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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Verlängerung der erforderlichen Verwendungszeit eines Rechtsanwaltsanwärters auf sechs bzw sieben Jahre wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz; Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung dieser Bestimmung mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Beschreitung des VerwaltungsrechtswegesSpruch
I. §2 Abs2 der Rechtsanwaltsordnung, Gesetz vom 6. Juli 1868, RGBl. Nr. 96/1868, idF des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. Nr. 556/1985, mit dem Bestimmungen über die Rechtsanwaltsprüfung und über sonstige Erfordernisse zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft getroffen werden (Rechtsanwaltsprüfungsgesetz - RAPG), war verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
II. Der zu G335/91 protokollierte (Individual-)Antrag, §2 Abs2 der Rechtsanwaltsordnung, Gesetz vom 6. Juli 1868, RGBl. Nr. 96/1868, idF BGBl. Nr. 474/1990 als verfassungswidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zwei auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden gegen Bescheide der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) anhängig, die jeweils die Dauer der für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erforderlichen praktischen Verwendung (§2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985) zum Gegenstand haben.
Diese Beschwerden sind hg. zu B520/90 bzw. B355/91 protokolliert.
1.1.1. Der Beschwerdeführer des zu B520/90 protokollierten Verfahrens ist seit 1. Februar 1989 in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen. Bis 31. Dezember 1988 war er Richter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Die Rechtsanwaltsprüfung hatte er noch während seiner aktiven richterlichen Dienstzeit am 4. Oktober 1988 in Form der Ergänzungsprüfung nach §4 Z4 litb Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, BGBl. Nr. 523/1987, abgelegt.
Mit Eingabe vom 21. Februar 1989 begehrte der Beschwerdeführer beim Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien die Anrechnung der folgenden rechtsberuflichen Tätigkeiten auf die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung nach §2
RAO:
"Gerichtspraxis a) 24.3.1980 bis 31.5.1980 und
b) 24.11.1980 bis 31.10.1981
Verwaltungsjurist beim Magistrat
der Stadt St.Pölten 1.6.1980 bis 23.11.1980
Richteramtsanwärter im Sprengel
des Oberlandesgerichtes Wien 1.11.1981 bis 30.11.1983
Richter des Landesgerichtes
für Strafsachen Wien 1.12.1983 bis 31.12.1988."
Mit Beschluß vom 18. April 1989 hat die Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien dem Anrechnungswerber von seinen oben genannten Tätigkeiten einen Zeitraum von insgesamt 15 Monaten nach §2 Abs1 RAO auf die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung angerechnet. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 13. Juni 1989 als unbegründet abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der OBDK vom 18. Dezember 1989, Z Bkv 4/89-7, keine Folge gegeben.
Bei der Beratung über die dagegen erhobene Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung dieser Bestimmung von Amts wegen einzuleiten. Dieses Gesetzesprüfungsverfahren ist zu G315/91 protokolliert.
1.1.2. Der Beschwerdeführer des zu B355/91 protokollierten Beschwerdeverfahrens promovierte im Dezember 1984 aufgrund der Rigorosenordnung vom 15. April 1872 zum Doktor der Rechte. Vom 1. Juli 1985 bis 28. Februar 1986 leistete er den Grundwehrdienst ab. In der Zeit vom 1. März 1986 bis 31. Jänner 1987 absolvierte er die Gerichtspraxis und ist seit 1. Februar 1987 in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen.
Mit Schreiben vom 1. Februar 1990 ersuchte der Beschwerdeführer den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien um Feststellung, daß die von ihm als Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu absolvierende praktische Verwendung fünf Jahre (in eventu sechs Jahre) betrage. Dieses Begehren wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 3. April 1990 abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der OBDK vom 15. Oktober 1990, Z Bkv 5/90-7, nicht Folge gegeben.
Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit seiner auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Auch aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung dieser Bestimmung von Amts wegen einzuleiten. Dieses Gesetzesprüfungsverfahren ist zu G316/91 protokolliert.
1.2. Beim Verfassungsgerichtshof ist weiters zu G335/91 ein auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützter (Individual-)Antrag protokolliert, mit dem der Einschreiter begehrt, §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 474/1990 als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Gegenstand der (von Amts wegen eingeleiteten) Gesetzesprüfungsverfahren G315/91 und G316/91 ist §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985; Gegenstand des Individualantrages ist §2 Abs2 leg.cit. idF BGBl. Nr. 474/1990.
Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Die Rechtsanwaltsordnung sah in der Stammfassung (Advokatenordnung 1868) in §2 als Erfordernis für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte eine praktische Verwendung von sieben Jahren vor, die vom Zeitpunkt der erfüllten gesetzlichen Bedingungen zum Eintritt in die Gerichtspraxis an zu berechnen war. Weitere Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte war bis zur Neuregelung durch das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz (RAPG), BGBl. Nr. 556/1985, der nach Ablegung der vorgeschriebenen strengen Prüfungen im Rahmen der rechts- und staatswissenschaftlichen Studien erlangte akademische Grad eines Doktors der Rechte nach der Rigorosenordnung vom 15. April 1872 (§1 Abs2 litc RAO idF vor RAPG). Diese Regelung galt bis zum Ablauf des 30. November 1973 (vgl. ArtII §1 des Bundesgesetzes vom 8. November 1973, BGBl. Nr. 570/1973).
Mit ArtI Z1 des Bundesgesetzes vom 8. November 1973, BGBl. Nr. 570/1973, wurde §2 Abs2 RAO dahingehend abgeändert, daß die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung der Rechtsanwaltsanwärter (nur) fünf Jahre zu dauern habe.
Mit dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140/1978, über das Studium der Rechtswissenschaften wurde dieses Studium derart neu geregelt, daß es in ein Diplomstudium (das acht Semester erfordert und mit dem akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften abgeschlossen wird) und ein darauf aufbauendes zweisemestriges Doktoratsstudium (an dessen Absolventen der akademische Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften verliehen wird) gegliedert wurde (§§1,2 und 3 leg.cit. sowie §17 der Rechtswissenschaftlichen Studienordnung).
Mit dem RAPG, BGBl. Nr. 556/1985, wurde sodann im §1 Abs2 lit. c RAO - unter weitestgehender Beibehaltung des bisherigen Wortlautes - alternativ die Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140/1978, als hinreichende Berufsvoraussetzung eingefügt (ArtII Z1 RAPG).
Durch ArtII Z2 RAPG wurde die für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche Dauer der praktischen Verwendung für Absolventen des Diplomstudiums nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140/1978, also für Magister der Rechtswissenschaften, und für Doktoren der Rechte nach der Rigorosenordnung vom 15. April 1872 auf sieben Jahre angehoben; hat der Rechtsanwaltsanwärter jedoch vor Antritt der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140/1978, erlangt, wurde eine praktische Verwendung von nur sechs Jahren als notwendig festgelegt.
§2 Abs2 RAO idF des RAPG, BGBl. Nr. 556/1985, lautet:
"Die praktische Verwendung im Sinn des Abs1 hat sieben Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens fünf Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen. Hat ein Rechtsanwaltsanwärter vor Antritt der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt an einer inländischen Universität den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum sechs Jahre und der bei einem Rechtsanwalt zu verbringende Zeitraum vier Jahre."
Mit Bundesgesetz vom 28. Juni 1990, BGBl. Nr. 474/1990, wurde verfügt, daß die Worte "vor Antritt der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt" im dritten Satz des §2 Abs2 RAO zu entfallen haben (ArtII Z2). Dieses Bundesgesetz trat am 1. Jänner 1991 in Kraft. §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 474/1990 hat daher folgenden Wortlaut:
"Die praktische Verwendung im Sinn des Abs1 hat sieben Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens fünf Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen. Hat ein Rechtsanwaltsanwärter an einer inländischen Universität den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum sechs Jahre und der bei einem Rechtsanwalt zu verbringende Zeitraum vier Jahre."
3.1. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985 hat der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß vom 11. Oktober 1991, B355/91, (und auf diesen verweisend im Beschluß vom 16. Oktober 1991, B520/90) wie folgt dargelegt:
"Voraussetzung für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft sind - unter anderem - die durch akademische und berufsspezifische Studien und Prüfungen nachgewiesene Kenntnis des Rechtes (§1 Abs2 litc und e RAO) sowie der Nachweis praktischer Erfahrungen durch einschlägige Tätigkeiten in einer im Gesetz näher bestimmten Art und Dauer (§1 Abs2 litd iVm §2 RAO).
Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß es sich bei der gesetzlichen Regelung, welche Dauer einer praktischen Verwendung ein Rechtsanwaltsanwärter vor der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nachzuweisen hat, um eine Anordnung handelt, die in den rechtspolitischen Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers fällt, daß er aber auch insofern an das Gleichheitsgebot gebunden ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat nun das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Regelung mit einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz belastet ist, weil sie die Dauer der praktischen Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters als Berufsvoraussetzung für die Eintragung in die Liste als Rechtsanwalt von fünf auf sieben bzw. sechs Jahre verlängert, ohne daß sich für diese Änderung eine sachliche Rechtfertigung zu finden scheint.
...
Daß sich die (mit der RAO-Novelle 1973 - aus den oben angeführten anscheinend sachlichen Gründen - eingeführte) fünfjährige Dauer der praktischen Verwendung - aus welchen Gründen auch immer - als nicht ausreichend erwiesen hätte, sodaß die mit der in Prüfung gezogenen Regelung erfolgte Anhebung der gesetzlichen Dauer erforderlich gewesen wäre, ist den Materialien über die parlamentarischen Beratungen, die der Beschlußfassung des RAPG vorausgingen, ebensowenig zu entnehmen wie sonstige dafür maßgebliche sachbezogene Erwägungen. In der Begründung des Initiativantrages (146/A,II-2605 BlgNR XVI.GP), der schließlich in die Erlassung des RAPG mündete, heißt es ua. lediglich, daß 'auf der Grundlage eines Vorschlages der Rechtsanwaltschaft Vorschläge für ein neues Rechtsanwaltsprüfungsgesetz erarbeitet und dabei auch noch weitere Anliegen der Rechtsanwaltschaft für eine Absicherung des Berufsstandes berücksichtigt' wurden (S 2). Nach einer kurzen Erwähnung der Verbesserung der Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (S 3) wird zusammenfassend nur ausgeführt, der Initiativantrag trage 'weitestgehend den von der Rechtsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Doktoratsfrage geäußerten Vorschlägen nach entsprechenden Begleitmaßnahmen Rechnung' (S 4).
Der Verfassungsgerichtshof vermag für diese - anscheinend an standespolitische Überlegungen anknüpfende - Änderung vorläufig keine sachlichen Gründe erkennen. Er übersieht dabei nicht, daß die Regelung des §2 Abs2 RAO idF der Novelle 1973 an eine universitäre Ausbildung anknüpfte, die durch das Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140/1978, über das Studium der Rechtswissenschaften eine wesentliche Änderung erfuhr. Es ist dem Verfassungsgerichtshof jedoch nicht einsichtig, daß diese Neuregelung der universitären Studien es auch geboten hätte, die berufseinschlägige praktische Verwendung ganz allgemein von fünf auf sieben bzw. sechs Jahre zu verlängern. Auch die Änderungen der Rechtsanwaltsprüfung durch das RAPG dürften keine sachliche Rechtfertigung für die Verlängerung der Dauer der praktischen Verwendung ergeben. Der Verfassungsgerichtshof vermag jedenfalls vorläufig nicht zu erkennen, daß die Ausbildung, die durch das Bundesgesetz vom 2. März 1978 über das Studium der Rechtswissenschaften und durch das RAPG angeordnet wird, geringere berufliche Fachkenntnisse vermitteln würde, als dies durch die vorausgehenden Regelungen des Studiums der Rechtswissenschaften und der Rechtsanwaltsprüfung der Fall war, und daß es aus diesem Grund geboten gewesen wäre, die Dauer der praktischen Verwendung zu verlängern. Der Verfassungsgerichtshof hegt vielmehr den Verdacht, daß die Verlängerung der Dauer der praktischen Verwendung mit dem sichtlichen Anknüpfen an die Studienreform nicht zu rechtfertigen sein dürfte.
Für den Verfassungsgerichtshof ist aber auch sonst nicht erkennbar, wodurch die in Prüfung gezogene Regelung sachlich gerechtfertigt sein könnte. Sollte mit ihr ein Konkurrenzschutz beabsichtigt gewesen sein, dürfte sie an sich unsachlich, aber auch im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Berufs- und Erwerbsfreiheit verfassungsrechtlich bedenklich sein."
3.2. Im Individualantrag G335/91 werden im wesentlichen die gleichen Bedenken vorgetragen, die vom Verfassungsgerichtshof in den amtswegigen Verfahren aufgeworfen wurden.
4. Die Bundesregierung ist der Zulässigkeit der vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren nicht entgegengetreten, hat jedoch die Zulässigkeit des Individualantrages bestritten.
4.1. Die Bundesregierung hat sich zu den Bedenken, die in den Einleitungsbeschlüssen aufgeworfen und auch im Individualantrag vorgebracht wurden, im wesentlichen wie folgt geäußert:
"1. ...
Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß dem Gesetzgeber bei der Gestaltung der Berufsvoraussetzungen für die Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt sei. Sie weist auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz hin, daß dem Gesetzgeber im Hinblick auf diesen Spielraum nur entgegengetreten werden kann, wenn der Gesetzgeber Ziele verfolgt, die nicht im öffentlichen Interesse liegen, wenn er zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsieht oder wenn die vorgesehenen, an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen (VfSlg. 8457/1978). Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes dürfte dem Gesetzgeber bezüglich der Auswahl der zur Erreichung eines Zieles geeigneten Mittel ein erheblicher Spielraum eingeräumt sein (VfSlg. 11369/1987).
Nach Auffassung der Bundesregierung hat der Gesetzgeber die Grenzen seines Gestaltungsspielraumes bei der Änderung des §2 Abs2 RAO durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 556/1985 nicht überschritten. Der Zweck der durch diese Gesetzesänderung bewirkten Verlängerung der Mindestpraxiszeit von Rechtsanwaltsanwärtern von fünf auf sechs (für Doktoren der Rechtswissenschaften) bzw. auf sieben Jahre (für Doktoren der Rechte und Magister der Rechtswissenschaften) war es nämlich, sicherzustellen, daß nur solche Personen den Beruf des Rechtsanwaltes eigenverantwortlich ausüben, die bereits eine ausreichende praktische Erfahrung gesammelt haben. Die Festlegung einer längeren Praxiszeit hat vor allem den Zweck der Verbesserung der Ausbildung und damit der Sicherung einer hohen Qualifikation der Rechtsanwaltsanwärter.
2. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß die durch das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, BGBl. Nr. 556/1985, in §2 Abs2 erster Satz RAO geregelte, zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche Gesamtpraxiszeit wieder mit sieben Jahren festgesetzt worden ist, nachdem sie zuvor durch die RAO-Novelle 1973 von sieben auf fünf Jahre herabgesetzt worden war. Die Ausbildungsdauer ist durch den nunmehr geltenden §2 Abs2 RAO damit nicht in willkürlicher, sachlich unbegründeter Weise verlängert worden, sondern es ist bezüglich der erforderlichen Praxiszeit ein Rechtszustand wiederhergestellt worden, der über lange Zeit hindurch bis zum Jahre 1973 gegolten hat. Die neuerliche Festlegung einer Ausbildungszeit von sechs bzw. sieben Jahren beruht auf der Erkenntnis, daß eine gründliche Ausbildung den Rechtsanwaltsanwärter, auf den verschiedenen, immer umfangreicher werdenden Rechtsgebieten grundsätzlich nur nach einer solchen Verlängerung gewährleistet erscheint.
3. Die Verlängerung der Praxiszeit in §2 Abs2 erster Satz RAO darf nicht isoliert betrachtet, sondern muß im Zusammenhang mit der gleichzeitig durch die Erlassung des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes erfolgten Reform der rechtsanwaltlichen Ausbildung insgesamt, nämlich als Teil eines Gesamtkonzepts zur Verbesserung der Rechtsanwaltsausbildung gesehen werden. Dieses Gesamtkonzept, das nunmehr auch zwei Teilprüfungen der Rechtsanwaltsprüfung und die Teilnahme an verbindlichen Ausbildungsveranstaltungen vorsieht, rechtfertigt auch die Verlängerung der Praxiszeit.
Die rechtswissenschaftliche Studienreform war somit zwar zweifellos Anlaß für die Neuregelung, sie stellte aber nicht die ausschließliche Ursache für die Verlängerung der Praxiszeit dar. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Studienreform zum Anlaß genommen, den gesamten Komplex der Rechtsanwaltsausbildung einer Neuregelung zu unterziehen.
In ArtI des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes BGBl. Nr. 556/1985, wurde nämlich die Rechtsanwaltsprüfung erstmals auf eine umfassende gesetzliche Grundlage gestellt. Mit §2 Abs1 Rechtsanwaltsprüfungsgesetz wurde vor allem neu geregelt, daß die Rechtsanwaltsprüfung in zwei Teilprüfungen abzulegen ist, wobei z. B. die Prüfungsgegenstände - unter besonderer Berücksichtigung des öffentlichen Rechts - neu geordnet und neue Prüfungskommissionen eingerichtet wurden. Weiters wurde für die Rechtsanwaltsanwärter die Teilnahme an verbindlichen Ausbildungsveranstaltungen zwingend vorgeschrieben.
Die im §2 Abs1 des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes geregelten Mindestzeiten für die Ablegung der beiden Teilprüfungen ergeben zwar derzeit theoretisch nur einen Zeitraum von vier Jahren und drei Monaten. Wenn man aber bedenkt, daß es bei den Prüfungskommissionen schon technisch nicht möglich scheint, alle Prüfungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen und daß auch alle notwendigen Ausbildungsveranstaltungen in den jeweiligen Zeiträumen stattfinden sollen, so zeigt sich, daß es nicht unsachlich war, gleichzeitig mit einer Ausbildungsreform auch die Mindestpraxiszeit zu verlängern. Hiebei erscheint es rechtspolitisch nicht wünschenswert, wenn Rechtsanwaltsanwärter die zweite Teilprüfung erst nach Zurücklegung der erforderlichen Mindestausbildungszeit ablegen.
4. Daß die Festlegung einer sechs- bzw. siebenjährigen Praxiszeit nicht unsachlich und damit gleichheitswidrig ist, zeigt auch der Vergleich mit dem nächstverwandten Beruf des Notars, für den ebenfalls eine siebenjährige praktische Verwendung vorgeschrieben ist (§6 Abs1 litb Notariatsordnung).
5. Zwar trifft es zu, daß diese Gründe keinen ausführlichen Eingang in die Gesetzesmaterialien zum Rechtsanwaltsprüfungsgesetz gefunden haben. Aus diesem Umstand kann nach Auffassung der Bundesregierung aber noch nicht geschlossen werden, diese Zielsetzungen seien für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs2 RAO nicht von Bedeutung. In diesem Zusammenhang darf insbesondere auf die Ausführungen von Tades (Bemerkungen zum Rechtsanwaltsprüfungsgesetz AnwBl 1985, 619) verwiesen werden, wo darauf hingewiesen wird, daß die Verlängerung der Praxiszeit im besonderen aus der seit der RAO-Novelle gewonnenen Erkenntnis geschehen ist, daß ein gründliche Ausbildung des Rechtsanwaltsanwärters auf den verschiedensten, immer umfangreicher werdenden Gebieten erst nach einer längeren praktischen Verwendung gewährleistet ist (a.a.O., 623). Auch nach Auffassung der Bundesregierung kann die Verlängerung der Praxiszeit von Rechtsanwaltsanwärtern im Hinblick auf das beachtliche Anwachsen des für die rechtsanwaltliche Berufsausübung maßgeblichen Rechtsstoffes gerade in den letzten Jahren gerechtfertigt werden. Daß der Gesetzgeber im Hinblick auf dieses Anwachsen im Jahr 1985 mit einer Verlängerung der Praxiszeit reagiert hat, kann daher nicht als unsachlich angesehen werden, zumal diese Verlängerung nicht in willkürlicher, sondern in maßvoller Weise um ein bzw. zwei Jahre erfolgt ist und entsprechende Übergangsbestimmungen geschaffen wurden.
II.
Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf Erwerbsfreiheit:
1. Zu den Bedenken in bezug auf das im Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit verweist die Bundesregierung zunächst zur sachlichen Rechtfertigung dieser Regelungen auf die obigen Ausführungen.
Im übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, daß durch die in Prüfung gezogene Bestimmung weder die Ausübung des Berufes des Rechtsanwalts vom Vorliegen eines Bedarfes abhängig gemacht, noch in anderer Weise ein 'numerus clausus' für die Zulassung zum Berufe des Rechtsanwalts vorgesehen wird. Die angefochtene Bestimmung dient vielmehr im Zusammenhang mit dem gleichzeitig erlassenen Rechtsanwaltsprüfungsgesetz dem öffentlichen Interesse der Verbesserung der Rechtsanwaltsausbildung und der noch besseren Sicherung einer hohen Qualifikation dieses Personenkreises.
Die im §2 Abs2 RAO festgelegten Zulassungsbedingungen für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs sind - im Gegensatz etwa zu den Voraussetzungen eines Bedarfs - Zugangsvorausssetzungen bloß subjektiver Art, und können von jedem Rechtsanwaltsanwärter durch eigenes Tun erfüllt werden. Bezüglich solcher Zugangsvoraussetzungen bloß subjektiver Art besteht unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf Erwerbsfreiheit aber ein weiter rechtspolitischer Handlungsspielraum des Gesetzgebers (VfSlg. 11.625/1988). Die Grenzen dieses rechtspolitischen Handlungsspielraumes hat der Gesetzgeber nicht überschritten.
2. Es ist auch zu beachten, daß die mit der Erlassung des §2 RAO erfolgte Verlängerung der Ausbildungszeit von fünf auf sechs bzw. sieben Jahre nur einen Teil der im Jahr 1985 mit Erlassung des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes, BGBl. Nr. 556/1985, erfolgten Reform der die Ausbildung des Rechtsanwalts regelnden Vorschriften darstellt. Gemäß §2 Abs1 RAPG ist nach der neuen Regelung die Rechtsanwaltsprüfung nunmehr in zwei Teilprüfungen abzulegen, wobei z. B. die Prüfungsgegenstände - unter besonderer Berücksichtigung des öffentlichen Rechts - neu geordnet und auch neue Prüfungskommissionen eingerichtet wurden. Weiters ist nunmehr auch gemäß §2 Abs2 RAPG für Rechtsanwaltsanwärter die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen vor der Ablegung dieser Teilprüfungen zwingend vorgeschrieben.
Das Ziel einer hohen Qualifikation der Rechtsanwälte liegt nicht zuletzt auch im Interesse der Klienten der Rechtsanwälte, deren Interesse zweifellos dadurch am besten geschützt wird, daß die Rechtsanwälte, von denen sie beraten oder vertreten werden, eine bestmögliche Ausbildung absolviert haben. Hiebei ist auch auf den hohen - im Art6 MRK verfassungsrechtlich besonders hervorgehobenen - Stellenwert einer effektiven Vertretung im Hinblick auf das in dieser Bestimmung verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Gerichtsverfahren hinzuweisen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, G135-141,207,208/90). Daß eine gute Ausbildung der Rechtsanwälte auch im Interesse der Rechtspflege liegt, ergibt sich im übrigen auch aus all jenen Verfahrensvorschriften, welche die Vertretung einer Partei im Verfahren durch einen Rechtsanwalt zwingend vorsehen.
Die Verlängerung der für die Eintragung als Rechtsanwalt erforderlichen Praxiszeiten, die durch die vom Antragsteller bekämpften Gesetzesstellen bewirkt wird, liegt daher im öffentlichen Interesse und stellt - im Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften über die Rechtsanwaltsausbildung - sowohl ein geeignetes als auch ein adäquates Mittel zur Erreichung dieses öffentlichen Interesses dar.
3. Die Zielsetzung des Schutzes von bereits zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft berechtigten Personen vor der unerwünschten Konkurrenz besser ausgebildeter Juristen dürfte für die Erlassung der Regelung nicht maßgeblich gewesen sein. Selbst wenn man der Regelung eine solche Wirkung beimißt, würde ein solcher Konkurrenzschutz nur für eine Übergangszeit von etwa einem Jahr wirksam werden, nämlich bloß solange, bis die nach dem neuen Ausbildungssystem ausgebildeten Rechtsanwälte ihre Tätigkeit selbständig entfalten dürfen. Es dürfte nämlich nicht anzunehmen sein, daß die Dauer der Praxiszeit von fünf oder aber sechs bzw. sieben Jahren für die Berufswahl von ausgebildeten Juristen von maßgeblicher Bedeutung ist.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erk. VfSlg. 9233/1981 erkannt, daß es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, im Interesse einer umfassenden juristischen Ausbildung für die Zulassung zum Studium der Rechtswissenschaften Lateinkenntnisse zu verlangen und hiebei offensichtlich auch in Kauf genommen, daß sich die Ausbildungszeit im Ausmaß des für den Erwerb dieser Sprachkenntnisse allenfalls erforderlichen Zeitraums verlängert. In gleicher Weise kann es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, die Ausbildung des Rechtsanwaltes durch eine Verlängerung der Ausbildungszeit zu verbessern und hiebei ein - nach Auffassung der Bundesregierung durchaus adäquates - Ausmaß dieser Ausbildung von sechs bzw. sieben Jahren festzulegen."
Die Bundesregierung beantragt, §2 Abs2 RAO nicht als verfassungswidrig aufzuheben, allenfalls für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.
4.2. Die Beschwerdeführer der Anlaßverfahren haben Gegenäußerungen erstattet.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat - vorläufig von der Zulässigkeit auch des Individualantrages ausgehend - die Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde die Bundesregierung ersucht, sich bei der Verhandlung darüber zu äußern, welche Ausbildungsdauer für die Ausübung des Anwaltsberufes in den Staaten des Europarates, insbesondere den Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in den Jahren 1973 sowie 1985 und nachfolgend gefordert war, und sich ferner dazu zu äußern, ob die Verkürzung der Ausbildungsdauer der Rechtsanwaltsanwärter von sieben auf fünf Jahre, die mit der RAO-Novelle 1973 erfolgt war, zu negativen Auswirkungen geführt habe. Bereits vor der Verhandlung hat die Bundesregierung Unterlagen über die Studien- und Ausbildungsdauer der Rechtsanwaltsanwärter vorgelegt. Zur Frage, ob die Verkürzung der Ausbildungsdauer im Jahre 1973 negative Auswirkungen nach sich gezogen habe, hat die Bundesregierung weder vor noch bei der mündlichen Verhandlung Angaben gemacht. Bei der Verhandlung wurde jedoch darauf verwiesen, daß ein Initiativantrag auf Verkürzung der Ausbildungszeit von nunmehr sechs bzw. sieben auf fünf Jahre in parlamentarischer Behandlung stehe.
6. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Verfahren erwogen:
6.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in den von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren G315/91 und G316/91 vorläufig davon ausgegangen, daß die in Prüfung gezogene Regelung von der belangten Behörde angewendet wurde und daß er diese Bestimmung bei Beurteilung der an ihn gerichteten Beschwerden anzuwenden haben werde. Das Verfahren hat nichts ergeben, das gegen die Richtigkeit dieser Annahme sprechen würde. Auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen liegen offenkundig vor. Die von Amts wegen eingeleiteten Prüfungsverfahren sind daher zulässig.
6.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages:
6.2.1. Zum Nachweis seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, daß er nach Abschluß des Diplomstudiums der Rechtswissenschaften in der Zeit vom 1. August 1986 bis 30. April 1987 (d.s. neun Monate) seine Gerichtspraxis absolviert habe. In der Zeit vom 1. Mai 1987 bis 30. Juni 1989 sei er als Notariatskandidat hauptberuflich tätig gewesen. Am 30. Juni 1988 sei ihm der akademische Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften verliehen worden. Am 1. Juli 1989 sei er erstmals in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen worden. Die Rechtsanwaltsprüfung habe er am 14. November 1989 in Form einer Ergänzungsprüfung zur Notariatsprüfung abgelegt.
Während er nach der früher geltenden Rechtslage (§2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 570/1973) bereits mit Wirksamkeit ab 1. Juli 1992 als Rechtsanwalt hätte tätig werden können, könne er aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage (§2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 474/1990) erstmals mit 1. Juli 1993 in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen werden.
Die bekämpfte Gesetzesbestimmung sei daher für ihn ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam geworden und greife unmittelbar in seine Rechtssphäre ein. Ein anderer zumutbarer Weg, Rechtsschutz gegen die verfassungswidrige Norm zu erlangen, stehe ihm nicht zur Verfügung. Die Erlangung eines Feststellungsbescheides sei im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Aus diesem Grund habe der Ausschuß der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer einen entsprechenden Antrag des Antragstellers als "Zuschrift" aufgefaßt und ihm mit Schreiben vom 7. Februar 1992 lediglich "mitgeteilt", daß gemäß §2 Abs2 RAO für ihn der bei einem Rechtsanwalt zu verbringende Zeitraum vier Jahre betrage. Keineswegs zumutbar erscheine weiters, die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte mit Wirksamkeit per 1. Juli 1992 zu begehren, den sodann ergehenden abweisenden Bescheid des Ausschusses der zuständigen Rechtsanwaltskammer mit Berufung an die OBDK zu bekämpfen und nach der dann zu erwartenden Abweisung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben.
6.2.2. Die Bundesregierung bestreitet in ihrer dieses Verfahren betreffenden Äußerung die Zulässigkeit des Individualantrages.
Auch im Fall der (gedachten) Aufhebung des §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 474/1990 und des (gedachten) Wiederinkrafttretens des §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 570/1973 gemäß Art140 Abs6 B-VG erfülle der Antragsteller die für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erforderliche Dauer der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt erst am 1. Juli 1992. Aus diesem Grund sei die behauptete nachteilige Wirkung der angefochtenen Gesetzesstelle für den Antragsteller (noch) nicht gegeben. Der Antragsteller sei aber auch deshalb nicht aktuell von der bekämpften Bestimmung betroffen, weil nach §5 RAO neben der Zurücklegung der gemäß §2 Abs2 leg.cit. erforderlichen Praxiszeit sowie der Ablegung der gemäß §2 RAPG erforderlichen Prüfung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte auch die Voraussetzung der Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers gegeben sein müsse; diese Voraussetzung sei im Eintragungsverfahren noch zu prüfen.
Selbst wenn man aber die aktuelle Betroffenheit des Antragstellers bejahe, sei der Individualantrag deshalb nicht zulässig, weil dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stehe, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der von ihm bekämpften Gesetzesstelle zu bewirken. Der Antragsteller könne seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach den bisherigen Bestimmungen beantragen und nach Durchlaufen des Instanzenzuges ein Gesetzesprüfungsverfahren auslösen. Der Umstand, daß er im Administrativverfahren keine Aussicht auf Erfolg hätte, bedeute keineswegs, daß ihm dieser Weg unzumutbar wäre. Die Zumutbarkeit eines Administrativverfahrens sei im vorliegenden Fall auch deswegen zu bejahen, weil es im Fall des Antragstellers auch keinen Hinweis darauf gebe, daß sich das Administrativverfahren bis zum Ende seiner Ausbildungszeit hinziehen würde.
6.2.3. Der Individualantrag ist aus folgenden Gründen nicht zulässig:
Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
Es mag zwar sein, daß §2 Abs2 RAO für den Antragsteller tatsächlich ohne Erlassung eines Bescheides insofern wirksam geworden ist, als er seiner Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte entgegensteht. Dieser Eingriff ist durch das Gesetz eindeutig bestimmt und beeinträchtigt die Interessen des Antragstellers nicht nur potentiell, sondern aktuell.
Auch der Einwand der Bundesregierung, eine aktuelle Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers sei deshalb zu verneinen, weil im Eintragungsverfahren das Vorliegen der Voraussetzung der Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers zu prüfen sei, ist nicht begründet. Angesichts des Umstandes, daß die Begründung von Rechten bzw. Pflichten in der Regel und in ganz überwiegendem Maße nicht bloß von der Erfüllung einer einzigen, sondern von mehreren Bedingungen abhängt, führte diese Auffassung im Ergebnis dazu, daß die aktuelle Betroffenheit eines Antragstellers faktisch nie bejaht werden könnte. Das Erfordernis der aktuellen Betroffenheit hat aber der Verfassungsgerichtshof nie in einer derart exzessiven, letztlich zu einer Rechtsschutzverweigerung führenden Weise verstanden. Vielmehr versucht die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, bei Prüfung der Zulässigkeit von Individualanträgen dem Sinngehalt des Art140 (und des Art139) B-VG durch eine Gesamtschau aller wesentlichen Determinanten Rechnung zu tragen. Der vorgetragene Einwand der Bundesregierung könnte demgemäß im vorliegenden Fall dann zur Verneinung der aktuellen Betroffenheit des Antragstellers führen, wenn das Fehlen der genannten Voraussetzung - nämlich der Vertrauenswürdigkeit - offenkundig wäre. Daß dies der Fall ist, wurde aber nicht einmal behauptet.
Aber selbst bei Bejahung der aktuellen Beeinträchtigung steht dem Antragsteller ein zumutbarer Weg zur Wahrung seiner Rechte offen. Er könnte nämlich um Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte gemäß §5 RAO ansuchen und gegen den hierüber ergehenden letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erheben und auf diesem Wege seine Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen geltend machen. Dieser Weg brächte für den Antragsteller nach Lage der Verhältnisse keine außerordentliche Härte mit sich, ist ihm also zumutbar (vgl. dazu VfSlg. 8156/1977, 8212/1977 und 8396/1978, welche die Antragslegitimation wegen Unzumutbarkeit bzw. besonderer Härte bejahen). Es gibt insbesondere auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich das Administrativverfahren bis zum Ende seiner Ausbildungszeit hinziehen würde. Auch der Umstand, daß der Antragsteller dabei im Administrativverfahren keine Aussicht auf Erfolg hat, bedeutet keineswegs, daß ihm dieser Weg deshalb unzumutbar wäre (vgl. VfSlg. 8978/1980, 9170/1981, 9285/1981, 9394/1982, 11348/1987, VfGH 28.9.1989, G195,196/88, und 12.10.1991, G80,81/91).
Die Anfechtung ist somit unzulässig. Der (Individual-)Antrag ist daher zur Gänze zurückzuweisen.
7. In den amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren G315/91 und G316/91 hat der Verfassungsgerichtshof in der Sache selbst erwogen:
7.1. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß es ganz offensichtlich im öffentlichen Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung, darüber hinaus aber auch im öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Rechtspflege und Rechtsberatung gelegen ist, daß nur solche Personen den Beruf eines Rechtsanwaltes eigenverantwortlich ausüben, die ausreichend praktische Erfahrungen gesammelt und eine bestmögliche Ausbildung absolviert haben. Zutreffend verweist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch auf den hohen, durch Art6 EMRK besonders deutlich artikulierten Stellenwert einer wirksamen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Hinblick auf das durch diese Verfassungsbestimmung gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren und auf die darauf abgestellten Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, G135/90 ua.
Der Verfassungsgerichtshof hält auch an der bereits in den Einleitungsbeschlüssen der amtswegigen Prüfungsverfahren hervorgehobenen und von der Bundesregierung geteilten Auffassung fest, daß es sich bei der gesetzlichen Regelung, welche Dauer einer praktischen Verwendung ein Rechtsanwaltsanwärter vor der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nachzuweisen hat, um eine Anordnung handelt, die in den rechtspolitischen Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers fällt; er hält aber auch an seiner in den Einleitungsbeschlüssen bereits unterstrichenen Auffassung fest, daß der Gesetzgeber auch insofern vom Gleichheitsgebot nicht ausgenommen ist.
7.2. Der Verfassungsgerichtshof äußerte in den Einleitungsbeschlüssen der amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahren das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Regelung mit einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz deshalb belastet sei, weil sie die Dauer der praktischen Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters als Berufsvoraussetzung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte von fünf Jahren auf sieben bzw. sechs Jahre verlängert, ohne daß sich für diese Änderung eine sachliche Rechtfertigung zu finden scheine.
Im Prüfungsverfahren hat sich die Richtigkeit dieser Bedenken aus folgenden Gründen erhärtet:
7.2.1. Zwar ist einzuräumen, daß die Advokatenordnung 1868 in §2 als Erfordernis der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte eine Praxiszeit von sieben Jahren vorsah; doch war schon damals diese als lang empfundene Frist äußerst umstritten, was sich aus den zum Ausschußbericht "über die Freigebung der Advocatur" abgeführten Beratungen im Abgeordnetenhaus ergibt (vgl. im einzelnen das (gedruckte) Protokoll über die 103. Sitzung der
1. Session der II. Wahlperiode des Hauses der Abgeordneten des Reichsrates vom 7. Mai 1868, S. 2958 ff.); besonders deutlich macht dies die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Hanisch, der wörtlich ausführte: "Wir hatten ferner überhaupt den Antrag gestellt, es möchte nur eine fünfjährige Gesamtpraxis gesetzlich normiert werden; allein wir haben diese Minoritätsanträge zurückgezogen, und zwar aus dem Grunde, weil eben das Gesetz sich als Übergangsgesetz charakterisiert." (vgl. das bereits zitierte Protokoll, S. 2969).
Diese Regelung galt bis zum Ablauf des 30. November 1973 (vgl. ArtII §1 des BG BGBl. Nr. 570/1973). Durch ArtI Z1 des Bundesgesetzes, mit dem die Rechtsanwaltsordnung abgeändert wird, BGBl. Nr. 570/1973, wurde §2 Abs2 der RAO dahingehend geändert, daß die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung der Rechtsanwaltsanwärter fünf Jahre zu dauern hatte. Im Allgemeinen Teil der EB zur diesbezüglichen RV (847 BlgNR 13.GP, S. 8; vgl. aber auch bezüglich eines internationalen Vergleiches den Besonderen Teil S. 9) wird diese Regelung der Dauer der praktischen Verwendung wie folgt begründet:
"Besonders der Alters- und Einkommensaufbau der Rechtsanwaltschaft einerseits sowie die verschiedenartigen Berufsaussichten für junge Juristen in Staat und Wirtschaft andererseits lassen es geboten erscheinen, die Erfordernisse zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs an die tatsächlichen Gegebenheiten und die Entwicklung auf dem Gebiet zeitgemäßer Berufsvorbereitung anzupassen. Dies soll - wie auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag am 6. April 1973 beschlossen hat - in erster Linie durch Herabsetzung der derzeit mit insgesamt sieben Jahren festgesetzten Praxiszeit auf fünf Jahre geschehen, zumal da es sich gezeigt hat, daß das Ausbildungsziel, nämlich die Erlangung der für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderlichen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen, auch schon in dieser Zeitspanne erreicht werden kann. Auch der internationale Vergleich zeigt, daß in nahezu allen europäischen und außereuropäischen Ländern eine Ausbildungszeit von fünf Jahren als durchaus ausreichend befunden wird."
Diese Ausführungen bringen deutlich die Auffassung zum Ausdruck, daß durch die Reduzierung der geforderten praktischen Verwendung die Realisierung des Ausbildungszieles der Rechtsanwaltsanwärter keine Einbuße erleiden werde.
7.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hält es für entscheidungswesentlich, ob die Reduzierung der Dauer der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderlichen praktischen Verwendung auf fünf Jahre in der Folge tatsächlich zu keinerlei erkennbaren Einbußen der fachlichen Qualifizierung der auszubildenden Rechtsanwaltsanwärter und der auf dieser Grundlage in die Liste der Rechtsanwälte eingetragenen Rechtsanwälte geführt hat.
7.2.3. In den EB zur RV vom 5. Juni 1979 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung geändert werden sollte (6 BlgNR 15.GP) wurde allerdings tatsächlich behauptet, es habe sich in der Zwischenzeit gezeigt, "daß mit einer praktischen Verwendung von bloß fünf Jahren das Ausbildungsziel nicht im gewünschten Maß erreicht werden kann" (aaO S. 3). Diese Regierungsvorlage führte zu keinem entsprechenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates. Die in der RV aufgestellte Behauptung fand also offensichtlich keine Bestätigung. Sie wurde auch in der Folge nicht präzisiert und konnte auch bei der mündlichen Verhandlung vom Vertreter der Bundesregierung in keiner Weise belegt werden. Es ergibt sich vielmehr aus den Ausführungen in ihrem Gesamtzusammenhang eindeutig, daß die angestrebte Änderung der Dauer der praktischen Verwendung auf sieben Jahre deshalb vorgeschlagen wurde, um den ansonsten nicht voll berücksichtigten "Wünschen der Rechtsanwaltschaft entgegenzukommen, ..." (aaO, S. 2).
Diese Bezugnahme auf Wünsche der Rechtsanwaltschaft ist unter dem Aspekt zu sehen, daß die Nichterfül