TE Vwgh Beschluss 1994/8/25 AW 94/17/0023

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Veröffentlicht am 25.08.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/05 Börse;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
BörseG 1989 §19;
BörseG 1989 §4 Z1;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der L & B Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, der gegen den Bescheid der Vollversammlung der Wiener Börsekammer vom 23. März 1994, Zl. 6185/93, betreffend Ausschluß als Mitglied der Wiener Wertpapierbörse erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Vollversammlung der Wiener Börsekammer wurde die Beschwerdeführerin als Mitglied der Wiener Wertpapierbörse ausgeschlossen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, es seien monatelang ohne Wissen der Geschäftsführer von einem ungetreuen Angestellten risikoreiche (außerbörsliche) Geschäfte, die an Umfang im Mißverhältnis zum übrigen Geschäftsumfang und der Kapitalausstattung der Gesellschaft stünden, ausgeführt und dadurch die Überschuldung der Gesellschaft herbeigeführt worden. Daraus müsse geschlossen werden, daß den Geschäftsführern der Beschwerdeführerin die Eignung und damit die Zuverlässigkeit fehle, um eine Freie Maklerfirma zu führen. Da dieser Mangel die beiden Geschäftsführer persönlich treffe, ändere es auch nichts, daß die Gesellschafter inzwischen alle Angestellten gekündigt hätten und diese Geschäfte nur mehr persönlich abgeschlössen. Aus denselben Erwägungen stehe auch fest, daß die kaufmännische Sorgfaltspflicht grob fahrlässig verletzt worden sei.

Mit der dagegen erhobenen Beschwerde ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Er wird damit begründet, daß der Beschwerdeführerin nunmehr Börsegeschäfte im Sinne des § 27 Börsegesetz verwehrt wären, wodurch sich für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger, schwerwiegender Nachteil ergebe. Obwohl sie keine Börsegeschäfte tätigen könne, hätte sie den hohen finanziellen Aufwand (Fixkosten) für ihr Büro zu tragen. Die Beschwerdeführerin sei eine kleine Familiengesellschaft und es werde ihr durch den angefochtenen Bescheid die Erwerbsgrundlage entzogen. Da es bei Durchführung von Börsegeschäften noch niemals zu Schwierigkeiten gekommen sei, stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen.

In einem vom Präsidenten und vom Generalsekretär-Stellvertreter gefertigten Schriftsatz der Wiener Börsekammer wird hiezu der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Bereits mit Bescheid des Generalsekretärs der Wiener Börsekammer vom 13. Oktober 1993 war über die Beschwerdeführerin das Ruhen der Mitgliedschaft zur Wiener Wertpapierbörse ausgesprochen worden. Auch dagegen hatte die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, welche zur hg. Zl. 93/17/0399 protokolliert ist. Mangels eines dahinzielenden Antrages war dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung NICHT zuerkannt worden.

Gemäß § 19 Abs. 1 des Börsegesetzes, BGBl. Nr. 555/1989, sind Börsemitglieder auszuschließen, wenn

1. bei ihnen die Zulassungsvoraussetzungen zum Zulassungszeitpunkt nicht vorgelegen haben oder nachträglich weggefallen sind,

2. sie ihren Pflichten nicht nachkommen.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann der Präsident für die Dauer des Ausschlußverfahrens das Ruhen der Mitgliedschaft verfügen.

Mit Entschließung vom 20. August 1990, Kundmachung Nr. 927, Verordnungsblatt der Wiener Börsenkammer, 290. Stück, vom 20. August 1990, hat der Präsident gemäß § 10 Abs. 3 Börsegesetz dem Generalsekretär unter anderem den Ausspruch des Ruhens der Mitgliedschaft bei Mitgliedern der Wertpapier- und Warenbörse zur selbständigen Behandlung übertragen.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, kann von zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenlage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten. Der Umstand, daß öffentliche Interessen am Vollzug einer behördlichen Maßnahme bestehen, berechtigt nicht ohne weiteres schon zur Annahme, daß eben diese Interessen auch eine SOFORTIGE Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten. Hiezu bedarf es noch des Hinzutretens weiterer Umstände, um die öffentlichen Interessen als "zwingend" im Sinne der genannten Gesetzesstelle ansehen zu können (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluß vom 29. Juni 1994, Zl. AW 94/17/0021, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Das Vorliegen solcher zwingender öffentlicher Interessen wird in der Stellungnahme der Wiener Börsekammer - ganz abgesehen davon, daß diese Stellungnahme nicht der belangten Behörde, nämlich der Vollversammlung der Wiener Börsenkammer als deren Organ (§ 4 Z. 1 Börsegesetz) zuzurechnen und daher in Wahrheit unbeachtlich ist - nicht aufgezeigt. Davon, daß - wie die Wiener Börsekammer meint - das Interesse an einem funktionsfähigen Börsewesen über das übliche, bei jeder Verwaltungsmaßnahme vorauszusetzende öffentliche Interesse hinausgehe, kann keine Rede sein; es ist dies auch entgegen der Auffassung der Wiener Börsekammer nicht daraus zu erschließen, daß für den Ausschluß eines Börsenmitgliedes der Umstand genüge, seine Zuverlässigkeit sei zweifelhaft. Im übrigen wird im angefochtenen Bescheid selbst festgestellt, daß insbesondere der ungetreue Angestellte nicht mehr bei der Beschwerdeführerin beschäftigt ist. Daß die Befürchtung bestünde, es würden dennoch auch in Hinkunft gleichartige Malversationen vorfallen, behauptet auch die Wiener Börsekammer nicht.

Es ist daher in die nach § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehene Interessenabwägung einzutreten. Hiebei ist der Wiener Börsekammer freilich dahin beizupflichten, daß sich die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Teilnahme am Börsehandel durch den angefochtenen Bescheid deshalb nicht geändert hat, weil schon mit Bescheid vom 13. Oktober 1993 das Ruhen ihrer Mitgliedschaft verfügt und der dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde. Schon seit Erlassung des zuletzt genannten Bescheides ist daher die Beschwerdeführerin daran gehindert, am Börsenhandel teilzunehmen. Ein ihr hieraus allenfalls erwachsender Nachteil ist somit nicht auf den nunmehr angefochtenen Bescheid zurückzuführen. Es ist daher auszuschließen, daß mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Antrag war daher abzuweisen, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen war.

Schlagworte

Behördenorganisation Unverhältnismäßiger Nachteil Zurechnung von Organhandlungen Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:AW1994170023.A00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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