TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/8 92/18/0051

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Veröffentlicht am 08.09.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs11;
AAV §46 Abs5;
AAV §46 Abs6;
BArbSchV §28 Abs3;
BArbSchV §31 Abs3;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des L in X, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. Jänner 1992, Zl. VII/2a-V-1506/0/1-91, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung und der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 9. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber zu verantworten, daß ein am 19. Oktober 1989 an einer näher bezeichneten Baustelle verwendetes Gerüst im einzelnen beschriebene Mängel aufgewiesen habe. Er habe dadurch drei Übertretungen des § 46 Abs. 6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), je eine Übertretung des § 46 Abs. 5 und Abs. 11 AAV und je eine Übertretung des § 28 Abs. 3 und des § 31 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung (BArbSchVO), BGBl. Nr. 267/1954, begangen. Über ihn wurden wegen der Übertretungen des § 46 Abs. 6 AAV Geldstrafen in der Höhe von S 5.000,--, S 2.500,-- und S 2.500,--, wegen der weiteren Übertretungen der AAV und der Übertretung des § 28 Abs. 3 BArbSchVO Geldstrafen in der Höhe von je S 2.000,-- und wegen der Übertretung des § 31 Abs. 3 BArbSchVO eine Geldstrafe von S 1.000,-- verhängt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen wurden Ersatzfreiheitsstrafen festgesetzt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Vernehmung der beantragten Zeugen sei entbehrlich gewesen, weil die Beweisthemen, zu denen sie geführt worden seien, unerheblich seien. Es sei ohne Belang, ob das Gerüst fertiggestellt und abgenommen gewesen sei. Ebenso sei es unerheblich, ob die Beschäftigung von Arbeitnehmern auf dem in mehrfacher Hinsicht mangelhaften Gerüst mit Wissen und Willen des Beschwerdeführers geschehen sei, weil es sich bei den ihm angelasteten Übertretungen um Ungehorsamsdelikte handle, zu deren Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, daß ihn kein Verschulden treffe. Es sei nämlich nicht ersichtlich, ob und in welcher Form er Handlungen gesetzt habe, die geeignet gewesen seien, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu gewährleisten.

Bei der Strafbemessung sei zu berücksichtigen gewesen, daß konkrete nachteilige Folgen der Übertretungen nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer habe Farlässigkeit zu verantworten. Mildernd sei die Straflosigkeit (zum Tatzeitpunkt) gewesen. Erschwerungsgründe lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer sei für seine Ehefrau sorgepflichtig. Sein Einkommen werde mangels näherer Angaben mit S 25.000,-- netto monatlich eingeschätzt. Für die dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Übertretungen seien im Gesetz Geldstrafen bis zu S 50.000,-- (pro Delikt) vorgesehen. Die verhängten Strafen seien angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil die im § 32 BArbSchVO vorgeschriebene Prüfung des Gerüstes vor der erstmaligen Verwendung noch nicht stattgefunden habe. Die Arbeiter seien daher angewiesen worden, das Gerüst nicht zu betreten. Wenn das Gerüst von den Arbeitern (eigenmächtig) benützt worden sei, könne dies keine vom Beschwerdeführer zu verantwortende Übertretung darstellen.

1.2. Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß es für die Erfüllung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tatbestände nicht darauf ankommt, ob die Prüfung des Gerüstes im Sinne des § 32 BArbSchVO stattgefunden hat, sondern darauf, ob das Gerüst von den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern des Beschwerdeführers verwendet wurde. Daß dies der Fall gewesen ist, hat die belangte Behörde auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (insbesondere der vorliegenden Fotos) in unbedenklicher Weise angenommen; dies wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Folgte man der Rechtsansicht des Beschwerdeführers, daß bei Verwendung eines Gerüstes vor der Prüfung im Sinne des § 32 BArbSchVO keine der in der AAV (§ 46) und in der BArbSchVO (§§ 19 ff) enthaltenen Vorschriften betreffend die Beschaffenheit der Gerüste verletzt werden könne, hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch Unterlassung der Prüfung seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die genannten Vorschriften zu vermeiden. Daß der Beschwerdeführer - wie er behauptet - den Arbeitnehmern das Betreten des Gerüstes verboten habe, ändert an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes nichts.

2.1. Mit seinem im Verwaltungsstrafverfahren erstatteten (und in der Beschwerde wiederholten) Vorbringen, er habe seine Arbeitnehmer angewiesen, das Gerüst nicht zu benützen, diese hätten es daher eigenmächtig (entgegen seinem Auftrag) verwendet, hat der Beschwerdeführer erkennbar sein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften bestritten.

2.2. Dieses Vorbringen war aber nicht geeignet, mangelndes Verschulden - bei den dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen handelt es sich um sogenannte Ungehorsamsdelikte - im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen. Das behauptete Verbot, das Gerüst zu verwenden, war für sich allein nämlich nicht geeignet, die Verletzung der Verwaltungsvorschriften zu verhindern. Dazu hätte es auch einer entsprechenden, wirksamen Kontrolle bedurft, deren Bestehen der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 20. Juli 1992, Zl. 92/18/0197, und vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0019).

Da sohin der Beschwerdeführer im Verfahren das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht aufgezeigt hat, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie Verschulden (in Form der Fahrlässigkeit) des Beschwerdeführers an der Verletzung der genannten Verwaltungsvorschriften angenommen hat.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer konkretes Vorbringen, das geeignet gewesen wäre, mangelndes Verschulden darzutun, nicht erstattet hat, war die belangte Behörde nicht gehalten, die vom Beschwerdeführer beantragten Beweise aufzunehmen. Die von ihm in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge ist daher nicht berechtigt.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, daß er nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides die Übertretungen als Arbeitgeber zu verantworten habe. Arbeitgeber der auf dem Gerüst tätigen Personen sei jedoch nicht er, sondern die L-Gesellschaft m.b.H. gewesen.

3.2. Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Sachverhaltsannahme, er sei Arbeitgeber der an der Baustelle tätigen Personen gewesen, zu wecken. Nach der Auskunft der Gewerbebehörde vom 26. November 1990 hatte die L-Gesellschaft m.b.H. am Standort X, seit 14. Mai 1976 bis 1. Juli 1990 "Nichtbetrieb" gemeldet, der Beschwerdeführer war jedoch im Besitz einer Konzession für das Baumeistergewerbe. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Bescheid als "vormals handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma L-GesmbH, Nichtbetrieb in der Zeit vom 14. Mai 1976 bis 1. Juli 1990" bezeichnet wurde, ohne daß sich der Beschwerdeführer in der Berufung dagegen ausgesprochen und vorgebracht hätte, die Gesellschaft habe auch zur Tatzeit ein Bauunternehmen betrieben. Es ist daher nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde angenommen hat, der Beschwerdeführer sei zur Tatzeit Arbeitgeber der an der Baustelle eingesetzten Personen gewesen.

4. Ein zum Nachteil des Beschwerdeführers sich auswirkender Ermessensfehler der belangten Behörde bei der Strafbemessung ist nicht erkennbar. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, seine Vermögensverhältnisse seien nicht erhoben worden, ist ihm zu erwidern, daß er bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 13. Februar 1990 angegeben hat, er beziehe ein "unbestimmtes Einkommen" aus dem von ihm betriebenen Bauunternehmen. Mangels konkreter Angaben des Beschwerdeführers über sein Einkommen war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde sein monatliches Nettoeinkommen als Bauunternehmer mit S 25.000,-- geschätzt hat.

5. Da nach dem Gesagten die Beschwerde unbegründet ist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992180051.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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