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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Stmk 1968 §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerden
1. des JG, 2. der MG und 3. der BM in A, alle vertreten durch Dr. NN, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 7. Oktober 1993, Zl. A 17-K-9.651/1992 - 3, betreffend Grundabtretung für Verkehrsflächen gemäß § 6 der Steiermärkischen Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen von je S 1.521,66 (insgesamt S 4.565,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 6. April 1993 erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz den Beschwerdeführern die Widmungsbewilligung hinsichtlich mehrerer im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides näher ausgeführter Grundstücke unter Festsetzung näher ausgeführter Bebauungsgrundlagen und (u.a.) folgender Auflage:
"Grundabtretung:
Die Grundeigentümer haben die vor der Straßenfluchtlinie liegenden Teilflächen der Grundstücke Nr. 799/2 und Nr. 551/2, beide EZ 554 im Ausmaß von ca. 53 m2 über Verlangen der Landeshauptstadt Graz unentgeltlich und lastenfrei an die Landeshauptstadt Graz in das öffentliche Gut abzutreten. Zwecks Einleitung des Grundabtretungsverfahrens ist ein von einem Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen lt. Eintragung der Straßenfluchtlinien im Widmungsplan verfaßter und den Bestimmungen des Vermessungsgesetzes entsprechender, grundbuchsfähiger Teilungsplan in 3-facher Ausfertigung dem Stadtvermessungsamt binnen 3 Monaten vorzulegen."
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung, in der sie im wesentlichen die Auffassung vertreten, eine Grundabtretung im Sinne des § 6 der Steiermärkischen Bauordnung sei nur dann zulässig, wenn die Grundabtretung für die Aufschließung des zu widmenden Grundstückes erforderlich sei. Dies sei hier nicht der Fall, weil das Grundstück über den U-Weg im Süden ausreichend aufgeschlossen sei. Es bestehe auch kein Bedarf an der Abtretung der Grundstücksfläche, da die Herstellung eines Weges, insbesondere eines Radweges über die Grundstücksflächen 799/1, 799/2 und 550/1 weder zweckmäßig, noch durchführbar sei (dies wird unter Hinweis auf die Weigerung verschiedener Grundeigentümer der Abtretung von Grundstücksflächen in das öffentliche Gut zuzustimmen begründet). Da die abzutretende Grundstücksfläche für betriebliche Zwecke der Beschwerdeführer unbedingt erforderlich sei, während für die Errichtung eines Rad- und Fußgängerweges kein Bedarf bestehe, liege kein öffentliches Interesse an der Grundabtretung vor. Verschiedene, näher bezeichnete Schriftstücke seien den Beschwerdeführern nicht zur Kenntnis gebracht worden. Auch lasse der erstinstanzliche Bescheid jegliche Begründung dafür vermissen, aus welchem Grund die Grundabtretung im öffentlichen Interesse sei und weshalb die Auflage habe erteilt werden müssen.
Nach Übermittlung der in der Berufung bezeichneten Schriftstücke an die Beschwerdeführer zur Stellungnahme erließ die belangte Behörde den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 7. Oktober 1993, worin die Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen wurden. Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens verweist die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 6 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 und führt aus, daß den Grundeigentümer die Verpflichtung treffe, die für die Herstellung von Verkehrswegen erforderlichen Grundflächen abzutreten, worunter auch die Bereitstellung von Grund für die Errichtung von Radwegen zu verstehen sei. In der Stellungnahme des Stadtplanungsamtes sei dieser Radweg befürwortet worden, mit der Begründung, daß mit ihm eine Verbindung vom Siedlungsbereich U-Weg-U-Brunn zum Ortskern A geschaffen werde, welcher sowohl kürzer als auch sicherer und angenehmer zu benützen sei, als die Verbindung entlang des U-Weges und der A-Straße. Die Anlage solcher Wegverbindungen stimme mit den Grundsätzen sichere, kürzere und angenehm zu benützende Wege herzustellen, überein und werde im gesamten Stadtgebiet konsequent verfolgt. Auch das Straßen- und Brückenbauamt sei von der Zweckmäßigkeit dieser Wegverbindung überzeugt, weshalb der Geh- und Radweg "schon bald nach Vorliegen sämtlicher Berechtigungen ausgebaut" werden könne. Eine Trennung der Verkehrsflächen nach ihrer Benützung durch Fahrzeuge, Fußgänger und Radfahrer liege im Interesse der Hebung der Verkehrssicherheit. Nach Auffassung der belangten Behörde sei auch nicht entscheidend, ob der gesamte Radweg in einem Zug ausgebaut werde. Es genüge das Vorliegen einer entsprechenden Planung zu einem schrittweisen Ausbau des Radweges.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit die Beschwerdeführer - entsprechend ihren Berufungsausführungen - auch in ihrer Beschwerde vorbringen, Schriftstücke des Stadtplanungsamtes vom 29. Jänner 1993 sowie des Straßen- und Brückenbauamtes vom 5. März 1993 seien ihnen nicht vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zur Kenntnis gebracht worden, so übersehen sie, daß diese Verletzung des Parteiengehörs dadurch saniert wurde, daß die Berufungsbehörde den Beschwerdeführern diese Unterlagen übermittelt und sie zu einer Stellungnahme zu diesen Unterlagen aufgefordert hat. Die Beschwerdeführer haben in ihrer diesbezüglichen Stellungnahme vom 6. Juli 1993 jedoch - abgesehen von Hinweisen auf die Weigerung von Grundeigentümern, weitere Grundstücksflächen für die Errichtung des Radweges abzutreten - nichts Substantielles vorzubringen vermocht. Auf den Umstand, daß sich andere Grundeigentümer weigern, Grundflächen zum Zwecke der Errichtung dieses Weges ins öffentliche Gut abzutreten, kommt es hingegen - wie noch auszuführen sein wird - aus rechtlichen Gründen nicht an. Die Verfahrensrüge der Beschwerdeführer ist daher unbegründet.
Gemäß § 6 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, idFd Novelle LGBl. Nr. 14/1989, hat der Grundeigentümer anläßlich einer Widmung einmalig die Grundfläche, die zur Herstellung von Verkehrsflächen auf dem zu widmenden Grund erforderlich ist, bis zu einer Breite von 16 m, höchstens aber 20 % der zu widmenden Grundfläche unentgeltlich und lastenfrei an die Gemeinde in das öffentliche Gut abzutreten. Die Gemeinde hat die abzutretenden Grundflächen innerhalb von fünf Jahren in das öffentliche Gut zu übernehmen, sofern die Bedingungen und Auflagen gemäß § 3 Abs. 2 bis 4 leg. cit. erfüllt sind.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist eine Grundabtretung für Verkehrsflächen gemäß § 6 BO nicht nur dann zulässig, wenn dies zur Erschließung dieses Grundstückes erforderlich ist. Es handelt sich vielmehr um eine sogenannte "Anliegerverpflichtung", das heißt, die Verpflichtung eines Grundeigentümers anläßlich einer beabsichtigten Bauführung, insgesamt jedoch nur einmal, einen bestimmten Teil seiner Grundfläche - bei Vorliegen eines entsprechenden Bedarfes - zum Zwecke der Errichtung von Verkehrsflächen in das öffentliche Gut abzutreten. Gegen eine solche, umfänglich eingeschränkte, unentgeltliche Grundabtretungsverpflichtung bestehen - unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses an der Verfügbarkeit ausreichender Grundflächen zur Herstellung eines den örtlichen Gegebenheiten entsprechenden Straßen- und Wegenetzes - keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1984, VfSlg. 10204, zu einer vergleichbaren Bestimmung der Burgenländischen Bauordnung unter Hinweis auf VfSlg. 6448/1971 betreffend eine vergleichbare Bestimmung der Niederösterreichischen Bauordnung). Solche Bedenken werden von den Beschwerdeführern auch nicht vorgebracht.
Die Behauptungen der Beschwerdeführer, die Errichtung eines Radweges über näher bezeichnete Grundstücksflächen sei wegen der Weigerung der grundbücherlichen Eigentümer dieser Grundstücke "unmöglich", schlägt schon deshalb nicht durch, weil es sich bei einem Radweg, der dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist, um eine Verkehrsfläche im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 4 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154, handelt (Gemeindestraße) und die §§ 48 ff dieses Gesetzes auch die Möglichkeit der Enteignung von Grundflächen, die für die Errichtung von Gemeindestraßen benötigt werden, vorsehen.
Der neuerliche Hinweis der Beschwerdeführer, daß sie die abzutretende Grundstücksfläche für betriebliche Zwecke unbedingt benötigen, übersieht - abgesehen davon, daß diese Behauptung nicht näher begründet wird - den Wortlaut des § 6 BO, der auch für eine solchen Fall Ausnahmen nicht vorsieht.
Da die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes in ihren Rechten nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993060238.X00Im RIS seit
20.11.2000