August 1993 gewesen. Dies ergebe sich aus dem Rückschein in Verbindung mit der Aussage des Zustellers. Die Berufungfrist habe daher am 26. August 1993 geendet. Die Berufung vom 23. September 1993 sei demnach verspätet.

Die Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung sei rechtswirksam gewesen, weil sich der Beschwerdeführer, wie sich aus seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 25. Jänner 1994 ergebe, zur fraglichen Zeit regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe und nicht wegen einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes von der Abgabestelle abwesend gewesen sei. Aus der Behauptung des Beschwerdeführers, er wisse von einer Briefzustellung nichts, sei nichts zu gewinnen. Die ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung ergebe sich aus dem Inhalt des Rückscheines und den Angaben des Zustellers. Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung sei auch dann gültig, wenn die an der Abgabestelle zurückgelassenen Verständigungen beschädigt oder entfernt worden seien (§ 17 Abs. 4 Zustellgesetz). Die berufliche Abwesenheit von der Wohnung während eines Tages, ja sogar während der Wochentage sei keine Abwesenheit von der Abgabestelle, die eine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung verhindere. Die am 9. September 1993 bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck erfolgte Aushändigung des Bescheides habe keine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Entscheidend für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist, ob die Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides am 11. August 1933 rechtmäßig erfolgt ist und der Bescheid daher am 12. August 1993 (erster Tag der Abholfrist) gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz Zustellgesetz als zugestellt gilt. Ist dies zu bejahen, hat die Berufungsfrist in der Dauer von zwei Wochen am 26. August 1993 geendet. In diesem Fall wäre zufolge § 6 Zustellgesetz durch die am 9. September 1993 bei der Behörde erfolgte Aushändigung des Bescheides nicht neuerlich der Lauf der Berufungsfrist ausgelöst und die am 23. September 1993 zur Post gegebene Berufung daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden.

2.1. Nach dem Inhalt des im Akt befindlichen Rückscheines hat der Zusteller nach einem erfolglosen Zustellversuch am 10. August 1993 die Ankündigung des zweiten Zustellversuches in das Hausbrieffach eingelegt. Am 11. August 1993 hat er einen zweiten Zustellversuch unternommen und - nachdem auch dieser erfolglos gewesen ist - die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt. Die Sendung wurde am 11. August 1993 beim Postamt hinterlegt. Beginn der Abholfrist war der 12. August 1993. 2.2. Der vom Zusteller erstellte Zustellnachweis (Rückschein) ist eine öffentliche Urkunde, die den Beweis dafür erbringt, daß die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO zulässig. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzubieten, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, unter E.Nr. 1a und b zu § 22 Zustellgesetz zitierte hg. Rechtsprechung). Eine weder zeitlich konkretisierte noch in irgendeiner Weise belegte Behauptung, ortsabwesend gewesen zu sein, genügt dafür nicht (siehe das hg. Erkenntnis vom 13. November 1992, Zl. 91/17/0047).

3. Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 25. Jänner 1994 angegeben, "zu dieser Zeit" an der genannten Adresse M-Weg Nr. 78 Top 3 gewohnt, jedoch von Briefzustellung nichts gewußt zu haben. Er sei damals in K beschäftigt gewesen und immer erst gegen 22.00 Uhr nach Hause gekommen. Oft sei er auch in der Wohnung seiner Eltern in der K-Allee Nr. 88 aufhältig gewesen.

Der Zusteller hat bei seiner niederschriftlichen Befragung am 4. Februar 1994 angegeben, die Zustellung des gegenständlichen RSa-Briefes sei ihm noch in Erinnerung. Ihm sei bekannt gewesen, daß der Beschwerdeführer an der Adresse M-Weg 78 wohnhaft gewesen sei. Er habe das Schriftstück "postalisch angekündigt" und am nächsten Tag hinterlegt. Die Hinterlegungsanzeige sei in der Brieffachanlage Nr. 3 deponiert worden. Daß der Beschwerdeführer dort gewohnt habe, sei ihm deshalb bekannt gewesen, weil er immer wieder Schriftstücke an ihn persönlich habe zustellen müssen. Auch seine Lebensgefährtin sei ihm bekannt. Von ihr habe er zu einem späteren Zeitpunkt, im September oder Oktober, erfahren, daß der Beschwerdeführer im Gefängnis sei und ihm deshalb keine Post mehr an dieser Adresse zugestellt werden könne.

4.1. Die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 25. Jänner 1994 sind im Sinne des oben unter Punkt 2.2. Gesagten mangels konkreter Behauptungen nicht geeignet, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zustellung durch Hinterlegung zu wecken.

4.2. Dasselbe gilt für die vom Vertreter des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs erstattete Stellungnahme vom 2. März 1994. Wenn darin beanstandet wird, daß aus der Aussage des Zustellers nicht hervorgehe, wann der erste und wann der zweite Zustellversuch gewesen seien, ist zu erwidern, daß die diesbezüglichen Daten ohnedies bereits im Zustellnachweis vermerkt sind, weshalb eine neuerliche Bestätigung in der Niederschrift mangels gegenteiliger Behauptungen nicht notwendig gewesen ist. Da der Zusteller den Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin auf Grund früherer Zustellungen gekannt hat, hatte er Grund zur Annahme, daß sich der Beschwerdeführer an der Abgabestelle regelmäßig aufhalte. Dies wurde im übrigen vom Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 25. Jänner 1994 nicht in Abrede gestellt.

Wenn in der Stellungnahme schließlich "vorsorglich" vorgetragen wird, "daß nicht ordnungsgemäß hinterlegt wurde, insbesondere nicht in gesetzmäßiger Weise zwei Zustellversuche durchgeführt wurden, der Einschreiter nicht vom Zeitpunkt des zweiten Zustellversuches verständigt wurde, die Mitteilung von der Hinterlegung nicht gesetzlich eingelegt wurde und daher eine gesetzmäßige Hinterlegung nicht erfolgt ist", und behauptet wird, "daß der Einschreiter wegen der von ihm erwähnten berufsbedingten Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig von einem allfälligen Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte", zeigt schon die Formulierung dieses Vorbringens, daß damit keine konkreten Sachverhaltsbehauptungen im Sinne des oben unter Punkt 2.2. Gesagten aufgestellt werden.

Aus dem in der Stellungnahme hervorgehobenen Umstand, daß dem Beschwerdevertreter anläßlich seines ersten Einschreitens von der Erstbehörde mitgeteilt worden sei, daß die Zustellung am 9. September 1993 durch Übergabe des Bescheides bei der Behörde erfolgt sei, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil sich diese Mitteilung auf die (zweite) Zustellung vom 9. September 1993 bezogen hat, die zufolge § 6 Zustellgesetz nicht maßgebend ist.

5. Auf Grund der Ergebnisse der Ermittlungen betreffend die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides durch Hinterlegung hatte die belangte Behörde von der Rechtmäßigkeit dieser Zustellung auszugehen.

Die Beschwerde enthält nichts, was diese Beurteilung rechtswidrig erscheinen ließe. Wenn der Beschwerdeführer in der Begründung des angefochtenen Bescheides Feststellungen darüber vermißt, "an welcher Abgabestelle die Geschehnisse stattgefunden haben sollen", ist ihm zu erwidern, daß nach der Aktenlage nicht der geringste Zweifel daran bestehen kann, daß die Zustellversuche unter der Wohnadresse des Beschwerdeführers in I, M-Weg Nr. 78 (Top Nr. 3), unternommen worden waren. Dies ergibt sich auch aus der wörtlichen Zitierung der Aussage des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid.

Die Behauptung, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, ob ein erster und ein zweiter Zustellversuch durchgeführt worden seien und wann dies geschehen sei, grenzt im Hinblick auf die diesbezüglichen ausdrücklichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid (Seite 2 Mitte) an Mutwilligkeit. Soweit der Beschwerdeführer Unvollständigkeiten in der Aussage des Zustellers zu erkennen glaubt, ist ihm zu erwidern, daß es - wie bereits erwähnt - mangels konkreter gegenteiliger Behauptungen nicht notwendig war, alle im Zustellnachweis enthaltenen Daten in der Niederschrift über die Vernehmung des Zustellers wiederum festzuhalten. Daß der Zusteller die Ankündigung des zweiten Zustellversuches und die Hinterlegungsanzeige in das für die Wohnung des Beschwerdeführers (Top Nr. 3) eingerichtete Hausbrieffach eingelegt hat, versteht sich von selbst und wurde vom Zusteller auch bei seiner Vernehmung ausdrücklich erwähnt. Es bedarf daher entgegen der Auffassung der Beschwerde keiner weitwendigen Begründung, warum das Hausbrieffach dem Beschwerdeführer zugeordnet wird.

Mit seinem Hinweis, daß der Zusteller laut Niederschrift nicht als Zeuge unter Einhaltung der Förmlichkeiten des § 50 AVG vernommen worden sei, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb keinen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel darzutun, weil er nicht aufzeigt, inwiefern die belangte Behörde im Falle der zeugenschaftlichen Vernehmung des Zustellers zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

6. Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr.416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180209.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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