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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der T Gesellschaft m.b.H. in I, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 8. Oktober 1993, Zl. MD/Präs.Abt.II-5937/1993, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 25. Mai 1993 wurde der Beschwerdeführerin in Spruch I. die Baubewilligung für eine Verwendungsänderung von Räumlichkeiten im Haus T-Straße 32 (nunmehr Nutzung als Cafe mit 54 Besucherplätzen, Gastgarten im Ausmaß von 28 m2 und 20 Sitzplätzen) unter mehreren Auflagen erteilt. In Spruch II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974 idgF, antragsgemäß die Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von drei unterirdischen Stellplätzen erteilt.
Dieser Bescheid (er enthielt eine vollständige Rechtsmittelbelehrung im Sinne des § 61 Abs. 1 AVG) wurde der Beschwerdeführerin am 8. Juni 1993 zugestellt. Mit Datum 12. Juni 1993 richtete die Beschwerdeführerin ein Schreiben an den Stadtmagistrat Innsbruck (dort eingelangt am 21. Juni 1993) mit folgendem Wortlaut:
"Betrifft: Objekt T-Straße 32 - Top 5, "Cafe"
Zahl VI-2945/1992-B/RR
Sehr geehrter ...
Wir danken für die Erteilung der Bewilligung für die Umwidmung
der Top 5 in ein Cafe, im Anwesen T-Straße 32.
Folgenden Einwand zu Punkt II des o.a. Bescheides möchten wir Ihnen jedoch mitteilen.
Mit Schreiben vom 29.01.1993 haben wir unter anderem das Ansuchen um Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von drei PKW-Abstellplätzen gestellt. Es wurden im vorliegenden Bescheid vom 25.05.1993 eine Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von 3 unterirdischen Stellplätzen erteilt. Nach unserer Rechtsmeinung ist für die Verpflichtung zur Schaffung von unterirdischen Stellplätzen im Bauvorhaben T-Hof die Rechtsgrundlage nicht ausreichend gegeben, da offensichtlich keine örtlichen Bauvorschriften, gemäß § 20 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, mit einer entsprechenden Bestimmung für das Grundstück des Bereiches T-Hof erlassen wurden. Es ist lediglich eine entsprechende Bestimmung im Bebauungsplan enthalten. Der § 19 des Tiroler Raumordnungsgesetzes definiert erschöpfend den Inhalt des Bebauungsplanes. Dabei sind Bestimmungen enthalten, die im Bebauungsplan festzulegen sind und weiters Bestimmungen, die im Bebauungsplan festgelegt werden können. In keinem Fall ist eine Aussage über die Art der PKW-Abstellplätze, laut Tiroler Raumordnungsgesetz, für den Bebauungsplan vorgesehen und können somit entsprechende Hinweise auch keinen bindenden Charakter haben.
Um ein eventuelles Verfahren über die Höhe der erforderlichen Ausgleichsabgabe für die Schaffung von PKW-Abstellplätzen nicht zu präjudizieren, möchten wir auf diesen Umstand nochmals besonders verweisen.
Wir bedanken uns für Ihre Bemühungen und verbleiben mit freundlichen Grüßen"
Mit Schreiben der Berufungskommission in Bausachen vom 23. August 1993 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bekanntzugeben, ob diese Eingabe vom 12. Juni 1993 als Berufung zu werten sei. Dies bejahte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31. August 1993 und legte darin dar, daß sie die Befreiung für nicht erforderlich halte, weil sie davon ausgehen müsse, daß nach den rechtlichen Gegebenheiten eine Dispens von der Verpflichtung zur Schaffung von drei (oberirdischen) PKW-Abstellplätzen notwendig sei.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 8. Oktober 1993 entschied die belangte Behörde über die Berufung der Beschwerdeführerin dahin, daß dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben werde, gleichzeitig jedoch der bekämpfte Bescheid behoben und das Ansuchen zur Umwidmung der Top-Einheit 5 von "Geschäft" in ein "Cafe" im Anwesen T-Straße 32 gemäß § 31 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung abgewiesen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im geltend gemachten Beschwerdepunkt (nämlich Verletzung im Recht, eine Baubewilligung antragsgemäß zu erhalten) wurde die Beschwerdeführerin aus folgenden, in der Beschwerde nicht genannten Gründen verletzt:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Ungeachtet dessen, daß die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 31. August 1993 ausdrücklich erklärte, daß das Schreiben vom 12. Juni 1993 als Berufung verstanden werden solle, mangelt es dieser Berufung an einem Berufungsantrag. Wie der oben wiedergegebene Inhalt dieser Berufungsschrift zeigt, kam es der Beschwerdeführerin offenkundig nur darauf an, ihre rechtlichen Bedenken vorzutragen und insbesondere klarzustellen, daß sie in Punkt II. des Bewilligungsbescheides kein Präjudiz für ein künftiges Verfahren betreffend die Ausgleichsabgabe für die Schaffung von PKW-Abstellplätzen erblicke, wie die Wendung dieses Schriftstückes "möchten wir auf diesen Umstand nochmals besonders verweisen" am Ende zeigt. Es fehlt diesem Schreiben jeder Hinweis darauf, welche Entscheidung die Beschwerdeführerin mit ihrer "Berufung" vom 12. Juni 1993 anstrebt, insbesondere, ob sie überhaupt eine Abänderung oder Aufhebung dieses Abspruches begehrt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1991, Zl. 91/11/0149). Die bloße Erkennbarkeit des mangelnden Einverständnisses mit einem Bescheid ersetzt in einem solchen Fall nicht den begründeten Berufungsantrag (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0275, vom 23. Februar 1993, Zl. 92/08/0193 und vom 30. März 1993, Zl. 91/08/0098). Die Begriffsmerkmale eines begründeten Berufungsantrages dürfen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar nicht formalistisch ausgelegt werden, es muß aber doch erkennbar sein, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1981, Slg. Nr. 10.343/A, uva.).
Einen solchen Antrag enthält erst das - lange nach Ablauf der Berufungsfrist der belangten Behörde übermittelte - Schreiben vom 31. August 1993, wenn darin die Abänderung in eine Dispens von drei oberirdischen PKW-Parkplätzen (bzw. von einem solchen Parkplatz) beantragt wird. Ein solcher erst nach Ablauf der Berufungsfrist nachgetragener Antrag vermag an der Unzulässigkeit der Berufung nichts zu ändern (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1991, Zl. 91/02/0018).
Die belangte Behörde hätte daher diese Berufung wegen des aufgezeigten inhaltlichen Mangels (der nicht als Formgebrechen verbesserungsfähig ist) zurückweisen müssen und nicht in sachliche Behandlung nehmen dürfen.
Da somit der belangten Behörde überhaupt kein Rechtsmittel vorlag, im Zuge von dessen sachlicher Behandlung sie berechtigt gewesen wäre, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und das Widmungsansuchen der Beschwerdeführerin abzuweisen, erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Bei dieser Sachlage bedarf es daher weder einer Erörterung der Frage, ob die belangte Behörde überhaupt berechtigt war, aus Anlaß der Abweisung () einer bloß gegen Punkt II. des erstinstanzlichen Bescheides erhobenen Berufung den erstinstanzlichen Bescheid im Sinne einer Antragsabweisung abzuändern, noch des übrigen Beschwerdevorbringens.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Berufungsrecht Begriff des Rechtsmittels bzw der Berufung Wertung von Eingaben als BerufungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993060239.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010