Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des UVS Wien vom 7. Juli 1993, Zl. UVS-02/12/00066/92, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in einer Bauangelegenheit durch Organe des Magistrates der Stadt Wien (weitere Partei gemäß § 21 Abs. 1 VwGG: Bauoberbehörde für Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Juli 1993 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers wegen der am 15. August 1992 durch Organe des Magistrates der Stadt Wien erfolgten "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (gewaltsames Eindringen in die Kanzlei und Wohnung des Beschwerdeführers) durch Organe der Stadt Wien, näher Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 68 (Wiener Berufsfeuerwehr)" gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ging dabei entsprechend der Begründung seines Bescheides von nachstehendem Sachverhalt aus:
"Am 15.8.1992, um 13.02 Uhr, wurde die Wiener Feuerwehr von Herrn MV nach W beordert, da Teile der Decke des Badezimmers der Wohnung im ersten Stock, Top 21, in einem Ausmaß von ca. 2m2 abgestürzt waren. Im Zuge der Begutachtung der Schäden wurde festgestellt, daß es sich bei dieser Decke um eine Zwischendecke handelte. Um der Ursache des Schadens nachzugehen, wurde die Wohnungstüre der darüber gelegenen Wohnung Top 23, Kanzlei und Wohnung des Beschwerdeführers, gewaltsam geöffnet. Die Öffnung dieser Türe erfolgte unter Anwendung von Brachialgewalt, da Versuche die Türe unter Anwendung herkömmlicher Werkzeuge nicht geöffnet werden konnte. Es wurde in der Wohnung Nachschau gehalten und festgestellt, daß die Ursache des eingetretenen Schadens an der Badezimmerdecke der darunter liegenden Wohnung nicht von den Räumlichkeiten des Beschwerdeführers ausgegangen waren. Die eigentliche Decke (Abschlußdecke) zwischen den beiden Wohnungen war unversehrt. Nach Hinterlegung von Mitteilungen durch die Feuerwehr, wurde die Wohnung des Beschwerdeführers provisorisch verschlossen und die Zwischendecke der darunter liegenden Wohnung abgepölzt."
Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 1993, Zl. B 1486/93-3, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde abgelehnt. Mit einem weiteren Beschluß des Verfassungsgerichtshofes (vom 27. Jänner 1994, Zl. B 1486/93-5) wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Feuerpolizei und die Luftreinhaltung in Wien (Wiener Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetz), LGBl. Nr. 17/1957 in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 23/1969 und 17/1982, werden durch dieses Gesetz Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung von Bränden sowie zur Einschränkung der durch den Betrieb von Feuerstätten und durch offenes Verbrennen verursachten Luftverunreinigungen erlassen.
In dem der "Bekämpfung von Bränden" gewidmeten "2. Teil" dieses Gesetzes findet sich unter der Überschrift "Mitwirkung bei Löscharbeiten" die Vorschrift des § 7 Abs. 4, wonach bei "Lösch-, Sicherungs-, Rettungs- und Bergungsarbeiten Eingriffe in das Eigentum, wie das Abtragen von Baulichkeiten, das Durchbrechen von Mauern, das Räumen von Gebäuden, das Ausheben von Gräben oder das Fällen von Bäumen, zulässig sind, jedoch nur im Notfalle und nur auf Anordnung des Leiters des Feuerwehreinsatzes. Dieser trifft alle Anordnungen, die zur Abwendung von Gefahren erforderlich sind, und sorgt für deren sofortige Durchführung; den Anordnungen hat jedermann nachzukommen. Auf solche Maßnahmen finden die Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze keine Anwendung.
Der Gerichtshof kann sich der Auffassung der belangten Behörde nicht anschließen, daß die "Vorgangsweise der Feuerwehr ... ohne Zweifel auf § 7 Abs. 4 des Wiener Feuerpolizeigesetzes zu stützen war", weil sich nicht nur aus der wiedergegebenen gesetzlichen Umschreibung des Anwendungsbereiches dieses Gesetzes ergibt, daß es Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung von BRÄNDEN sowie zur Einschränkung der durch den Betrieb von FEUERSTÄTTEN und durch offenes VERBRENNEN verursachten LUFTVERUNREINIGUNGEN enthält, sondern auch aus den zitierten Bestimmungen des 2. Teiles dieses Gesetzes unzweideutig abzuleiten ist, daß dieser - und somit auch § 7 Abs. 4 leg. cit. - im Zusammenhang mit der BEKÄMPFUNG VON BRÄNDEN anzuwenden ist. Im Beschwerdefall waren aber keine Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Brand zu ergreifen, weshalb dem Beschwerdeführer Recht zu geben ist, daß der vorliegende Sachverhalt nicht unter die zitierte Bestimmung des Wiener Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetzes subsumiert werden kann.
Diesem Rechtsirrtum der belangten Behörde kommt aber im Zusammenhang mit der Frage der Rechtswidrigkeit der bekämpften Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt keine entscheidende Bedeutung zu, weil sich daraus noch nicht ergibt, daß diese ohne gesetzliche Ermächtigung gesetzt worden ist. Zufolge § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien kann nämlich die Behörde bei Gefahr im Verzuge auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Gebäudes oder baulichen Anlage anordnen und sofort vollstrecken lassen.
Das Aufbrechen der Wohnungstüre des Beschwerdeführers stellt zwar keine "Sicherungsmaßnahme" im Sinne dieser Bestimmung dar, da die bestehende Gefahr, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, im Pölzen der Zwischendecke der darunter liegenden Wohnung bestanden hat, doch muß unter Zugrundelegung einer am Zweck dieser Regelung orientierten Interpretation davon ausgegangen werden, daß auch solche Maßnahmen durch diese Norm gedeckt sind, welche der Feststellung einer allfälligen Gefahrenquelle dienen, um nötigenfalls weitere Sicherungsmaßnahmen ergreifen zu können. Unter diesem Gesichtspunkt war es daher auch nach Ansicht des Gerichtshofes nicht rechtswidrig, durch Nachschau in der Wohnung des Beschwerdeführers festzustellen, ob die Ursache des in dem darunter liegenden Teil des Hauses aufgetretenen Baugebrechens nicht - auch - von dessen Wohnung ausgegangen sein könnte. Dabei kommt dem in der Beschwerde relevierten Umstand, daß die Feuerwehr "aus eigenem, d.h. im eigenen Wirkungsbereich einschritt" und die "Wiener Baupolizei weder verständigt" worden sei, "noch von sich aus irgendwelche Maßnahmen anordnete oder sich zur Wahrnehmung allfälliger Aufgaben der Wiener Feuerwehr bediente", insofern keine rechtliche Bedeutung zu, als damit nicht etwa eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers begründet werden könnte, weil, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausgeführt hat, die bekämpfte Maßnahme dem Magistrat der Stadt Wien als Behörde zuzuordnen und die Wiener Berufsfeuerwehr eine Dienststelle dieser Behörde ist, weshalb es unerheblich ist, daß nicht die für Angelegenheiten der Baupolizei behördenintern zuständige Dienststelle eingeschritten ist.
In Beantwortung der Frage, ob die gesetzliche Ermächtigung des § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien durch die ergriffene Maßnahme, nämlich das Aufbrechen der Wohnungstüre des Beschwerdeführers, überschritten worden ist, muß darauf hingewiesen werden, daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als unschlüssig angesehen werden kann, wenn sie davon ausgegangen ist, daß im Zeitpunkt der Durchführung der in Rede stehenden Maßnahme kein Fenster der Wohnung des Beschwerdeführers geöffnet war und sohin ein Eindringen in die Wohnung auch ohne größere Beschädigungen möglich gewesen wäre, weil einerseits der Einsatzleiter der Feuerwehr als Zeuge erklärt hat, "kein offenes Fenster wahrgenommen" zu haben, und andererseits auch noch zu berücksichtigen ist, daß nach den Ausführungen des Beschwerdeführers "die Kanzlei" (Wohnung) zwischen "8.8. und 23.8.1992 urlaubsbedingt geschlossen war". Der Behauptung des Beschwerdeführers, wonach eine Mitarbeiterin "regelmäßig Nachschau gehalten und zu Lüftungszwecken auch ein Fenster geöffnet gelassen hat", kann die KONKRETE Wahrnehmung des Einsatzleiters nicht widerlegen. Im übrigen soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, daß die bekämpfte Maßnahme an einem Feiertag (15. August) gesetzt worden ist.
Schließlich ist zu dem Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ein "taugliches Ermittlungsverfahren zur Frage der Erforderlichkeit des Eindringens in die Wohnung" des Beschwerdeführers "verweigert", zu bemerken, daß dem Einsatzleiter der Feuerwehr angesichts einer nicht von vornherein auszuschließenden Gefahr im Verzuge (vgl. § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien) nicht etwa die Einholung eines statischen Gutachtens über die Frage der möglichen Einsturzgefahr in dem in Rede stehenden Objekt zuzumuten war, sodaß im Hinblick auf den unbestritten gebliebenen Sachverhalt (ein ca. 2 m2 großer Teil der Decke des Badezimmers der unterhalb der Wohnung des Beschwerdeführers gelegenen Wohnung war abgestürzt) die Annahme nicht unbegründet war, daß die Ursache dieses Geschehens im Bereich der Wohnung des Beschwerdeführers gelegen sein könnte, womit aber die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Nachschau in der Wohnung des Beschwerdeführers gegeben und das daraufhin erfolgte Eindringen in diese Räumlichkeiten gerechtfertigt war.
Der Beschwerdeführer ist daher durch die bekämpfte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht in seinen Rechten verletzt worden, weshalb die belangte Behörde die dagegen gerichtete Beschwerde mit Recht als unbegründet abgewiesen hat. Damit war auch die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Behördenorganisation Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994050030.X00Im RIS seit
02.07.2001