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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §200 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 18. Mai 1993, Zl. 12/4/2-BK/M-1993, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erwarb 1983 eine (echte) stille Beteiligung und bevollmächtigte eine Treuhänderin gleichzeitig unwiderruflich, seine Gesellschaftereinlage zum 31. Oktober 1986 um 70 % des Nominales abzutreten. Bereits im Prospekt befand sich für diesen Fall ein Übernahmeangebot einer näher bezeichneten GmbH. Der Anteil wurde vom Beschwerdeführer auch diesem Angebot gemäß zum 31. Oktober 1986 veräußert. Der Prospekt enthielt keine Berechnungen, denen ein längeres Bestehen der Beteiligung zugrunde gelegen wäre.
Der Beschwerdeführer erklärte für 1983 - nur dieses Steuerjahr ist im Hinblick auf den Beschwerdepunkt von Interesse - aus der stillen Beteiligung einen Werbungskostenüberschuß von über S 150.000,--. Das Finanzamt setzte mit vorläufigem Bescheid vom 14. Oktober 1985 die Einkommensteuer fest, wobei es von dem erklärten Werbungskostenüberschuß lediglich ein Agio in Höhe von S 3.750,-- nicht anerkannte. Allein dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit Berufungsvorentscheidung vom 1. September 1986 als unbegründet abgewiesen wurde. Bereits vorher war mit Bescheid vom 24. April 1986 die Einkommensteuerfestsetzung für 1983 gemäß § 295 Abs. 1 BAO wegen der Feststellung weiterer Einkünfte (Vermietung und Verpachtung) geändert worden, wobei die Einkommensteuerfestsetzung neuerdings vorläufig erfolgte.
Mit Bescheid vom 4. April 1991 setzte das Finanzamt mit endgültigem Bescheid (§ 200 Abs. 2 BAO) die Einkommensteuer für 1983 (endgültig) fest, wobei es die stille Beteiligung wegen Liebhaberei nicht mehr als Einkunftsquelle anerkannte.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Die belangte Behörde wies mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid diese Berufung als unbegründet ab. Wegen der zeitlichen Begrenzung der stillen Beteiligung sei die Erzielung eines Einnahmenüberschusses unmöglich gewesen. Im Hinblick auf die Prospektangaben habe aber auch die Überschußerzielungsabsicht gefehlt. Es liege daher Liebhaberei im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 28. Februar 1994, B 1311/93-8, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Laut der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtvorschreibung der Einkommensteuer in Höhe von S 84.411,-- für das Jahr 1983, in seinem Recht auf Ermessensübung im Sinne des § 20 BAO und auf Durchführung eines Ermittlungsverfahrens im Sinne der §§ 161 f BAO verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen:
Die vorläufigen Steuerfestsetzungen für das Jahr 1983 sind seinerzeit in Rechtskraft erwachsen. Das Vorbringen gegen die Rechtmäßigkeit der Vorläufigkeit der Festsetzung der Steuer kann der Beschwerde, abgesehen davon, schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die vorläufigen Bescheide seit Erlassung des endgültigen Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehören (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. November 1986, 84/15/0133, ÖStZB 1987, 346).
Die Erlassung eines endgültigen Bescheides war gemäß § 200 Abs. 1 BAO jedenfalls geboten. Auch wenn keine Ungewißheit bestand, kann dabei eine geänderte Auffassung, Beurteilung und Wertung Platz greifen (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch, 472 f und die dort zitierte Judikatur).
Im Zeitpunkt der Erlassung des endgültigen Bescheides war Verjährung (§ 207 BAO) nicht eingetreten. Die Verjährung war nämlich gemäß § 209 Abs. 1 BAO durch die vorläufigen Abgabenfestsetzungen vom 14. Oktober 1985, 24. April 1986 und die die vorläufige Abgabenfestsetzung bestätigende Berufungsvorentscheidung vom 1. September 1986 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1994, 92/13/0097) unterbrochen worden, wenn sie nicht erst gemäß § 208 Abs. 1 lit. d, sondern gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO begann. Unzuständigkeit des Finanzamtes zu diesen Verwaltungsakten behauptet der Beschwerdeführer nicht, ebensowenig, daß die genannten Verwaltungsakte nicht nach außen in Erscheinung getreten wären. Darauf, ob die Verwaltungsakte rechtswidrig gewesen sind, kommt es für die Unterbrechungswirkung nicht an (vgl. Stoll, a.a.O., 494 und die dort zitierte Judikatur). Daß einer der in § 209 Abs. 1 BAO genannten Amtshandlungen eine zutreffende Rechtsansicht zugrundeliegen müsse, wird vom Gesetz nicht gefordert (vgl. zuletzt Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1992, 91/16/0071 bis 0073, ÖStZB 1993, 349). An der die Verjährung unterbrechenden Wirkung eines Abgabenbescheides ändert auch die Aufhebung dieses Bescheides in der Folge nichts (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1989, 87/17/0202, ÖStZB 1989, 493), hier also das Ausscheiden der vorläufigen Bescheide aus dem Rechtsbestand durch die endgültige Abgabenfestsetzung. Innerhalb offener Verjährungsfrist steht der Abgabenbehörde die Wahl des Zeitpunktes der Abgabenfestsetzung grundsätzlich frei; eine Rechtswidrigkeit derselben kann nicht schon darin erblickt werden, daß sie allenfalls früher möglich gewesen wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1984, 83/16/0055, 0057, VwSlg 5866 F/1984). Die 5-jährige Verjährungsfrist war daher zum Zeitpunkt der Erlassung des endgültigen Steuerbescheides vom 4. April 1991 jedenfalls nicht abgelaufen. Für die Abgabenfestsetzung in der Berufungsentscheidung gilt § 209a BAO.
Hinsichtlich der Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das einen gleichgelagerten Fall betreffende - bereits im angefochtenen Bescheid zitierte - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1993, 88/14/0182, ÖStZB 1993, 293, hingewiesen. Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Daraus ist zu entnehmen, daß der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Frage der Liebhaberei - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auf rechtlicher Grundlage erfolgte.
Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf einer "faktischen Rückwirkung" des AbgÄG 1984 - gemeint ist offenbar § 27 Abs. 2 Z. 3 EStG 1972 in der Fassung dieses Gesetzes - ist unrichtig. Ausschlaggebend für den angefochtenen Bescheid war nämlich lediglich die Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft.
Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Ermessen nicht zu üben hatte, beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht auf § 20 BAO.
Bereits der Inhalt der Beschwerde ließ daher erkennen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994140055.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008