Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen 1. den Bescheid des Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 22. Februar 1994, Zl. III-Entz. 5430/VA/93, und 2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. April 1994, Zl. MA 64-8/170/94, beide betreffend Zurückweisung einer Vorstellung,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den erstangefochtenen Bescheid richtet, zurückgewiesen.
2. Zu Recht erkannt:
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Wie sich aus der Beschwerde und den angefochtenen Bescheiden ergibt, wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den (die Entziehung seiner Lenkerberechtigung aussprechenden) Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. April 1993 gemäß § 57 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem zweitangefochtenen Bescheid unter gleichzeitiger Bestätigung des erstangefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
Die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wendet sich ausdrücklich gegen diese beiden Bescheide. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs.1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides beruht die Zurückweisung der am 25. Oktober 1993 zur Post gegebenen Vorstellung des Beschwerdeführers als verspätet auf der Annahme, der Mandatsbescheid der erstbelangten Behörde sei dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 des Zustellgesetzes mit 29. Juli 1993 rechtswirksam zugestellt worden; die öffentliche Bekanntmachung durch Anschlag an der Amtstafel dieser Behörde sei am 15. Juli 1993 erfolgt. Die Vorstellungsfrist habe somit am 29. Juli 1993 begonnen und am 12. August 1993 geendet. Die Zulässigkeit der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung begründete die zweitbelangte Behörde damit, daß eine Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht bekannt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in seiner Vorstellung selbst angegeben, er sei an der dort genannten Adresse 1030 Wien, Petrusgasse 15/1/2, seit 21. Jänner 1992 weder gemeldet noch aufhältig. Der Beschwerdeführer sei ohne Angabe einer Anschrift verzogen, eine neue Abgabestelle habe nicht ermittelt werden können. Ein Vorgehen nach § 8 ZustG sei infolge Unkenntnis des Beschwerdeführers von dem gegen ihn eingeleiteten Entziehungsverfahren nicht in Betracht gekommen.
Der Beschwerdeführer verneint die Zulässigkeit der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, da die Anschrift 1030 Wien, P.Gasse 15/1/2, der Kraftfahrbehörde bekannt gewesen sei. Er sei zwar schon seit längerer Zeit an dieser Abgabestelle nicht wohnhaft gewesen, doch würden dort zugestellte Schriftstücke von der Post gelagert und vom Beschwerdeführer regelmäßig abgeholt. Dies hätte der Behörde jedenfalls bekannt sein müssen.
Gemäß § 25 ZustG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Schriftstückes (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
Nach der Definition des § 4 ZustG ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme, er sei an der Adresse P.Gasse 15/1/2 seit 21. Jänner 1992 weder gemeldet noch aufhältig, nicht entgegen. Er bestätigt diese Annahme vielmehr indirekt durch sein Vorbringen, er sei dort "schon seit längerer Zeit nicht wohnhaft" gewesen. Damit steht fest, daß sich an der genannten Anschrift weder die Wohnung noch eine sonstige Unterkunft des Beschwerdeführers befand. Daß an der in Rede stehenden Anschrift eine sonstige Abgabestelle im Sinne des Gesetzes vorgelegen sei, wird nicht behauptet. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, daß der Behörde eine andere Adresse einer Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG bekanntgewesen sei. Damit erweist sich aber die (zu § 25 Abs. 1 erster Satz ZustG getroffene) Annahme, die Abgabestelle des Beschwerdeführers sei nicht bekannt, als zutreffend.
Das (offensichtlich auf die vorhin genannte Adresse bezogene) Vorbringen, eine Zustellung wäre ohne weiteres durch Hinterlegung möglich gewesen, da vom Beschwerdeführer "bei der Post eine Abgabestelle eingerichtet" worden sei, weshalb nach § 18 Abs. 1 ZustG vorzugehen und gemäß § 8 Abs. 2 ZustG zu hinterlegen gewesen wäre, ist nicht berechtigt. Nach § 18 Abs. 1 ZustG ist die Sendung an eine andere inländische Abgabestelle nachzusenden, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Dies setzt voraus, daß überhaupt eine "andere Abgabestelle" des Empfängers der Sendung bekannt ist. Diese Voraussetzung liegt im vorliegenden Fall nicht vor.
Nach § 8 Abs. 2 ZustG ist die Zustellung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, wenn eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, ohne dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen, und eine Abgabestelle nicht ohne weiteres festgestellt werden kann. Ein Vorgehen nach dieser Bestimmung kam schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer bereits am 20. März 1993 (an welchem Tag nach dem Beschwerdevorbringen das Straf- und Entziehungsverfahren eingeleitet worden sein soll) an der genannten Anschrift keine Abgabestelle mehr hatte. Damit kann keine Rede sein von einer "Änderung der bisherigen Abgabestelle" während des Verfahrens. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 ZustG auch wegen Unkenntnis des Beschwerdeführers von der Anhängigkeit eines Entziehungsverfahrens ausgeschlossen war (was der Beschwerdeführer zu bestreiten scheint, ohne aber konkret darzulegen, daß und weshalb ihm bereits vor Zustellung des Mandatsbescheides vom 19. April 1993 bekannt war, daß gegen ihn ein Entziehungsverfahren anhängig ist).
Daß die erstbelangte Behörde zu Unrecht von der Annahme ausgegangen ist, die Zustellung ihres Mandatsbescheides sei bereits mit dem Tag des Anschlages an der Amtstafel als bewirkt anzusehen, ist für die Rechtmäßigkeit des zweitangefochtenen Bescheides ohne Belang.
Die Annahme, die Vorstellung sei trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am 25. Oktober 1993 - somit lange nach Ablauf der zweiwöchigen Vorstellungsfrist des § 57 Abs. 2 AVG - zur Post gegeben worden, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Davon ausgehend entspricht die Zurückweisung der Vorstellung als verspätet dem Gesetz.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Beim erstangefochtenen Bescheid handelt es sich um einen erstinstanzlichen Bescheid, der im übrigen infolge Bestätigung durch den zweitangefochtenen Bescheid in diesen aufgegangen ist und somit für sich nicht mehr Gegenstand einer Beschwerde sein kann. Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen diesen Bescheid richtet, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994110185.X00Im RIS seit
11.12.2001