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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der AV in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Mai 1992, Zl. R/1-V-90100, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister, 2. OV jun. in G, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der zweitmitbeteiligte Bauwerber suchte mit Eingabe vom 26. September 1989 um die Erteilung einer Baubewilligung für Zu- und Umbauarbeiten an seiner Hotelanlage auf den Grundstücken Nr. 9/4 und 10/2 an. Nordseitig benachbart ist das Grundstück Nr. 10/3 (EZ 66), welches der Beschwerdeführerin gehört. Der Bauwerber beabsichtigte, auf dem Grundstück Nr. 9/4 einen ebenerdigen Zubau mit Flachdach, beinhaltend einen Windfang und einen Büroraum, zu errichten. Auf dem Grundstück Nr. 10/2 beabsichtigte er die Errichtung eines Verbindungstraktes zwischen den drei bisher bestehenden Gebäuden.
Am Tag vor der Bauverhandlung erklärte die Beschwerdeführerin bei der Baubehörde, daß zu ihren Gunsten ein grundbücherlich sichergestelltes Bauverbot bestehe; sie beantragte die Vertagung der Bauverhandlung. Bei der Bauverhandlung erschien sie und überreichte eine Stellungnahme ihres Rechtsvertreters. Darin werden allgemein verschiedene Einwendungstatbestände aufgezählt.
Der der Verhandlung vom 11. Oktober 1989 beigezogene Amtssachverständige erklärte, daß die geplanten Zu- und Umbauten der Niederösterreichischen Bauordnung in der derzeit geltenden Fassung entsprächen. Die vorgelegten Unterlagen, wie Grundrißdarstellung, Darstellung der Ansichten und Schnitte sowie der Lageplan im Maßstab 1:500 seien ausreichend. Der Sachverständige schlug 34 Auflagen vor; bei plan- und beschreibungsgemäßer Ausführung und Einhaltung dieser Auflagen bestünden seinerseits keine Bedenken gegen die Erteilung der Baubewilligung.
Mit Bescheid vom 6. November 1989 bewilligte der Bürgermeister der erstmitbeteiligten Gemeinde das beantragte Bauvorhaben. Im Spruch dieses Bescheides wurde festgehalten, daß das Protokoll über die Bauverhandlung einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilde.
Der dagegen von der Beschwerdeführerin erstatteten Berufung gab der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Gemeinde insofern Folge, als der Spruch des Baubewilligungsbescheides dahingehend ergänzt wurde, daß die Einwendung bezüglich des bestehenden Bauverbotes auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben.
In ihrer dagegen erstatteten Vorstellung behauptete die Beschwerdeführerin erstmals, die Verhandlungsschrift liefere keinen Beweis der Richtigkeit und Vollständigkeit, weil sie weder die Unterschrift der Beschwerdeführerin aufweise, noch einen Vermerk gemäß § 14 Abs. 3 AVG. Weiters wurde gerügt, daß Gegenstand der Abstimmung im Gemeinderat der erstmitbeteiligten Gemeinde nur der Spruch des Berufungsbescheides gewesen sei, nicht aber dessen Begründung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung keine Folge. Durch den Berufungsbescheid seien Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt worden.
In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Durchführung eines den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Verfahrens sowie in ihrem Recht auf Anwendung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der Bestimmungen der NÖ Bauordnung, insbesondere für Anrainer, verletzt. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie der Zweitmitbeteiligte - eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 118 Abs. 8 und Abs. 9 der NÖ Bauordnung i.d.F. der Novelle LGBl. 8200-6 (im folgenden: BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Dazu gehören insbesondere die Bestimmungen über
1.
den Brandschutz;
2.
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3.
die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4.
die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, daß sie in einem dieser subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt worden wäre, sondern beruft sich auf Verfahrensverstöße vor den Baubehörden bzw. der Vorstellungsbehörde.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Verpflichtung erstreckt sich jedoch nur auf die "Sache" des Berufungsverfahrens, also auf den Gegenstand des Verfahrens der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 89/05/0027, m.w.N.). Die Beschwerdeführerin brachte aber erstmals in der Vorstellung vor, die Verhandlungsschrift liefere keinen Beweis der Richtigkeit und Vollständigkeit, weil sie weder von der Beschwerdeführerin unterschrieben sei, noch einen Vermerk gemäß § 14 Abs. 3 AVG aufweise. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung diese Rüge nicht erhoben hat - nichts deutet darauf hin, daß ihr Akteneinsicht und somit Einsicht in das Protokoll verweigert worden wäre - können Mängel des Verfahrens nur dann zu einer Rechtsverletzung des Nachbarn führen, wenn bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Nachbar in einem Recht verletzt sein könnte (Hauer, Der Nachbar im Baurecht3, 76). Inwieweit eine solche Rechtsverletzung dadurch bedingt sein kann, daß das Protokoll über die Bauverhandlung keine Unterschrift der Beschwerdeführerin trägt, ist nicht erkennbar.
Gleiches gilt auch für die Rüge, daß der Ausfertigung des Baubewilligungsbescheides, die die Beschwerdeführerin erhielt, die "Allgemeinen Auflagen bei Bauvorhaben" nicht angeschlossen waren. Ohne daß die Frage erörtert werden muß, ob es sich dabei überhaupt um Auflagen im Sinne des § 100 Abs. 1 BO handelte, führt die Beschwerdeführerin nicht aus, inwieweit sie dadurch, daß ihr diese Beilage nicht mit dem erstinstanzlichen Bescheid übersandt wurde, gehindert war, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte geltend zu machen.
Haben die von einem Bauwerber vorgelegten Planunterlagen ausgereicht, dem Nachbarn jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof braucht, dann steht ihm kein subjektiv-öffentliches Recht darauf zu, daß diese Unterlagen objektiv in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügen (siehe Hauer aaO, 228f, m.w.N.). Die Beschwerdeführerin war nicht in der Lage, im Sinne der zitierten
hg. Rechtsprechung aufzuzeigen, inwiefern sie durch allfällige Mängel der vorgelegten Pläne in ihren Rechten hätte beeinträchtigt werden können. Jedenfalls ergibt sich aus dem vorgelegten Lageplan, der den Mindestmaßstab des § 96 Abs. 2 einhält, wo auf den Grundstücken des Bauwerbers und in welchen Abständen zu den Grundgrenzen zur Beschwerdeführerin das Projekt situiert ist.
Schließlich läßt die Beschwerdeführerin auch nicht erkennen, inwieweit sie durch das von ihr als unüberprüfbar gerügte Sachverständigengutachten in der Verfolgung ihrer Nachbarrechte beeinträchtigt worden wäre.
Die Beschwerdeführerin behauptet - wie schon in der Vorstellung -, Gegenstand der Abstimmung im Gemeinderat sei nur der Spruch der Beufungsentscheidung, nicht aber deren Begründung gewesen, sondern sei die Begründung nachträglich dazugeschrieben worden. Für diese Behauptung wird keine nähere Begründung geliefert und kein Beweis angeboten. Offenkundig beruht die Behauptung der Beschwerdeführerin auf einer reinen Vermutung, weil sie in der Vorstellung ausführte, die gesonderte Fassung der Begründung des Berufungsbescheides sei ursächlich für einen derart langen Zeitraum bis zur Bescheidzustellung (2. Mai 1990; Sitzung am 21. Dezember 1989). Dazu hat die Erstmitbeteiligte in ihrer Stellungnahme zur Vorstellung auf die Arbeitsüberlastung in der Gemeinderverwaltung hingewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher keinen Verfahrensmangel darin erkennen, daß die belangte Behörde diese unbegründete Behauptung nicht zum Gegenstand weiterer Erhebungen gemacht hat.
Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben , wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Beschwerdeführerin macht Begründungsmängel im angefochtenen Bescheid geltend, ohne jedoch anzuführen, inwieweit die belangte Behörde bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschriften unter Bedachtnahme auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführerin zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Somit erweist sich die Beschwerde auch, soweit sie sich auf diesen Beschwerdegrund stützt, als unbegründet.
Da also eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht erfolgt ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als insgesamt unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992050135.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009