TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/8 94/18/0525

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Veröffentlicht am 08.09.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;
StGB §129;
StGB §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Juni 1994, Zl. SD 332/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. Juni 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei unbestrittenermaßen am 10. Dezember 1993 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, bedingt auf drei Jahre Probezeit, rechtskräftig verurteilt worden. Damit lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe die Taten bereits im Jahre 1990 begangen und sich seither wohlverhalten, sei entgegenzuhalten, daß ihm mehrere Einbruchsdiebstähle zur Last lägen, die er in der Absicht begangen habe, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe Ende des Jahres 1990 gemeinsam mit anderen Mittätern diverse Diebstouren unternommen und in einem Zeitraum von nicht einmal einer Woche sechs Einbruchsdiebstähle begangen. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß dieses Fehlverhalten und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige.

Der Beschwerdeführer halte sich zwar erst seit November 1991 ständig in Österreich auf, es seien ihm jedoch familiäre Bindungen im Bundesgebiet zuzurechnen. Im Hinblick auf seine seit 7. Jänner 1992 bestehende Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und darauf, daß sich sein Vater und sein Bruder seit Jahren in Österreich aufhielten, sei von einem relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 MRK genannter Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte Dritter - dringend geboten und daher zulässig (§ 19 FrG). Immerhin sei der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls verurteilt worden, sodaß schon aufgrund der dadurch gegebenen Wiederholungsgefahr keine positive Zukunftsprognose gestellt werden könne. Daß er sich seit Dezember 1990 wohlverhalten habe, könne angesichts des Umstandes, daß die Verurteilung erst am 10. Dezember 1993 erfolgt sei, nicht ins Gewicht fallen. Den wiederholten Angriffen des Beschwerdeführers auf fremdes Eigentum mit der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, sei unter dem Gesichtspunkt des Ausmaßes der Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen bei der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung großes Gewicht beizumessen. Demnach seien die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als schwerer wiegend zu werten als die zweifellos bedeutsamen Auswirkungen der fremdenpolizeilichen Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Dem Umstand, daß der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ein Darlehen in der Höhe von S 200.000,-- aufgenommen habe, komme insofern keine Bedeutung zu, als gemäß § 20 Abs. 1 FrG nicht die Interessen Dritter, sondern ausschließlich die öffentlichen Interessen am Ausschluß vom weiteren Aufenthalt und die gegenläufigen privaten Interessen des Fremden gegeneinander abzuwägen seien.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Tatsache der besagten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung unbestritten und die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Auch der Gerichtshof hegt insoweit keine Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich indes gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Er führt dazu sein Wohlverhalten seit Dezember 1990 ins Treffen und weist darauf hin, daß es "nicht einmal der Verurteilung bedurfte", um keine weiteren strafbaren Handlungen zu begehen. Ferner wäre zu berücksichtigen gewesen, daß der Beschwerdeführer lediglich in untergeordneter Rolle an den Straftaten teilgenommen habe und daraus keinen Erlös erzielt habe. Selbst das Gericht sei davon ausgegangen, daß die Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe genüge, um zu erreichen, daß er keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde.

2.2. Demgegenüber wies die belangte Behörde zu Recht auf die mehrfachen Qualifikationen der vom Beschwerdeführer begangenen Diebstähle und den sich aus der gewerbsmäßigen Begehung ergebenden Hang des Beschwerdeführers hin, sich durch wiederholte Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz des Beschwerdeführers, sich eine fortlaufende Einnahme durch nicht bloß gelegentliche Diebstähle zu sichern, ließ die belangte Behörde - ungeachtet des seit der Begehung der Taten verstrichenen Zeitraumes von mehr als drei Jahren - zutreffend eine für den Beschwerdeführer günstige Prognose verneinen und damit die Annahme treffen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG). In bezug auf das in der Beschwerde hervorgekehrte Wohlverhalten des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde durchaus nachvollziehbar fest, daß dieser Umstand im Hinblick auf die erst im Dezember 1993 erfolgte Verurteilung, also das bis dahin anhängig gewesene Gerichtsverfahren, nicht zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht falle. Der vom Gericht ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht kommt insofern für das vorliegende fremdenrechtliche Verfahren keine Relevanz zu, als die belangte Behörde ihre Entscheidung - frei von jeglicher Bindung an gerichtliche Beurteilungen - ausschließlich aus dem Blickwinkel der von ihr anzuwendenden fremdenrechtlichen Normen zu treffen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0445).

3.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß die belangte Behörde den "entscheidungsrelevanten Sachverhalt über das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen nicht ausreichend ermittelt (hat)".

3.2. Mit diesem Einwand vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung nicht aufzuzeigen. Im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers nahm die belangte Behörde auf sämtliche in der Beschwerde angeführten, für ihn sprechenden privaten und familiären Interessen Bedacht, so insbesondere auf die bestehende Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und den langjährigen Aufenthalt des Vaters und eines Bruders des Beschwerdeführers, und legte ihrer Entscheidung "zweifellos bedeutsame Auswirkungen" des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie zugrunde. Wenn sie dennoch zu dem Ergebnis gelangte, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen, so stößt dies auf keine Bedenken. Denn das durch eine Vielzahl schwerer und qualifizierter Angriffe auf das Eigentum anderer gekennzeichnete Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkte eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit und wurde von der belangten Behörde in unbedenklicher Weise als derart schwerwiegend angesehen, daß auch die, wie erwähnt, stark ausgeprägten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers zurückzutreten hätten. Daß die Rückzahlung des für den Erwerb einer Eigentumswohnung aufgenommenen Darlehens, für die nach dem Beschwerdevorbringen sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Gattin haften, nunmehr letztere verstärkt belasten würde, mag zutreffen, ist jedoch angesichts des überwiegenden Interesses an der Verhängung des Aufenthaltsverbotes in Kauf zu nehmen; im übrigen ist nicht zu erkennen, weshalb der Beschwerdeführer seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht auch aus dem Ausland nachkommen kann. Was die behauptete Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers anlangt, so ist darauf hinzuweisen, daß auf diesen Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0103, und Zl. 93/18/0142).

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - und damit auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages hinsichtlich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres - als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180525.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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