Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASchG 1972 §31 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 2. Mai 1994, Zl. Senat-MD-93/519, betreffend Bestrafung wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Mai 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig befunden, er sei als Vorstandsmitglied und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B.-AG. mit dem Sitz in W dafür verantwortlich, daß am 25. November 1991 in einer örtlich umschriebenen Filiale eine in einem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid enthaltene Arbeitnehmerschutzvorschrift (Auflage) nicht eingehalten worden sei, da im Büro an ständigen Arbeitsplätzen kein fußwarmer Bodenbelag vorhanden gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach (näher angeführten) Arbeitnehmerschutzvorschriften begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, bei Bestellung eines verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen gemäß § 9 Abs. 2 VStG nicht für die Verletzung jener Verwaltungsvorschriften zur Verantwortung gezogen zu werden, die in den Verantwortungsbereich des Bestellten fielen.
Dazu wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, Voraussetzung für die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG sei unter anderem der Besitz einer Anordnungsbefugnis für den klar abgegrenzten Bereich; daran mangle es im vorliegenden Fall, weil auf Grund der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für die Schlußfolgerung vorlägen, daß hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Übertretung insoweit keine wirksame und rechtsgültige Übertragung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit erfolgt sei. Der zum verantwortlichen Beauftragten für die in Rede stehende Filiale bestellte Filialleiter V. sei nämlich nicht in Besitz einer dementsprechenden Anordnungsbefugnis gewesen, aus dem eigenen Verantwortungsbereich heraus den festgestellten baulichen Mangel (der eine Übertretung der Arbeitnehmerschutzvorschriften darstelle) in der Filiale zu beheben.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er infolge der Bestellung des Filialleiters zum verantwortlichen Beauftragten für die in Rede stehende Verwaltungsübertretung nicht bestraft werden dürfe, kommt allerdings Berechtigung zu: Die Verantwortung des Filialleiters erstreckt sich laut der diesbezüglichen Bestellungsurkunde vom 27. März 1991 "auf alle
zur Anwendung gelangenden Vorschriften, insbesondere auf ... h)
... der Einhaltung der Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides" (Punkt 2), wobei der Filialleiter laut Punkt 3 berechtigt ist, zur Erfüllung seiner Obliegenheiten und in Ergänzung allgemein ergangener Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für seinen Verwantwortungsbereich zu erlassen.
Diese ihm eingeräumte "Berechtigung" ist als Zuweisung einer entsprechenden Anordungsbefugnis für den seiner Verantwortung unterliegenden, klar abgegrenzten Bereich (betreffend eine örtlich umschriebene Filiale) im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG anzusehen; sie umfaßt die Vorkehrung all jener Maßnahmen, die notwendig sind, um - hier - die Einhaltung der Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides zu gewährleisten. Der verantwortliche Beauftragte (Filialleiter) hätte seine Zustimmung zur Bestellung zurückziehen müssen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. zum Ganzen analog - betreffend die Bestrafung einer verantwortlichen Beauftragten - das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0035). Eine allfällige Verpflichtung des verantwortlichen Beauftragten, betriebsinterne Anweisungen zu befolgen, ist für die Wirksamkeit seiner Bestellung ohne Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0084, wobei gleichzeitig auf die Bestimmungen des § 9 Abs. 5 und Abs. 6 VStG verwiesen wurde).
Ausgehend von dieser Rechtslage war es rechtswidrig, den Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen berufenes Organ trotz der erwähnten Bestellung des Filialleiters zum verantwortlichen Beauftragten mit der Begründung zur Verantwortung zu ziehen, daß der Filialleiter lediglich über einen Kostenrahmen bis zu S 5.000,-- verfügen durfte und die Beseitigung des der Arbeitnehmerschutzvorschrift widersprechenden Zustandes diesen Rahmen bei weitem überstiegen hätte. Ob der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde in der Gegenschrift - allenfalls unter Anwendung des § 9 Abs. 6 VStG bestraft hätte werden können, kann dahinstehen, weil ihm solches nicht zur Last gelegt wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, beschränkt durch den Umfang des Antrages.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994020269.X00Im RIS seit
01.06.2001