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21/03 GesmbH-Recht;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 2. Dezember 1993, Zl. 129-GA 6-DMe/91, betreffend Haftung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der mit 25. Juni 1989 infolge Abweisung der Eröffnung des Konkurses (mangels kostendeckenden Vermögens) gemäß § 1 Abs. 1 Amtslöschungsgesetz aufgelösten F-Gesellschaft m.b.H. (im folgenden kurz: Gesellschaft m.b.H.).
Mit Haftungsbescheid vom 5. Dezember 1990 wurde er vom Finanzamt Salzburg-Stadt gemäß § 80 Abs. 1 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft m.b.H. im Gesamtausmaß von S 43.374,-- (Lohn- und Lohnnebenabgaben samt Nebengebühren) herangezogen.
Dagegen berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Behauptung, neben ihm sei noch Dr. R Geschäftsführer gewesen. Nach der "Aufteilung der Tätigkeiten der Geschäftsführer" sei es auf Grund seiner beruflichen Vorbildung dessen Aufgabe gewesen, "sämtliche steuerlichen und buchhalterischen Arbeiten durchzuführen". Der Beschwerdeführer sei dafür nicht zuständig gewesen. Ein Haftungsbescheid gegen ihn könne daher nicht ergehen, zumal ihn kein Verschulden treffe.
Das Finanzamt ersuchte den Beschwerdeführer daraufhin mit Noten vom 13. Februar und 15. Mai 1991 um eine nähere Erläuterung der behaupteten Aufgabenteilung der beiden Geschäftsführer sowie in diesem Zusammenhang um die Vorlage allfälliger Dokumente.
Der Beschwerdeführer legte dazu dem Finanzamt am 22. Mai 1991 eine Kopie des zwischen der Gesellschaft m.b.H. und Dr. Grömmer am 22. Mai 1986 abgeschlossenen Werkvertrages vor, der folgenden Inhalt hat:
"WERKVERTRAG
zwischen
F-Gesellschaft m.b.H.,
und
Herrn Dr. R, Wirtschaftsjurist,
wie folgt:
1.) Bestellung
a)
Lt. Generalversammlung vom 20.5.1986 wurde Hr. Dr. R zum Geschäftsführer der obig angeführten Ges.m.b.H. bestellt.
2.) Rechte und Pflichten
a)
Als ordentlicher Kaufmann und Geschäftsführer der obig angeführten Ges.m.b.H., hat Herr Dr. R sich nach dem Ges.m.b.H.-Gesetz, dem HGB- u. Angestelltengesetz zu richten.
b)
Weiters ist Herr Dr. R gemeinsam mit dem 2. Geschäftsführer zusammen zeichnungsberechtigt.
c)
Der Aufgabenbereich des Geschäftsführers erfaßt sämtliche betriebsführende und betriebsentscheidende Tätigkeiten. Dem Geschäftsführer Dr. R obliegt die Geschäftsführung samt allen Rechten und Pflichten und Verantwortungen.
3.) Kündigung
a)
Die Abbestellung des Geschäftsführers erfolgt über die Generalversammlung.
b)
Eine Kündigung seitens des Geschäftsführers muß immer 2 Monate vor Beginn eines jeweiligen Bauvorhabens erfolgen.
4.) Entlohung
a)
Die Entlohnung erfolgt in Form von Brutto-Pauschal-Honoraren. Der Geschäftsführer nimmt dies ausdrücklich zur Kenntnis. Die Brutto-Pauschal-Honorare werden für jedes Bauvorhaben eigens und unterschiedlich durch die Gesellschafter beschlossen.
b)
Durch die Gesellschafter beschlossene Brutto-Pauschalhonorare für ein bestimmtes Bauvorhaben kommen jeweils 3 Wochen vor amtlichen Baubeginn zur Auszahlung.
c)
Sollten Bauvorhaben, egal aus welchen Gründen immer, nicht verwirklicht werden können, so erhält Herr Dr. R keine wie immer lautende Zahlung von der Firma F, egal, wenn auch bereits ein Honorar-Beschluß feststand.
d)
Folgende Bauvorhaben sind in Vorbereitung und folgende Brutto-Pauschalhonorare würden für den Fall der Verwirklichung bezahlt:
BV-Sch
S 400.000,-- Brutto-Pauschal-Honorar (in Worten: Schilling
vierhunderttausend)
BV-H
S 800.000,-- Brutto-Pauschal-Honorar (in Worten: Schilling
achthunderttausend)
5.) Abänderungen-Ergänzungen
a)
Seitens der Gesellschaft ist jegliche Abänderung und Ergänzung des Werkvertrages durch einen Generalversammlungs-Beschluß möglich. Ausgenommen sind die bereits beschlossenen Brutto-Pauschal-Honorare (derzeit wie bei BV-Sch und BV-H).
6.) Betriebsinformation
a)
Die Fa. "FBV" ist im Gründungsstadium; der Werkvertrag ist bei amtlicher Protokollierung im Handelsregister erst rechtswirksam.
Beide Parteien erklären sich mit dem Werkvertrag einverstanden und bestätigen dies mit ihrer Unterschrift.
7.) Streitigkeiten
Bei Streitigkeiten gilt das zuständige Gericht in Salzburg."
Der Beschwerdeführer vermeinte dazu, aus diesem Vertrag ergebe sich, daß Dr. R die gesamten steuerlichen und buchhalterischen Arbeiten durchzuführen gehabt habe.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 2. Juli 1991 als unbegründet ab. Dagegen stellte der Beschwerdeführer fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch Abgabenbehörde zweiter Instanz, den er mit dem Hinweis begründete, aus der vorgelegten Urkunde ergebe sich die behauptete Aufgabenteilung der beiden Geschäftsführer. Dr. R habe sämtliche Agenden durchzuführen gehabt, "die insbesondere die steuerliche Seite betreffen". Der Beschwerdeführer dagegen sollte ausschließlich den Verkauf durchführen und den Außendienst organisieren. Er habe keine Agenden im Zusammenhang mit der Anstellung von Dienstnehmern, der Abrechnung derselben, der Abgabe von Steuererklärungen etc. übertragen erhalten.
Die belangte Behörde richtete daraufhin an Dr. R eine Anfrage, der mit Schreiben vom 14. Juli 1993 nicht nur das vom Beschwerdeführer behauptete Vorliegen einer schriftlichen Abmachung für eine Aufteilung der Agenden zwischen den Geschäftsführern in Abrede stellte, sondern ausdrücklich darlegte, der Beschwerdeführer sei sehr wohl mit Angelegenheiten der Lohnsteuer und Lohnsummensteuer befaßt gewesen. Der Beschwerdeführer habe allein darüber entschieden, welche Abgabenverbindlichkeiten zu bezahlen seien und entsprechende Weisungen an die Steuerberatungskanzlei erteilt.
Die belangte Behörde gab daraufhin dem Beschwerdeführer am 26. Juli 1993 Gelegenheit zur Stellungnahme und wies in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, daß der Beschwerdeführer die Steuererklärung für 1986 für die Gesellschaft m.b.H. unterschrieben habe. Die belangte Behörde stellte dazu an den Beschwerdeführer die Frage, warum er die Steuererklärung unterfertigt habe, wenn er - wie behauptet - mit steuerlichen Angelegenheiten nichts zu tun gehabt habe. Der Beschwerdeführer ließ (nach mehrmaligen Fristverlängerungen) diese Frage unbeantwortet und führte aus, er sei ausschließlich für die Organisation des Außendienstes und den Verkauf verantwortlich gewesen. Dies sei nachvollziehbar, "da es wohl keinen Sinn hätte, daß die Geschäftsführer jeweils in allen Bereichen gleichzeitig tätig sind". Es sei selbstverständlich und üblich, daß es zu einer Aufgabenteilung komme. Diese Aufgabenteilung erfolge nach der bisherigen Erfahrung und Praxis. Im Werkvertrag sei der Umfang der Tätigkeit des Dr. R "eindeutig festgelegt" worden. Der Beschwerdeführer sei mit der Abführung von Abgaben nie befaßt gewesen. Dazu legte der Beschwerdeführer diverse Urkunden vor.
Die belangte Behörde setzte in teilweiser Stattgebung der Berufung den Haftungsbetrag auf S 42.309,-- herab und traf folgende Feststellungen: Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden gehe nur hervor, daß bei Verkauf eines dinglichen Nutzungsrechtes Probleme des Vorsteuerabzuges geprüft worden seien. Die angeführte Umsatzsteuervoranmeldung betreffe den "C-Club". Ein vorgelegter Aktenvermerk vom 6. September 1988 betreffe ein Schreiben über die Beurteilung der Tätigkeit des "B-Clubs", nicht aber die F-Gesellschaft m.b.H. Ein vorgelegtes Schreiben der Volksbank Oberkärnten habe den Hotelkauf "W" in B zum Gegenstand.
Rechtlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, aus dem zwischen der Gesellschaft m.b.H. und Dr. R abgeschlossenen Werkvertrag ergebe sich keine Agendenaufteilung zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. R. Die umfassende Verantwortung eines Geschäftsführers ergebe sich aus dem GmbH-Gesetz und treffe jeden Geschäftsführer einer solchen Gesellschaft. Insbesondere ausgehend von der schriftlichen Stellungnahme Dris. R sowie von der Tatsache, daß der Beschwerdeführer Steuererklärungen für die Gesellschaft m.b.H. unterfertigt habe, erachtete die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer behauptete Aufgabenaufteilung zwischen den beiden Geschäftsführern der Gesellschaft m.b.H. für nicht gegeben. Es sei daher davon auszugehen, daß auch der Beschwerdeführer für steuerliche Belange zuständig gewesen sei. Ob der zweite Geschäftsführer zur Haftung herangezogen werden könne, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht darauf verletzt, wegen der behaupteten, bestehenden Aufgabenteilung zwischen den Geschäftsführern nicht zur Haftung herangezogen zu werden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach ständiger hg. Judikatur ergibt sich aus der Tatsache der Ablehnung eines Konkursantrages mangels Deckung der Kosten des Konkursverfahrens zweifelsfrei, daß offene Abgaben bei einer davon betroffenen Gesellschaft m.b.H. nicht mehr einbringlich sind (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 89/14/0185). Hinsichtlich der Haftungsvoraussetzung des Verschuldens ist es ebenfalls nach ständiger hg. Judikatur Sache des Vertreters, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zur Annahme berechtigt ist, daß eine schuldhafte (wenigstens leicht fahrlässige) Pflichtverletzung stattgefunden hat (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1991, Zl. 89/08/0139, vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/15/0145, vom 17. September 1990, Zl. 90/14/0038, vom 20. Juni 1990, Zl. 89/13/0142, vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198 u.v.a.).
Der Beschwerdeführer, der die genannten Haftungsvoraussetzungen gar nicht in Frage stellt, argumentiert (ebenso wie schon im Verwaltungsverfahren auch jetzt in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde) ausschließlich dahin, daß ihn im vorliegenden Fall kein Verschulden treffe, weil es eine Kompetenzaufteilung zwischen ihm und dem anderen Geschäftsführer dahin gegeben habe, daß die steuerlichen Angelegenheiten allein vom Geschäftsführer Dr. R zu behandeln gewesen wären.
Zwar trifft es zu, daß im Falle einer Mehrheit von Geschäftsführern bei Vorliegen einer Geschäftsverteilung die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit primär denjenigen Geschäftsführer trifft, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist und daß in einem solchen Fall den oder die anderen Geschäftsführer ein haftungsbegründender Schuldvorwurf nur insoweit trifft, als sie (bei gegebenem Anlaß zu Zweifeln an der ordnungsgemäßen Durchführung der entsprechenden Aufgaben durch den für den Abgabenbereich zuständigen Geschäftsführer) ihre Überwachungspflichten vernachlässigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. November 1991, Zl. 90/15/0123 und vom 21. Mai 1992, Zl. 88/17/0216 u.a.). Der Beschwerdeführer übersieht aber grundlegend, daß der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt insbesondere im Zusammenhalt mit der von ihm auch jetzt in seiner Beschwerde ausdrücklich zugestandenen Tatsache, daß er für die Gesellschaft m.b.H. Steuererklärungen unterfertigt hat, überhaupt keinen Anhaltspunkt für die von ihm nach wie vor behauptete Aufgabenaufteilung unter den beiden Geschäftsführern bildet. Insoweit der Beschwerdeführer weiter an einer solchen Geschäftsverteilung festhält, entfernt er sich in unzulässiger Weise von dem von der belangten Behörde festgestellten, gemäß § 41 Abs. 1 VwGG maßgeblichen Sachverhalt. Davon, daß es angesichts des festgestellten Sachverhaltes "denkunmöglich" sei, daß der Beschwerdeführer mit steuerlichen Belangen befaßt gewesen wäre und daß deshalb seine haftungsmäßige Inanspruchnahme gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße, kann überhaupt keine Rede sein.
Da der Beschwerdeführer schließlich Verfahrensmängel gar nicht aufzeigt und solche den vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht zu entnehmen waren, erweist sich der angefochtene Bescheid insgesamt als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Mit Rücksicht auf die durch die oben zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die vorstehende Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994150016.X00Im RIS seit
20.11.2000