TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/27 93/09/0370

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Veröffentlicht am 27.07.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §13a;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §56;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der S-Gesellschaft mbH in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Vorarlberg vom 29. Juli 1993, Zl. III/6702-1058506, betreffend Nichterteilung einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 11. November 1991 beim Arbeitsamt Bludenz den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen P.G. als Tischlerhelfer. Im Begleitschreiben wurde darauf hingewiesen, daß geeignete Arbeitskräfte für die beschwerdeführende Partei nicht zu bekommen seien und der Bruder des P.G. bereits erfolgreich im Betrieb der beschwerdeführenden Partei arbeite.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 7. Juni 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüberhinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der dagegen erhobenen Berufung wies die beschwerdeführende Partei insbesondere darauf hin, daß auf ihren Antrag überhaupt nicht eingegangen worden sei. Eine Überschreitung der Landeshöchstzahl sei nicht einmal behauptet worden, die Landeshöchstzahl sei auch gar nicht genannt worden, offenbar, weil diese Landeshöchstzahl "ihrerseits an willkürlicher Festlegung leiden würde". Das weitere Vorbringen beschäftigt sich mit verfassungsrechtlichen Fragen.

Mit Vorhalt vom 29. Juni 1993 wurde die beschwerdeführende Partei im Berufungsverfahren vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verständigt. Dieser Vorhalt enthielt neben einer Wiedergabe der einschlägigen Normen des AuslBG und der Mitteilung, daß die Zahl der auf die Landeshöchstzahl anzurechnenden Ausländer in Vorarlberg mit Stichtag Ende Mai 1993 nach der amtlichen Statistik 24.741 betragen habe und damit die mit Verordnung "BGBl. Nr. 598/1992" mit 17.000 festgesetzte Landeshöchstzahl weit überschritten sei, die Feststellung, der subjektiv empfundene Bedarf an einer Arbeitskraft allein stelle keine Voraussetzung dar, eine Beschäftigungsbewilligung über bestimmte Landeshöchstzahlen hinaus nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu erteilen. Auch das handwerkliche Geschick des P.G. und die Beschäftigung seines Bruders im Betrieb der beschwerdeführenden Partei stelle keinen besonderen Grund im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG dar.

In ihrer Stellungnahme vom 16. Juli 1993 brachte die beschwerdeführende Partei vor, die Behauptung, daß die Landeshöchstzahl überschritten sei, stelle eine im Berufungsverfahren unzulässige Änderung des Verfahrensgegenstandes dar. Außerdem sei diese Behauptung, es seien derzeit 24.741 Beschäftigungsbewilligungen ausgestellt, willkürlich, weil es keine entsprechende Zählung der erteilten Beschäftigungsbewilligungen gebe.

Darauf erging der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 AuslBG i.d.F. BGBl. Nr. 684/1991, keine Folge gab. In der Begründung ging die belangte Behörde - wie bereits in ihrer Verständigung vom 29. Juni 1993 davon aus, daß der Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Verordnung für das Bundesland Vorarlberg für das Jahr 1993 eine Landeshöchstzahl mit 17.000 festgesetzt habe. Mit Stichtag Ende Juni 1993 habe die Zahl der auf die Landeshöchstzahl anzurechnenden Ausländer in Vorarlberg 25.238 betragen. Die Landeshöchstzahl sei daher überschritten.

Beschäftigungsbewilligungen könnten daher nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG erteilt werden. Vom Vorliegen der besonders wichtigen Gründe für die Beschäftigung eines Ausländers könne nur ausgegangen werden, wenn die Dringlichkeit des Bedarfes über das übliche Interesse eines Dienstgebers, eine Arbeitskraft zu beschäftigen, hinausgehe. Der schon im Verfahren erster Instanz anzuhörende - paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammengesetzte - Vermittlungsausschuß habe aus arbeitsmarktpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen keine einhellige Zustimmung zur Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung erteilt. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG seien nicht gegeben, weil solche wichtigen Gründe, die eine Beschäftigung des beantragten Ausländers trotz Überschreitung der Landeshöchstzahl rechtfertigen könnten, oder öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen, welche die Beschäftigung von Ausländern erfordern, nicht vorliegen würden. Im gesamten Verfahren habe die beschwerdeführende Partei nichts vorgebracht, was die Annahme rechtfertigen könnte, daß die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AusBG vorlägen. Die beschwerdeführende Partei habe lediglich vorgebracht, daß sie den Ausländer wegen seiner beruflichen Qualifikationen benötige und daß auf dem österreichischen Arbeitsmarkt keine geeigneten Arbeitskräfte zu bekommen seien. Außerdem sei der Bruder des beantragten Ausländers im Betrieb der beschwerdeführenden Partei zu ihrer Zufriedenheit tätig. Da sie anderweitig keine geeigneten Arbeitskräfte für ihren Betrieb finden könnte, seien gesamtwirtschaftliche Interessen gegeben, die die Beschäftigung des beantragten Ausländers erforderten.

Dieser Auffassung könne - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - seitens der belangten Behörde nicht gefolgt werden. Der individuell empfundene Bedarf der beschwerdeführenden Partei an der beantragten Arbeitskraft stelle für sich noch keine Voraussetzung für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG dar, insbesondere bilde er kein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Beschäftigung des beantragten Ausländers. Auch das behauptete handwerkliche Geschick des beantragten Ausländers und die Tatsache, daß sein Bruder im Betrieb der beschwerdeführenden Partei beschäftigt sei, könne nicht als Voraussetzung im Sinne der zitierten Bestimmungen akzeptiert werden. Dieser Sachverhalt sei der beschwerdeführenden Partei bereits mit Schreiben vom 29. Juni 1993 zur Stellungnahme mitgeteilt worden. In der dazu ergangenen Stellungnahme vom 16. Juli 1993 habe die beschwerdeführende Partei nur vorgebracht, die Behauptung, daß die Landeshöchstzahl überschritten sei, stelle eine Änderung des Verfahrensgegenstandes dar und sei daher unzulässig. Außerdem habe die beschwerdeführende Partei die Überschreitung der Landeshöchstzahl bezweifelt. Sonst sei sie auf das Schreiben der belangten Behörde nicht eingegangen und habe insbesondere keine Gründe für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgebracht, sodaß davon auszugehen sei, daß solche Gründe nicht gegeben wären. Zu dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, wonach die Behauptung, daß die Landeshöchstzahl überschritten sei, eine Änderung des Verfahrensgegenstandes darstelle und unzulässig sei, werde darauf hingewiesen, daß es sich im gegenständlichen Fall um eine volle Berufung handle, sodaß die Berufungsbehörde berechtigt sei, die Berufungsangelegenheit in alle Richtungen zu prüfen. Sie könne daher sämtliche in Betracht gekommenen gesetzlichen Bestimmungen ihrer Entscheidung zugrundelegen. Abgesehen davon sei bereits in erster Instanz der Antrag der beschwerdeführenden Partei wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG abgelehnt worden. Zu den von der beschwerdeführenden Partei geäußerten Zweifeln an der Überziehung der Landeshöchstzahl werde mitgeteilt, daß die Zahl der auf die Landeshöchstzahl anzurechnenden Ausländer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales laufend ermittelt und dem Landesarbeitsamt in Form einer offiziellen Statistik zur Verfügung gestellt werde. Da das Verfahren zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen automationsunterstützt erfolge, sei eine genaue Zählung der aufrechten Beschäftigungsbewilligungen ständig über die EDV gewährleistet. Da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 6 AuslBG nicht gegeben seien, habe der Berufung keine Folge gegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei sieht sich in folgenden Rechten verletzt:

-

Recht auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung,

-

Recht auf ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren,

-

Recht auf verfassungskonforme Gesetzeslage,

-

Recht auf gesetzeskonforme Verordnungslage,

-

Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 MRK).

Die Ausführung in der Beschwerde zum angeblich verfassungswidrigen (konventionswidrigen) Instanzenzug geben nicht Anlaß zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes, weil dieser bereits in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 1993, G 226/92-7, die Auffassung verworfen hat, daß mit verwaltungsrechtlichen Eingriffen in das Recht, Ausländer zu beschäftigen, "civil rights" verletzt würden.

Eine Anfechtung der Festlegung der Landeshöchstzahl beim Verfassungsgerichtshof wiederum kam schon mit Rücksicht auf die nachstehend aufgezeigten Mängel des im Beschwerdefall angefochtenen Bescheides nicht in Betracht, vor deren Behebung der Verwaltungsgerichtshof von einem in die Verfassungssphäre reichenden "absurden Mißverhältnis" zwischen der für die Erlassung der Landeshöchstzahlverordnung maßgebenden Zahl der aufrechten Beschäftigungsbewilligungen und der Landeshöchstzahl nicht ausgehen kann.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Diese Bestimmung (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Gemäß § 13a AuslBG kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales u.a. zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a das für die einzelnen Bundesländer unter Bedachtnahme auf die örtliche Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bestimmte Höchstausmaß beschäftigter und arbeitsloser Ausländer durch Verordnung bis spätestens 30. November für das nächstfolgende Jahr festsetzen (Landeshöchstzahlen). Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat mit Verordnung BGBl. Nr. 738/1992 (und nicht, wie von der belangten Behörde falsch zitiert, mit BGBl. Nr. 598/1992) die Landeshöchstzahl für das Jahr 1993 für Vorarlberg mit 17.000 festgesetzt.

Die Anwendung des nach § 4 Abs. 6 AuslBG erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung setzt voraus, daß entweder eine Kontingentüberschreitung oder eine Überschreitung der Landeshöchstzahl vorliegt und daß es an einer einhelligen Befürwortung des Antrags durch den Vermittlungsausschuß fehlt.

Daß der Vermittlungsausschuß den vorliegenden Antrag "nicht befürwortet" hat, wurde bereits im Bescheid des Arbeitsamtes festgestellt; dieser Umstand ist vom Beschwerdeführer nie in Zweifel gezogen worden.

Anders verhält es sich mit der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der (infolge Erlassung des angefochtenen Bescheides in diesem Jahr maßgebenden) Landeshöchstzahl für 1993. Eine einschlägige Feststellung hat der erstinstanzliche Bescheid nicht enthalten, was der Beschwerdeführer mit Recht in seiner Berufung gerügt hat. Den diesbezüglichen Vorhalt der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 16. Juli 1993 sinngemäß damit bestritten, daß er vorbrachte, es gäbe keine Zählung der erteilten Beschäftigungsbewilligungen. Darauf ging die belangte Behörde erst im angefochtenen Bescheid, und zwar nur durch einen Hinweis auf die amtliche Statistik, die automationsunterstützt erstellt werde, ein.

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen gemäß § 45 Abs. 1 AVG keines Beweises. Im übrigen hat die Behörde nach § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Als Beweismittel kommt gemäß § 46 AVG alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Die Feststellung der Überschreitung der mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales festgesetzten Landeshöchstzahl ist eine Sachverhaltsfeststellung und nicht etwa eine dem Parteiengehör nicht zu unterziehende rechtliche Beurteilung (siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0059, vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0096, und vom 8. September 1993, Zl. 93/09/0245).

Die Überschreitung der Landeshöchstzahl ist weder offenkundig noch besteht für ihr Vorhandensein eine gesetzliche Vermutung. Sie ist daher von der Behörde in einem ordnungsgemäßen Verfahren nach den Grundsätzen der oben wiedergegebenen §§ 37, 45 Abs. 2 und 3 sowie 46 AVG zu ermitteln und festzustellen.

Die belangte Behörde hat versucht, ihren daraus folgenden Verpflichtungen dadurch zu entsprechen, daß sie dem Beschwerdeführer als Ergebnis ihrer Ermittlungen vorgehalten hat, die Zahl der auf die Landeshöchstzahl von 17.000 anzurechnenden Ausländer habe Ende Mai 1993 24.741 betragen, wofür als Beweismittel eine vom Bundesminister für Arbeit und Soziales herausgegebene "amtliche Statistik" herangezogen worden sei. Sie hat jedoch trotz des darauf abzielenden Vorbringens des Beschwerdeführers nicht offengelegt, aus welchen Daten diese Statistik gespeist und auf welche Weise sie auf dem laufenden gehalten wird, sie hat vielmehr, ohne auf die Bestreitung durch den Beschwerdeführer einzugehen, die erstmals genannte Zahl von Ende Juni 1993, nämlich 25.238 dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt, und hat auf die als Bestreitung der Überschreitung der Landeshöchstzahl zu wertenden Einwendungen nicht reagiert.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, daß der in der Begründung des angefochtenen Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Er schließt keinesfalls eine derartige Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vrogenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/09/0356 mit weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen).

Nun darf eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlußfolgerung liefern.

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde zum Nachweis der Tatsache der Überschreitung der Landeshöchstzahl auf eine amtliche Statistik des Bundesministers für Arbeit und Soziales, berufen, sie hat aber dieses Beweismittel trotz Bestreitung im Verfahren nicht offengelegt. Damit aber hat sie den Grundsatz verletzt, daß es in einem rechtsstaatlichen Verfahren keine geheimen Beweismittel geben darf, und daß auch in Urkunden Einsicht zu gewähren und der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme dazu zu geben ist. Durch diese Vorgangsweise der belangten Behörde ist aber nicht nur dem Beschwerdeführer die Möglichkeit verwehrt worden, konkret auf die von der belangten Behörde als Beweismittel verwertete Statistik einzugehen, sondern es ist dadurch auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, den angefochtenen Bescheid diesbezüglich auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz zu prüfen. Erst eine Offenlegung aller von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Beweismittel - insbesondere der amtlichen Statistik und des zu ihrer Erstellung angewandten Systems - wird eine Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes dahin ermöglichen, ob die von der belangten Behörde festgestellte Überschreitung der Landeshöchstzahl in den vorgenommenen Ermittlungen Deckung findet und - unter Berücksichtigung allfälliger von der antragstellenden Partei zu konkretisierender Einwendungen - das Ergebnis einer mängelfreien Beweiswürdigung darstellt.

Die Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl ist daher im Beschwerdefall in einem iS der obigen Ausführungen mangelhaften Verfahren getroffen worden. Der Beschwerdeführer hat bereits im Verwaltungsverfahren die Auffassung vertreten und in seiner Beschwerde erneut behauptet, "daß es eine gesicherte Ermittlung der aufrechten Arbeitsbewilligungen nicht gibt". Sollte dies zutreffen und sollte demnach die Feststellung der der Landeshöchstzahl gegenüberzustellenden Zahl beschäftigter und arbeitsloser Ausländer (§ 13a AuslBG) nicht auf ausreichend sicheren tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, dann stünde dies einer Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl und damit auch einer darauf gestützten Abweisung des Antrags auf Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG entgegen.

Die Beschwerde zeigt daher relevante Verfahrensmängel auf, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Sachverhalt Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090370.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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