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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1409;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):92/14/0126Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerden 1.) des H in K und 2.) des J in L, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 13. März 1992, 171/21-10/Zö-1992, und vom 24. März 1992, 148/8-10/Zö-1992, betreffend Haftung für Abgabenschulden gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen von je 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer waren seit 7. Oktober 1988 Geschäftsführer der B-GmbH (in der Folge: GmbH) mit jeweils selbständiger Vertretungsbefugnis. Am 19. Jänner 1989 wurde der Konkurs über das Vermögen der GmbH eröffnet. Am 10. Oktober 1990 wurde der Konkurs nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben.
Mit den im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Beschwerdeführer jeweils für Abgabenschulden der GmbH von 91.988 S als Haftungspflichtige in Anspruch genommen. Hiebei handelte es sich um Umsatzsteuer, Alkoholabgabe, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Zuschlag und Säumniszuschläge für den Zeitraum September bis November 1988.
Die belangte Behörde führte in diesen Bescheiden aus, die Beschwerdeführer seien lediglich für Abgaben zur Haftung herangezogen worden, deren Fälligkeitstag nach dem Zeitpunkt ihrer Bestellung zu Geschäftsführern und vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH gelegen sei. Die Beschwerdeführer behaupteten hingegen, die Abgaben hätten infolge unzureichender Mittel und Überschuldung der GmbH nicht entrichtet werden können.
Hinsichtlich der Haftung für Umsatzsteuer sowie Abgabe von alkoholischen Getränken für September, Oktober und November 1988 sei dem entgegenzuhalten, daß diese Abgaben mit den Preisen für die Bewirtung bezahlt worden und daher für die Abfuhr an das Finanzamt zur Verfügung gestanden seien. Ein diesbezüglicher Vorhalt sei unwidersprochen geblieben. Die Beschwerdeführer behaupteten auch nicht, die entsprechenden Beträge seien von der GmbH vor ihrer Bestellung zu Geschäftsführern (betreffe Umsatzsteuervorauszahlung für September 1988) für andere Zwecke verwendet worden.
Der Einwand, die vom Steuerberater errechneten laufenden Abgaben seien bezahlt worden, widerspreche der Aktenlage. Im haftungsgegenständlichen Zeitraum seien nur im Weg von Zwangsvollstreckungen 20.000 S entrichtet worden, die auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten Abgabenschulden verrechnet worden seien.
Die Löhne und Gehälter für Oktober und November 1988 seien - wie von den Beschwerdeführern unbestritten - zur Gänze ausbezahlt, die darauf entfallende Lohnsteuer jedoch nicht abgeführt worden. Gemäß § 78 Abs 3 EStG 1972 hätten die Geschäftsführer im Fall fehlender Mittel die Verpflichtung, einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung zu bringen, von dem Lohnsteuer auch abgeführt werden könne. Der Hinweis, die Geldmittel hätten für die Abfuhr der Lohnsteuer nicht ausgereicht, hindere die Heranziehung der Geschäftsführer zur Haftung somit nicht.
Hinsichtlich der übrigen Abgaben, für die die Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen worden seien, gelte, Geschäftsführer einer GmbH dürften Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als übrige Schulden, die aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichen seien. Die Beschwerdeführer seien schriftlich aufgefordert worden, eine Aufstellung der von ihnen ab 7. Oktober 1988 bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH beglichenen Rechnungen vorzulegen und dadurch nachzuweisen, daß sie Abgabenschulden wegen fehlender Mittel nicht hätten entrichten können, sowie darzutun, daß sie Abgabenforderungen bei der Verfügung über vorhandene Mittel nicht benachteiligt hätten. Die Beschwerdeführer hätten daraufhin wiederum nur auf die beim Steuerberater befindlichen Unterlagen hingewiesen. Dem Zweitbeschwerdeführer sei sowohl das Ergebnis einer Einvernahme des Bruders des Steuerberaters als auch des Steuerberaters selbst als Auskunftspersonen zur Kenntnis gebracht worden, in denen der Bruder als Sachbearbeiter und der Steuerberater als dessen Arbeitgeber die vom Zweitbeschwerdeführer behauptete Zuständigkeit für die Entrichtung der Abgabenschulden zugunsten der GmbH in Abrede gestellt hätten. Aus der Tatsache, daß andere Gläubiger befriedigt worden seien (unter anderem seien Strom- und Telefonrechnungen sowie die Honorarnote des Steuerberaters beglichen worden), könne geschlossen werden, daß Mittel, wenn auch in unzureichendem Ausmaß, zur Verfügung gestanden seien. Der Umstand, daß die Beschwerdeführer die GmbH-Anteile in Unkenntnis der Überschuldung der GmbH übernommen hätten, sei für die Haftung gemäß § 9 BAO bedeutungslos. Die Vertreter einer juristischen Person hafteten für alle Ansprüche, die dem Steuerpflichtigen gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden könnten, somit auch für Säumniszuschläge.
Abschließend wies die belangte Behörde in dem an den Erstbeschwerdeführer ergangenen Bescheid darauf hin, sie habe in den Akt betreffend den Konkurs über das Vermögen der GmbH Einsicht genommen; in dem an den Zweitbeschwerdeführer ergangenen Bescheid wies sie darauf hin, sie habe auch in die vom Beschwerdeführer genannten Akten des Bezirksgerichtes Linz sowie des Steueramtes des Magistrates Linz Einsicht genommen. Aus keinem dieser Akten hätten sich Gründe für den Ausschluß der Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführer ergeben.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Mit den die Behandlung dieser Beschwerden ablehnenden Beschlüssen vom 15. Juni 1992, B 520/92-7 und B 622/92-3, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof ab. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachten sich in ihren Rechten auf Nichtinanspruchnahme als Haftungspflichtige für Abgabenschulden der GmbH verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und beantragt in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Sinn des Antrages des Zweitbeschwerdeführers über die wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerden erwogen:
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Unbestritten ist, daß die Abgaben, für die die Beschwerdeführer als Haftungspflichtige herangezogen worden sind, bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden können, sowie daß die Beschwerdeführer im Streitzeitraum jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der GmbH waren und damit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter zählen, die zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können. Werden mehrere Personen zur Haftung herangezogen, sind sie Gesamtschuldner.
Der Einwand der Beschwerdeführer, sie hätten die Geschäftsführung der GmbH erst am 7. Oktober 1988 übernommen und bereits am 4. Dezember 1988 den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH gestellt, weshalb alle von ihnen geleisteten Zahlungen nach den Bestimmungen der §§ 12, 30 und 31 KO wegen Begünstigung von Gläubigern rechtsunwirksam und anfechtbar gewesen wären, ist nicht geeignet, eine Haftung der Beschwerdeführer nach § 9 BAO auszuschließen. Ob bzw inwieweit von den Beschwerdeführern geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Konkursordnung rechtsunwirksam bzw anfechtbar gewesen wären, ist ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt wurde, bleibt davon unberührt.
Die Beschwerdeführer wurden im Abgabenverfahren wiederholt aufgefordert - etwa durch Vorlage einer Aufstellung aller von vom 7. Oktober 1988 bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH bezahlten Rechnungen - nachzuweisen, daß sie den Abgabengläubiger gegenüber den anderen Gläubigern nicht benachteiligt hätten. Diesen Aufforderungen sind die Beschwerdeführer jedoch nie nachgekommen. Der bloße Hinweis, der Abgabengläubiger sei gegenüber anderen Gläubigern insofern begünstigt worden, als für die GmbH im Oktober und November 1988 jeweils "Raten" von 10.000 S an die Republik Österreich bezahlt worden seien (dabei handelt es sich um die im Weg von Zwangsvollstreckungen entrichteten Beträge von insgesamt 20.000 S), ist hingegen nicht geeignet, eine Begünstigung oder auch nur eine Gleichstellung des Abgabengläubigers mit anderen Gläubigern nachzuweisen, zumal unbestritten ist, daß auch Forderungen anderer Gläubiger (teilweise) beglichen wurden.
Die Ausführungen der Beschwerdeführer, sie hätten ohnedies einen zugelassenen Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater mit der Buchhaltung der GmbH betraut, sind ebenfalls nicht geeignet, eine Haftung der Beschwerdeführer nach § 9 BAO auszuschließen. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel (vgl das hg Erkenntnis vom 27. August 1991, 91/14/0117, mwA). Es wäre daher Sache der Beschwerdeführer gewesen, die erforderlichen Nachweise zu erbringen und nicht nur auf die beim Steuerberater befindlichen (ungeordneten) Buchhaltungsunterlagen zu verweisen.
Zur Abfuhr der im Haftungsbetrag enthaltenen Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken und Lohnsteuer waren die Beschwerdeführer als Geschäftsführer der GmbH abgabenrechtlich verpflichtet. Die Verletzung dieser Verpflichtung war, unabhängig von den zweifellos vorhandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH, jedenfalls schuldhaft, weil es sich bei diesen Abgaben um solche handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch die vorhandenen Schwierigkeiten nicht gehindert war (vgl das hg Erkenntnis vom 9. Oktober 1991, 90/13/0249, mwA). Die belangte Behörde ist hinsichtlich der Entrichtung dieser Abgaben daher zu Recht von einer Benachteiligung des Abgabengläubigers gegenüber anderen Gläubigern ausgegangen.
Hinsichtlich der nicht abgeführten Lohnsteuer ist auf § 78 Abs 3 EStG 1972 zu verweisen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß die volle Zahlung vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten der Beschwerdeführer mit den Rechtsfolgen des § 9 BAO darstellt. Es darf nur ein solcher Betrag zur Auszahlung gelangen, der die Abfuhr der Lohnsteuer erlaubt (vgl das hg Erkenntnis vom 22. April 1992, 91/14/0252, mwA).
Da sich die persönliche Haftung gemäß § 7 Abs 2 BAO auch auf Nebenansprüche erstreckt (vgl das eben genannte hg Erkenntnis vom 22. April 1992), sind die Beschwerdeführer auch für die mit Umsatzsteuer, Abgabe für alkoholische Getränke und Lohnsteuer für den strittigen Zeitraum im Zusammenhang stehenden Säumniszuschläge zu Recht zur Haftung herangezogen worden.
Hinsichtlich der Haftung für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Zuschlag gilt insofern das bereits vorhin Ausgeführte, als der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden darf, was die Beschwerdeführer nachzuweisen gehabt hätten. Da die Beschwerdeführer auch zur Abfuhr dieser Abgaben verpflichtet waren, dies jedoch ohne Angabe von konkreten Gründen unterlassen haben, konnte die belangte Behörde auch hinsichtlich dieser Abgaben von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beschwerdeführer ausgehen.
Ob die Beschwerdeführer Rechtsnachfolger der GmbH im Sinn des § 1409 ABGB waren, ist für die Frage der Haftung nach § 9 in Verbindung mit § 80 BAO nicht relevant. Entscheidend ist nur, daß die Beschwerdeführer im Streitzeitraum Geschäftsführer der GmbH waren.
Soweit die Beschwerdeführer der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften vorwerfen, sie habe es unterlassen, den Akt des Steueramtes des Magistrates Linz beizuschaffen, ist dem folgendes entgegenzuhalten: Der Erstbeschwerdeführer hat die Beischaffung dieses Aktes nicht beantragt. Im Haftungsverfahren des Zweitbeschwerdeführers hat die belangte Behörde - wie aus dem angefochtenen Bescheid ersichtlich - in diesen Akt aber ohnedies Einsicht genommen. Aus dem Inhalt des Aktes des Steueramtes des Magistrates Linz haben sich nach den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden jedoch keine, die Haftung der Beschwerdeführer ausschließende Gründe ergeben.
Bei der Behauptung der Beschwerdeführer, sie seien im Streitzeitraum nicht Geschäftsführer aller, von der GmbH betriebener Lokale gewesen, handelt es sich um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung im Sinn des § 41 VwGG.
Worin das Verschulden der Beschwerdeführer an der Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten gelegen ist, wurde bereits ausgeführt und auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausreichend dargelegt.
Die unterlassene Einvernahme des Bruders des Steuerberaters als Zeugen stellt ebenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil es sich - abgesehen von dessen ohnehin erfolgter Einvernahme als Auskunftsperson - bei den vom Zweitbeschwerdeführer genannten Beweisthemen um von der belangten Behörde unbestrittene Tatsachen, wie, daß der Steuerberater von den Beschwerdeführern tarifmäßig entlohnt wurde und die Beschwerdeführer die Übernahme der ungeordneten Buchhaltungsunterlagen aus der Zeit vor ihrer Bestellung zu Geschäftsführern verweigert haben, handelt.
Mit der wahllosen Aufzählung von Bestimmungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches sowie der Bundesabgabeordnung zeigen die Beschwerdeführer schließlich keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Eine solche ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.
Die Beschwerden erweisen sich somit insgesamt als unbegründet und waren daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992140125.X00Im RIS seit
01.06.2001Zuletzt aktualisiert am
14.11.2012